Wegen der Coronavirus-Epidemie rechnet die Bundesregierung mit 2,35 Millionen Kurzarbeitern – Anlass genug, genauer zu untersuchen, wie sich dies auf das langfristig angelegte Pensionswesen auswirkt. Wo Gestaltungen möglich und nötig sind, ist es ratsam, diese nun vorzunehmen, erläutert für LEITERbAV Judith May.
Viele Arbeitgeber sehen sich angesichts der andauernden Corona-Krise gezwungen, wegfallende Aufträge durch Eingriffe beim Personalaufwand zu kompensieren. Die Anordnung von Kurzarbeit ist dabei im Vergleich zum Personalabbau das vergleichsweise mildere Mittel. Oft sehen bereits bestehende Tarifverträge entsprechende Ermächtigungen vor, die die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen näher definieren; in anderen Fällen wird Kurzarbeit auf Grundlage einer Betriebsvereinbarung eingeführt.
Kurzarbeit hat eine vorübergehende Verkürzung der betriebsüblichen normalen Arbeitszeit zur Folge. Wird die Arbeit vorübergehend ganz eingestellt, spricht man von sog. „Kurzarbeit Null“.
Folge der Kurzarbeit ist, dass die Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis (jedenfalls teilweise) suspendiert sind. Mit der gesunkenen Arbeitspflicht geht ein entsprechend reduzierter Vergütungsanspruch einher.
Manche Arbeitgeber schießen zu
Das Kurzarbeitergeld nach dem SGB III dient dazu, diesen Vergütungsausfall auszugleichen. Dafür gelten mittlerweile wieder die gelockerten Bedingungen aus der Finanzkrise: Der für den Bezug erforderliche erhebliche Arbeitsausfall im Unternehmen ist schon dann erfüllt, wenn nur zehn Prozent der Belegschaft vom Entgeltausfall betroffen sind. Die Bundesagentur für Arbeit übernimmt dann 60 Prozent des ausgefallenen Nettolohns, für Beschäftigte mit Kindern sind es 67 Prozent. Teilweise leisten Arbeitgeber auch weitere Zuschüsse.
Während des Bezuges von Kurzarbeitergeld besteht in allen Zweigen der Sozialversicherung ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis fort. Aufgrund des reduzierten Einkommens kann es durch Kurzarbeit zu geringfügigen Einbußen in der gesetzlichen Rente kommen.
Aufgrund des fortgeführten Beschäftigungsverhältnisses sind Zeiten der Kurzarbeit in der bAV auch bei der Berechnung der gesetzlichen Unverfallbarkeitsfristen zu berücksichtigen, so dass die Kurzarbeit insoweit beim Arbeitnehmer nicht zu Nachteilen führt.
Kurzarbeit kann sich allerdings immer dort nachteilig auswirken, wo das Arbeitsentgelt oder aber die gegen Entgelt abgeleisteten Dienstzeiten als Grundlage für die Bemessung der Versorgung dienen, denn das Kurzarbeitergeld als Sozialleistung unterfällt typischer Weise nicht dem Entgeltbegriff einer Versorgungszusage.
Grundsätzlich gilt dabei Folgendes:
Beitragsorientierte Leistungszusagen
Bei modernen, beitragsorientierten Versorgungswerken, die in Abhängigkeit vom bezogenen Arbeitsentgelt einen bestimmten Versorgungsbeitrag vorsehen, ist während des Kurzarbeitszeitraums Null der Anspruch auf den Erwerb von Versorgungsbeiträgen suspendiert. Dies gilt jedenfalls insoweit, als keine davon abweichende Vereinbarung getroffen wurde und der Arbeitgeber keine Zuschusszahlungen zum Kurzarbeitergeld leistet.
Wird die betriebsübliche normale Arbeitszeit lediglich reduziert, so bemessen sich die für den Kurzarbeitszeitraum zu gewährenden Versorgungsbeiträge anhand des verminderten Arbeitsentgeltes.
Endgehaltsabhängige bzw. entgeltabhängige Leistungszusagen, Gesamtversorgungszusagen
Stellt das Versorgungswerk für die Leistungsbemessung auf das im Zeitpunkt des Ausscheidens bezogene Arbeitsentgelt ab und befindet sich der Arbeitnehmer unmittelbar davor in Kurzarbeit, so darf die Kurzarbeit nach unserem Dafürhalten nicht zu unverhältnismäßigen Versorgungseinbußen führen. Eine dem Wortlaut nach gebotene Null-Anwartschaft bzw. Null-Leistung wäre wohl ebenso unbillig wie eine aufgrund der Kurzarbeit stark reduzierte Leistung. Zur Vermeidung von Rechtsrisiken bietet es sich an, die Leistungsbemessung auf Basis des letzten regulären Arbeitsentgeltes oder eines fiktiven Arbeitsentgeltes vorzunehmen.
