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Pensionsrückstellungen nach HGB:

„Frühzeitig und schnellstens“

Das Institut der Wirtschaftsprüfer fordert angesichts des Zinsanstiegs Anpassungen bei dem Diskontsatz zur Bewertung von Pensionsrückstellungen nach HGB – genaugenommen die Rückkehr zu der Rechtslage von vor 2016. Wie dies aus aktuarieller Sicht zu bewerten ist, um welche Größenordnungen es geht, was das für den Umgang mit dem 6a heißt und was eigentlich viel schwergewichtiger ist als der Zins, dazu befragt LEITERbAV Mercers Chefaktuar Thomas Hagemann.

Thomas Hagemann, das IDW hat das BMJ in einem Schreiben aufgefordert, im 253 HGB betreffend des Diskontzinses für Pensionsrückstellungen wieder zur Durchschnittsbildung über 7 Jahre zurückzukehren. Wie bewerten Sie den Vorstoß aus Sicht des Aktuars?

Thomas Hagemann, Mercer.

Der Gesetzgeber hat den 10-Jahres-Durchschnittszins für Pensionsverpflichtungen eingeführt, um Unternehmen mit einer Direktzusage zu entlasten. Das ergibt sich unmittelbar aus der damaligen Gesetzesbegründung. Der BGH hat daraus 2016 im Zusammenhang mit den Berechnungen zum Versorgungsausgleich geschlossen, dass der Gesetzgeber den 7-Jahres-Durchschnittszins weiterhin für realitätsgerecht und angemessen hält. Insofern ist eine Rückkehr zum 7-Jahres-Durchschnittzins folgerichtig und muss spätestens dann erfolgen, wenn der 7-Jahres-Durchschnittszins höher ist als der 10-Jahres-Durchschnittszins.

Es ist gut, die Thematik frühzeitig anzugehen. Das IDW begründet den Zeitpunkt des Vorstoßes mit den zusätzlichen Belastungen aus der Inflation. Kurzfristig könnte der Zins nach Auffassung des IDW eingefroren werden. Sobald der 7-Jahres-Durchschnittszins diesen eingefrorenen Zins erreicht, würde dann der Übergang auf den 7-Jahres-Durchschnittszins vollzogen. Das ist eine vernünftige Lösung, weil auf diesem Wege erneute Zinssprünge aufgrund der Gesetzesänderung vermieden werden.

Ob das Einfrieren des Zinssatzes indes eine Entlastung schafft, ist noch offen. Das hängt davon ab, ob der 10-Jahres-Durchschnittszins weiter sinkt. Wie das IDW richtig schreibt, war nach dem Stand Ende August der Tiefststand noch nicht erreicht. Mittlerweile hat sich das allgemeine Zinsniveau weiter erhöht, so dass der 10-Jahres-Durchschnittszins im September erstmals gestiegen ist und aktuell kein weiteres Absinken mehr erwartet wird.

Können Sie Größenordnungen nennen, um die es geht?

Würde der Vorstoß des IDW noch dieses Jahr umgesetzt werden, so könnte der Rechnungszins auf den Vorjahresstand von 1,87% eingefroren werden. Andernfalls müssen die Unternehmen den Zins auf 1,79% absenken (bei ab jetzt unverändertem Zinsniveau). Der Unterschied beträgt lediglich 0,08 Prozentpunkte und dürfte die Verpflichtungswerte nur um ein bis zwei Prozent erhöhen. Für das Jahr 2023 dürften die Veränderungen noch geringer ausfallen. Die Auswirkungen der erhöhten Inflation sind deutlich größer und können dadurch nicht ansatzweise kompensiert werden.

Dennoch ist es richtig, diese Änderung zügig umzusetzen. Angesichts der vielen Belastungen der Unternehmen sollten alle unnötigen Bürden schnellstens beseitigt werden.

Apropos Inflation: Hier kann man vermutlich bilanziell keine Entlastung schaffen? Oder haben Sie eine Idee?

Die nächsten Anpassungen werden sehr hoch ausfallen, und auch die langfristige Inflationserwartung wird höher festzulegen sein als im Vorjahr. Selbst wenn das eine oder andere Unternehmen eine der nächsten Anpassungen aus wirtschaftlichen Gründen unterlassen kann, werden die Verpflichtungswerte steigen. Das muss bilanziell abgebildet werden.

Als der Zins niedrig war, ist man auf 10 Jahre gegangen. Jetzt, wo er steigt, wären 7 Jahre angemessen. Ist die Durchschnittsbildung überhaupt ein nachhaltiges Werkzeug für die zugrundeliegende Aufgabe?

Als der Durchschnittszins eingeführt wurde, dachte man, dass er über lange Zeiträume stabil bleiben würde. Die folgenden Entwicklungen waren gar nicht vorhergesehen worden. Daher wäre ein stabiler Zinssatz die bessere Lösung.

Das entspricht auch dem Vorschlag des IDW: Man könnte mittelfristig auf einen festen Zinssatz übergehen, der vom Gesetzgeber bei Bedarf angepasst wird. Etwas Ähnliches kennen wir bereits: Der Höchstrechnungszins für Lebensversicherungen orientiert sich zwar an Marktzinssätzen, wird aber per Verordnung festgelegt. Ein ähnliches Verfahren würde ich für den HGB-Zinssatz begrüßen.

Außerdem könnte die Ausschüttungssperre wieder aufgehoben werden, richtig?

Die Ausschüttungssperre würde in dem Moment, in dem der 7- den 10-Jahres-Durchschnittszins überholt, ins Leere laufen, weil es keine negative Ausschüttungssperre geben kann. Die Ausschüttungen würden sich ohne Gesetzesänderung ab diesem Zeitpunkt ohnehin nach dem 10-Jahres-Durchschnittszins richten. Der Gesetzgeber wollte 2016 dagegen sicherstellen, dass sich die Ausschüttungen weiter nach dem 7-Jahres-Durchschnittszins richten. Das unterstreicht die Notwendigkeit der vorgeschlagenen Änderung.

Ist angesichts des Zinsanstieges die alte Diskussion um den Spread zum 6a EStG damit eigentlich obsolet? Oder nur abgemildert? Vielleicht bei einer Reform des 253 den 6a gleich integriert mit anfassen?

Langfristig wäre es erstrebenswert, einen einheitlichen Rechnungszins für Handels- und Steuerbilanz festzulegen. Daher wäre eine gleichzeitige Anpassung beider Regelungen begrüßenswert.

Sie ist kurzfristig allerdings unrealistisch. Die nun notwendige Änderung des § 253 HGB ergibt sich folgerichtig aus der damaligen Gesetzesänderung. Die Grundlagen für den 10-Jahres-Durchschnittszins werden bald entfallen, also ist die alte Gesetzesfassung wiederherzustellen. Das sollte politisch nicht strittig sein.

Anders der steuerliche Rechnungszins. Hier steht eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes aus, es gibt keinen politischen Konsens über die richtige Lösung, und eine Änderung hätte fiskalpolitische Auswirkungen. Wir sollten die Rückkehr zum § 253 HGB in der Gesetzesfassung vor 2016 nicht mit dem kontroversen 6a-Thema belasten, sonst scheitert möglicherweise die Umsetzung beider Themen.

Ich hoffe, dass wir nächstes Jahr eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum steuerlichen Rechnungszins bekommen. Die aktuellen Höhenflüge des Zinsniveaus könnten allerdings einen neuen Aspekt hochbringen: Was, wenn der steuerliche Rechnungszins zwar verfassungswidrig war, aber nur vorübergehend in den Jahren des niedrigen Zinsniveaus?

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