Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hatte Anfang April zur Beitragspflicht betreffend Direktversicherung als auch Wertguthaben zu urteilen. Während die Entscheidung zur Direktversicherung wenig überrascht, bleiben bei den Wertguthaben Fragen offen. Judith May analysiert.
Wie der Senat bereits wiederholt entschieden hat, ist die Beitragspflicht hier nicht etwa ebenso wie in der Leistungsphase der betrieblichen Riesterrente durch das BRSG entfallen, auch wenn Letztere seit 1. Januar 2018 insoweit von der Beitragspflicht ausgenommen sind. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz liegt nicht vor, da die Betriebsrentenarten im Wesentlichen gleichbehandelt werden, weil sie jeweils nur einmal der vollen Beitragspflicht unterliegen: Die Riesterrenten in der Ansparphase, die übrigen Betriebsrenten in der Auszahlungsphase.
Der statische Wertguthabenbegriff
Spannung für den Kreis aller an Zeitwertkonten Interessierten versprachen am 1. April dagegen die Verfahren B 12 KR 15/18 R und B 12 KR 16/18. So hatte der den §§ 7b ff. SGB IV zugrunde liegende Begriff des Wertguthabens seit dem sog. Flexi II-Gesetz im Jahr 2009 eine radikal neue Interpretation durch die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung erfahren. Abgeleitet aus dem vormals neu gefassten Wortlaut des § 7d Abs. 1 SGB IV, der die Führung von Wertguthaben als Arbeitsentgeltguthaben einschließlich des darauf entfallenden Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag vorsieht, wurde der sog. statische Wertguthabenbegriff geprägt.
Sind die Arbeitgeberanteile nämlich zusätzlich zum eingebrachten Bruttoentgelt, dem sog. Arbeitsentgeltguthaben, von Anfang an mit einzubringen, zu verwalten, gegen Insolvenz zu sichern und im Falle einer Übertragung an den neuen Arbeitgeber bzw. die DRV Bund mitzugeben, so folgerten die Sozialversicherungsträger hieraus das statische Wertguthaben: Im Zeitablauf steigende oder fallende Beitragssätze oder Verschiebungen der BBG wirken sich auf die Wertguthabenhöhe nicht aus. Ebenso löst danach ein Anwachsen des Wertguthabens, z.B. durch Verzinsung, keine zusätzliche Beitragspflicht des Arbeitgebers aus.
Beim statischen Wertguthaben soll es weder eine Nachschussverpflichtung des Arbeitgebers bei Unterdeckung geben noch ein Entnahmerecht für nicht für die Verbeitragung erforderliche Arbeitgeberanteile. Verschiebungen finden hier im Wertguthaben, d.h. an der Grenze zwischen Arbeitsentgeltguthaben und Arbeitgeberanteil statt. Der „notwendige Erhalt der für das Wertguthaben gestundeten Sozialversicherungsbeiträge sowie der Einkommensteuer“ als vormals zentrales Anliegen des Gesetzgebers diente als Rechtfertigung für entstandene Unschärfen.
So wird bei sozialversicherungspflichtigen Einkommen das Risiko steigender Beiträge allein auf die teilnehmenden Arbeitnehmer verlagert. Bei Einkommen oberhalb der BBG der gesetzlichen Rentenversicherung führt die Auffassung der Sozialversicherungsträger insbesondere im sog. Störfall, aber auch in Fällen einer Übertragung von Wertguthaben dazu, dass sich diese systematische Überfinanzierung zu Lasten der Arbeitgeber auswirkt.
Die strittige Höhe des Arbeitgeberanteils
In den Verfahren B 12 KR 15/18 R und B 12 KR 16/18 stritten die Parteien nun just um die Höhe des Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag bei einem auf die DRV Bund als Beigeladener übertragenen Wertguthaben. Dabei hatte das BSG die Auffassung der Sozialversicherungsträger bereits bestätigt, wonach auch für Arbeitsentgelte oberhalb der BBG der Arbeitgeberanteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag einzubringen sei (BSG v. 20. März 2013 – B 12 KR 7/11 R). Dies mag auf den ersten Blick überraschen, beruht aber auf der Überlegung, dass das in der Freistellungsphase ausgezahlte Entgelt die BBG möglicherweise nicht mehr überschreitet und dementsprechend weiterhin zu erwarten ist, dass umfassend Sozialversicherungsbeiträge einschließlich des zugehörigen Arbeitgeberanteils abzuführen sind. Auch die den jüngsten Verfahren vorangegangenen Entscheidungen des Hessischen Landessozialgerichts vom 16. November 2017 (L 8 KR 335/16 und L 8 KR 329/16) haben diese Rechtsauffassung geteilt.
