Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Mal wieder Handlungsbedarf bei Zusagen mit Beschränkung der Hinterbliebenenversorgung:

Wenn alte Liebe rostet …

muss der Arbeitgeber das respektieren. Vor gut einem Jahr hatte der Erfurter Dritte Senat die Wirkung von AGB in einer Versorgungszusage zu beurteilen, die sich mit den berechtigten Hinterbliebenen befassen – und auf unangemessene Benachteiligung erkannt. Nadine Wolters und Elisabeth Lapp geben eine kurzen Überblick zu den Folgen des Urteils für Unternehmen, EbAV und Versicherer.

 

 

Elisabeth Lapp, Alte Leipziger.

Mit seiner Entscheidung 3 AZN 954/19 vom 18. Februar 2020 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) klargestellt, dass eine Klausel, die im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingen die Hinterbliebenenversorgung auf eine namentlich in der Versorgungszusage benannte Witwe beschränkt, unzulässig ist. Damit wird Arbeitgebern die Möglichkeit genommen, weiterhin durch derartige Beschränkungen das mit einer Hinterbliebenenversorgung verbundene finanzielle Risiko zu begrenzen.

 

Das BAG entschied, dass durch eine solche Klausel in das typisierte Versorgungsinteresse des Arbeitnehmers, nämlich die Absicherung des aktuellen Ehepartners für den Fall seines Todes, eingegriffen werde. Diese zusätzliche Einschränkung des typischerweise abgesicherten Personenkreises stellt nach Auffassung des BAG im Rahmen der Angemessenheitskontrolle eine unangemessene Benachteiligung entgegen den Geboten von Treu und Glauben dar.

 

Arbeitsrechtlich hat dies zur Folge, dass entgegen der Regelung in der Zusage die aktuelle Witwe bzw. der aktuelle Witwer Anspruch auf die Hinterbliebenenleistung erhält.

 

Von AGB über Gesamt- über Einzelzusagen …

 

Nadine Wolters, Mercer.

Von dieser Entscheidung sind jedoch nicht nur Klauseln betroffen, die in AGB verankert sind.

 

Vielmehr ist davon auszugehen, dass diese Rechtsprechung jedenfalls auch auf Gesamtzusagen und unter bestimmten Voraussetzungen auf Einzelzusagen zu übertragen ist. Betriebsvereinbarungen dürften aufgrund des § 310 BGB von den Regelungen erst einmal ausgenommen werden, da sie nicht auf AGB-Recht geprüft werden dürfen.

 

zu den Versicherungsförmigen

 

Auch in Bezug auf die Ausgestaltung in versicherungsförmigen Durchführungswegen kann das Urteil Auswirkungen haben.

 

Wird die bAV z.B. über eine Direktversicherung durchgeführt, sollten sich die arbeitsrechtlichen und versicherungsrechtlichen Regelungen decken, um den Arbeitgeber nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Insofern lohnt sich auch immer ein Blick auf das Bezugsrecht, welches in der Direktversicherung versicherungsrechtlich ausgestaltet ist.

 

Da der BGH bereits im Jahre 2015 (BAG vom 22. Juli 2015, AZ: IV ZR 437/14) entschieden hat, dass für die Bestimmung des Willens des Versicherungsnehmers auf den Zeitpunkt der Festlegung des Bezugsrechts abzustellen ist, kann sich hierdurch eine Diskrepanz – insbesondere in älteren Zusagen − zu den arbeitsrechtlichen Bestimmungen ergeben. Im vom BGH entschiedenen Fall erhielt z.B. die (geschiedene) Ehefrau die Versicherungsleistung.

 

Eine Wechselwirkung zwischen den neuen arbeitsrechtlichen Vorgaben des BAG und anderen Gebieten kann sich ebenso im Rahmen der Liquidationsdirektversicherung ergeben. Auch hier muss beachtet werden, dass eine andere Person berechtigt sein kann, als ursprünglich in der Zusage festgelegt wurde.

 

Noch offen ist sicher auch, ob sich die Rechtsprechung des BAG auch auf Organpersonen übertragen lässt.

 

Vor diesem Hintergrund sollten Arbeitgeber ihre Versorgungszusagen überprüfen und künftig ggf. auf anderem Wege etwa mittels Späteheklausel oder eine Wiederverheiratungsklausel das mit einer Zusage auf Hinterbliebenenleistungen verbundene finanzielle Risiko versuchen zu begrenzen.

 

Der komplette Aufsatz zur Entscheidung des BAG vom 18. Februar 2020 ist unter dem Titel „Mal wieder Handlungsbedarf bei Zusagen mit Beschränkung der Hinterbliebenenversorgung“ in der aktuellen Ausgabe (2/21) der BetrAV der aba erschienen.

 

Elisabeth Lapp ist Syndikusrechtsanwältin der Alte Leipziger Lebensversicherung a.G.

 

Nadine Wolters ist Rechtsanwältin bei der Mercer Deutschland GmbH.

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Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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