Nicht selten suchen Regierungen Vorhaben, mit deren Realisierung sie national gescheitert sind, auf europäischer Ebene durchzusetzen. Bei der Portabilität geht es der Europäische Rat mit viel Chuzpe andersherum vor. Mercers Stefan Oecking kommentiert.
Der Europäische Rat für Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz, der sich aus den entsprechenden Fachministern der Mitgliedsstaaten zusammensetzt, hat sich – mit einem Trick – auf den Kommissionsvorschlag zur Portabilitätsrichtlinie geeinigt. Dieser sieht gewisse Mindeststandards bei der Unverfallbarkeit dem Grunde und der Höhe nach sowie bei den Mindestaufnahmealtern vor, die seit vielen Jahren kontrovers diskutiert werden, weil sie nach Auffassung einiger Mitgliedsstaaten beziehungsweise den dort ansässigen Arbeitgebern zu Zusatzkosten und erhöhtem Verwaltungsaufwand führen werden. Von Seiten der Arbeitgeber wurde auch argumentiert, dass es an dem Bedarf für eine solche Regelung fehlt, weil nur ein äußerst kleiner Anteil der europäischen Arbeitnehmer jemals grenzüberschreitend den Arbeitgeber wechselt.
Um diesen Argumenten zu begegnen, hat der Rat nun vorgeschlagen, die Vorgaben der Portabilitätsrichtlinie auf die tatsächlich Betroffenen, also auf die grenzüberschreitenden Wechsler zu beschränken. Aufgrund der geringen Anzahl entbehrten dann natürlich alle Kostenschätzungen jeglicher Grundlage.
Aber natürlich glaubt niemand, dass zum Beispiel der Mitgliedsstaat Deutschland jetzt eine Indexierung unverfallbarer Anwartschaften ausgeschiedener Mitarbeiter nur für solche Mitarbeiter gesetzlich festschreibt, die ins Ausland wechseln. Es scheint auch relativ unwahrscheinlich, dass der deutsche Gesetzgeber zwei unterschiedliche Mindestalter und Mindestdienstzeiten zur Erlangung einer unverfallbaren Anwartschaft gesetzlich regelt. Ob solche unterschiedlichen Regelungen vor dem Verfassungsgericht Bestand hätten, kann vorerst dahingestellt bleiben, darf aber mit Fug und Recht angezweifelt werden.
Also, fassen wir zusammen: Es handelt sich um einen „Fake“. Man meint es gar nicht so. In der englischen Presseveröffentlichung hierzu heißt es fast schon süffisant: „[…] aber die Kommission erwartet, dass sich die Mitgliedsstaaten dafür entscheiden, den Standard auch für innerstaatliche Mobilität anzuwenden.“ („[…] but the Commission expects that Member States will decide to apply the standards laid down by this Directive also to internal mobility.”). Leise lächelnd werden hier die Mitgliedsstaaten und deren Arbeitgeber vorgeführt, um entgegen dem Grundsatz der Subsidiarität Mindeststandards für betriebliche Versorgungssysteme einzuführen. Ob die deutsche Regierung hier – mitten im Wahlkampf – noch einmal voll dagegen hält, erscheint dem Beobachter nicht sehr wahrscheinlich.
Anmerkung der Redaktion:
Der Richtlinenentwurf findet sich hier.
Die erwähnte Pressemitteilung findet sich hier.
Der Autor ist Partner der Mercer Deutschland GmbH.
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