Es stellt sich die Frage, inwieweit der vormalige Arbeitgeber als Beklagter vor diesem Hintergrund mit einer Rechtsprechungsänderung zu rechnen vermochte. Den veröffentlichten Urteilen des Hessischen LSG lässt sich entnehmen, dass der Beklagte eine Parallele zur Beitragspflicht im sog. Störfall gezogen hat, mithin die Übertragung als Unterfall des Störfalls beschreibt. In der Tat erfolgt die Verbeitragung im Störfall nach § 23b Abs. 2 SGB IV nur insoweit, als das Arbeitsentgelt zum Zeitpunkt seines Einbehalts der Beitragspflicht unterlag.
Der mit der Wertguthabenvereinbarung über die Legaldefinition des § 7b SGB IV essentiell verknüpfte Zweck einer Freistellung geht jedoch mit einer Übertragung nicht unter, sondern setzt sich selbst bei Übertragungen auf die DRV Bund, wenn auch nach Maßgabe des § 7f Abs. 2 SGB IV modifiziert, fort. Eine den Störfall auslösende zweckwidrige Verwendung ist damit also gerade nicht verbunden.
Vielmehr verwaltet die DRV Bund das Wertguthaben als übertragene Aufgabe treuhänderisch bis zu dessen endgültiger Auflösung durch den Beschäftigten und hat bis dahin die sozialversicherungsrechtlichen Arbeitgeberpflichten zu übernehmen (§ 7f Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 1, §§ 28a ff. SGB V). So stellte auch das Hessische LSG fest, dass die niedrigere Kalkulation des Übertragungsvolumens entsprechend den Kosten eines Störfalls ein ungerechtfertigter Vorteil des bisherigen Arbeitgebers wäre, denn er könnte einen Teil des Wertguthabens als seinen Gewinn behalten, obwohl das Wertguthaben und mit ihm die künftigen Lasten in Form des Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrags fortbestehen.
Wenig Licht im Dunkel
Der am 11. April 2019 veröffentlichte Terminbericht Nr. 13/19 des Bundessozialgerichts ist wenig erhellend:
„Auf den Hinweis des Senats, dass auch nach Übertragung eines Wertguthabens auf die DRV Bund die Einzugsstelle darüber entscheidet, wann und in welcher Höhe der frühere Arbeitgeber seinen Anteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag zahlen muss, dass aber die Pflicht des früheren Arbeitgebers zur Tragung von Arbeitgeberanteilen erst zu dem Zeitpunkt entsteht, in dem in der Freistellungsphase die einzelnen Raten des Wertguthabens auszuzahlen sind, haben sich die Beteiligten verglichen.“
Mit § 23b Abs. 1 S. 1 SGB IV wird die Fälligkeit des Beitragsanspruchs bei Wertguthabenvereinbarungen ausnahmsweise auf den jeweiligen Auszahlungszeitpunkt verschoben. So weit, so stimmig.
Verbleibt diese Pflicht aber auch nach der Übertragung auf die DRV Bund beim früheren Arbeitgeber, so wirkt die Übertragung nicht schuldbefreiend. Entsteht nach Ansicht des BSG die Pflicht des früheren Arbeitgebers zur Tragung des Arbeitgeberbeitragsanteils erst bei Fälligkeit der Beiträge in der Freistellung, so liegt die Schlussfolgerung nahe, dass auch der Umfang der Beitragspflicht erst in diesem Zeitpunkt bestimmt wird. Eine derartige Nachhaftung wäre überraschend und für die Verbreitung von Zeitwertkonten nicht förderlich. Unklar ist dabei die vom BSG angedeutete Entscheidungsbefugnis der Einzugsstelle, bestimmt sich doch die Höhe der Beiträge nach den bei Freistellung geltenden Beitragsbemessungsgrenzen und Beitragssätzen. Auch ob es neben dem Zeitpunkt der Verbeitragung noch einen weiteren Zahlungszeitpunkt (z.B. im Innenverhältnis von altem Arbeitgeber und DRV Bund) geben kann, bleibt offen. Wollte das Gericht ggf. am statischen Wertguthabenbegriff rütteln?
In der Fachwelt ist der statische Wertguthabenbegriff von Anfang an auf massive Kritik gestoßen. So war es vor Flexi II üblich, Regelungen vorzusehen, die dem Arbeitgeber eine Nachschussverpflichtung bei Unterdeckung auferlegen sowie ein Entnahmerecht bei Überdeckung einräumen (sog. dynamischer Wertguthabenbegriff).
Die zweistufigen Pflichten des Arbeitgebers im Zeitpunkt der Übertragung einerseits und im Zeitpunkt der Verbeitragung bei Freistellung andererseits kommen der Entnahme- bzw. Nachschussthematik recht nahe. Könnte darin die sich abzeichnende Abweichung zum Hessischen LSG gelegen haben, die es für die Kläger vernünftig hat erscheinen lassen, den Kompromiss eines Vergleichs einzugehen? Kaum zehn Jahre nach Flexi II scheint jedenfalls erneut Bewegung in die Diskussion zu kommen.
Die Autorin ist Head of Legal & Tax Consulting der Mercer Deutschland GmbH.
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