Stellt das Versorgungswerk für die Leistungsbemessung auf das im Karrieredurchschnitt bzw. durchschnittlich in einem bestimmten Zeitraum vor dem Ausscheiden (z.B. letzten 5 Jahre) bezogene Arbeitsentgelt ab, so wirkt auch hier der Ausfall bzw. die Absenkung des Arbeitsentgelts durch die Kurzarbeit grundsätzlich entsprechend leistungsmindernd. Etwas anderes gilt möglicherweise dann, wenn nach der Versorgungsordnung gewisse (unverschuldet) entgeltfreie bzw. -geminderte Zeiten bei der Durchschnittsbildung unberücksichtigt bleiben. Auch hier gilt es – wie bei den endgehaltsabhängigen Plänen – ein Ergebnis zu finden, das der Billigkeit entspricht.
Auch ob und inwieweit Zeiten der Kurzarbeit als pensionsfähige Dienstzeit anzuerkennen sind, hängt in erster Linie von der Versorgungsregelung ab. Sollte das Versorgungswerk keine Regelung vorsehen, die (unverschuldete) entgeltfreie bzw. -geminderte Zeiten berücksichtigt, wäre insoweit mit Blick auf den Entgeltcharakter der bAV eine Außerachtlassung dieser Zeiten vorstellbar, da die Kurzarbeit im Verhältnis zur gesamten versorgungsfähigen Dienstzeit in der Regel nicht übermäßig ins Gewicht fällt. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass es bei der Berücksichtigung entgeltfreier bzw. -geminderter Zeiten nicht zu Wertungswidersprüchen innerhalb der Versorgung kommt.
Fällt die im Rahmen von Gesamtversorgungszusagen anzurechnende gesetzliche Rente aufgrund der Kurzarbeit geringer aus, ist dies nach Maßgabe der Versorgungsordnung vom Arbeitgeber auszugleichen.
Entgeltumwandlung
Für Entgeltumwandlungszusagen, bei denen die Höhe der Leistungen wesentlich von individuellen Verzichtsbeträgen abhängt, wirkt sich die Kurzarbeit insoweit aus, als während dieser Zeit gar kein oder aber ein nur verminderter Entgeltverzicht erfolgen kann. Kurzarbeitergeld ist kein Entgelt, sondern eine Lohnersatzleistung und kann daher nicht umgewandelt werden.
Der Anfall von Kurzarbeit berechtigt den Arbeitnehmer dabei im Falle der Kurzarbeit Null zu einem vorübergehenden vollständigen Widerruf der Umwandlungserklärung bzw. bei vermindertem Entgelt zu einer Herabsetzung des Verzichtsbetrags, der jedenfalls so lange Wirkung entfaltet, bis wieder das alte Entgeltniveau erreicht ist. Die dramatisch veränderten Rahmenbedingungen rechtfertigen insoweit auch bei dauerhafter Verpflichtung eine außerordentliche Stilllegung bzw. eine Anpassung aufgrund gestörter Geschäftsgrundlage.
Eine derartige Maßnahme sollte jedoch insbesondere bei versicherungsförmiger Durchführung sorgfältig geprüft werden, um sich aus den Versicherungsbedingungen etwaig ergebende qualitative Nachteile auszuschließen. Es kann für den Arbeitnehmer in diesen Fällen durchaus ratsam sein, die Versicherung, z.B. für die Dauer der Kurzarbeit Null mit eigenen Beiträgen fortzusetzen oder aufzustocken.
Handlungsempfehlung
In allen Fällen ist ratsam, das erteilte Versorgungsversprechen hinsichtlich etwaiger Auswirkungen der Kurzarbeit zu untersuchen. Sollten hierzu Regelungen fehlen oder unklar sein, empfiehlt sich eine Anpassung bzw. Klarstellung. Gerade dann, wenn Arbeitgeber zu Gunsten der Beschäftigten eine Abweichung von den bisherigen Regelungen beabsichtigen, beispielsweise bei der Berücksichtigung einer fiktiv erhöhten Bemessungsgrundlage, wird eine Einigung mit Arbeitnehmervertretern gut zu erzielen sein.
Die Autorin ist Head of Legal & Tax Consulting, Mercer Deutschland GmbH.
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