Wird der Referentenentwurf zum BRSG II Gesetz, dann erfasst dies auch den Komplex aus Flexirente, bAV und Wertguthaben bei andauernder Erwerbstätigkeit. Katharina Meurs und Sebastian Walthierer nennen Einzelheiten – und erläutern, welche Bestätigung schön wäre, auf was man gespannt sein darf, was der Intention zuwider läuft und inwiefern sie darauf hoffen, dass jemand nicht weiter an seinem tradierten Bild der Arbeitswelt festhält.
Der gemeinsame Referentenentwurf von BMAS und BMF zum „Zweiten Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze“ (Zweites Betriebsrentenstärkungsgesetz – BRSG II) mit Bearbeitungsstand vom 24. Juni 2024 wurde zwischenzeitlich veröffentlicht und zeichnet die Neuregelung des Hinzuverdienstrechts in der gesetzlichen Rentenversicherung durch den Wegfall des § 34 Abs. 2 bis 3g SGB VI zum 1. Januar 2023 nach. Seitdem wird das Erwerbseinkommen bei dem Bezug einer gesetzlichen Altersrente, sei es als Teil- oder als Vollrente, nicht mehr angerechnet. Infolgedessen ergaben sich neue Fragestellungen für die bAV und für Wertguthaben iSd § 7b SGB IV:
Haben Arbeitnehmer Anspruch auf ihre Betriebsrente, wenn sie bereits die gesetzliche Rente beziehen und weiterhin im Unternehmen beschäftigt sind? Kann ein Wertguthaben parallel zur Flexirente, also zu einer vor der Regelaltersgrenze in Anspruch genommenen Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung, für eine Freistellung genutzt werden? (s. hierzu „From nine to five till ninetyfive“). Und ist vielleicht trotz Rentenbezugs sogar ein weiteres Ansparen möglich, solange das Wertguthaben nach allgemeinen Grundsätzen wieder abgebaut werden kann?
Bedingt durch den Wegfall der Hinzuverdienstgrenzen, sieht der RefE zum BRSG II schließlich auch weitere Änderungen bei der Kombination von gesetzlicher Rente und bAV vor.
Welche Änderungen enthält der Entwurf konkret?
1. Bisher hatte ein Arbeitnehmer gemäß § 6 BetrAVG nur Anspruch auf seine Altersleistung aus der bAV, wenn er die gesetzliche Altersrente als Vollrente bezog. Künftig soll bereits der Bezug einer gesetzlichen Teilrente ausreichen.
2. Obwohl die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung noch im November 2023 die gleichzeitige Nutzung von Flexirente und Wertguthaben ausschlossen haben, stellt der Entwurf nun klar, dass die gleichzeitige Nutzung von Wertguthaben und gesetzlicher Rente (sowohl Voll- als auch Teilrente) bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze möglich ist (§ 7c Abs. 1 Nr. 2a SGB IV-E.). Dies soll gemäß § 23b Abs. 2 Nr. 2 Satz 4-E SGB IV auch für Wertguthaben gelten, die gemäß § 7f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB IV auf die Deutsche Rentenversicherung Bund übertragen wurden.
Parallele Nutzung von Wertguthaben und Flexirente möglich
Erfreulich ist, dass der Gesetzgeber die Kombination aus gesetzlicher Rente und Wertguthaben bestätigt.
„Die vorgesehene zeitliche Beschränkung, dass ZWK lediglich bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze genutzt werden können, läuft der Zielsetzung zuwider.“
Durch den Wegfall der Hinzuverdienstgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung soll angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels der Rentenbezug flexibilisiert werden und damit für ältere Arbeitnehmer ein Anreiz geschaffen werden, dem Arbeitsmarkt länger zur Verfügung zu stehen.
Die erstmals im Entwurf vorgesehene zeitliche Beschränkung, dass Zeitwertkonten lediglich bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze genutzt werden können, läuft jedoch der Zielsetzung des Gesetzgebers zuwider. Laut Statistischem Bundesamt hat sich der Anteil der Erwerbstätigen, die mit 65 bis 69 Jahren gearbeitet haben, von 11% 2012 auf 19% 2022 erhöht. Viele Arbeitgeber haben einerseits ein Interesse daran, das Know how erfahrener Arbeitnehmer zu erhalten, andererseits möchten die Arbeitnehmer selbst den Übergang in den Ruhestand nach ihren individuellen Präferenzen gestalten.
Beschränkt der Gesetzgeber künftig die Nutzung von Wertguthaben für Arbeitnehmer jenseits der Regelaltersgrenze, werden Arbeitgeber dazu veranlasst, dieser Altersgruppe Zeitwertkonten zu verwehren.
Die Vorbehalte des Gesetzgebers gegenüber der Nutzung von Wertguthaben auch über die Regelaltersgrenze hinaus begründen sich wohl in der Furcht vor beitragsrechtlichen Mindereinnahmen. Diesen Einbußen ließe sich durch eine partielle Störfallverbeitragung begegnen, also einer beitragsrechtlichen Störfallabrechnung bei Erreichen der Regelaltersgrenze für die Sozialversicherungszweige, für die mit Erreichen der Regelaltersgrenze Beitragsfreiheit eintritt. Dies würde aktuell die Renten- und Arbeitslosenversicherung betreffen.
Was passiert mit bestehenden Wertguthabenvereinbarungen?
Die oben beschriebenen Änderungen sollen ausweislich der Gesetzesbegründung „erstmals“ zum 1. Januar 2025 in Kraft treten. Daraus ergibt sich die Frage, was dies für bereits bestehende Wertguthabenvereinbarungen bedeutet:
Wird in Altfällen nach wie vor ein Störfall ausgelöst oder gelten die Neuerungen auch für bestehende Wertguthabenvereinbarungen?
Da die Änderungen in § 7c und § 23 SGB IV den seit bereits 2023 geltenden Wegfall der Hinzuverdienstgrenzen nachzeichnen sollen, sollten die geplanten Neuerungen auch für bestehende Wertguthaben gelten. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber dies auch so sieht und entsprechend klarstellt, zumal bereits Modelle mit Wertguthaben neben Flexirente im Markt existieren und die Literatur bereits vor dem RefE ausweislich des sehr weit gefassten Gesetzeswortlauts („insbesondere“) Flexirente und Wertguthaben nebeneinander als ohne Weiteres zulässig ansah.
Was bedeutet dies für die Altersteilzeit?
Die Fragestellung der gleichzeitigen Nutzung von Flexirente und Wertguthaben betrifft nicht nur klassische Zeitwertkonten nach dem 4. Sozialgesetzbuch, sondern auch das weit verbreitete Instrument der Altersteilzeit.
Seit dem Wegfall der Hinzuverdienstgrenzen ist in der Praxis der Umstand anzutreffen, dass auch Arbeitnehmer in der Passivphase der Altersteilzeit im Blockmodell gleichzeitig eine gesetzliche Teil- oder Vollrente abrufen. Dies lehnen die Sozialversicherungsträger in ihrem Rundschreiben zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen v. 2.11.2010, S. 21, Ziff 2.3.4 jedoch ab:
“Bei Bezug einer Altersteilrente i. S. des § 34 Abs. 3 Nr. 2 SGB VI ist Altersteilzeitarbeit ebenfalls ausgeschlossen. Zwar begründet der Altersteilrentenbezug keine Rentenversicherungsfreiheit. Allerdings ist mit dem Teilrentenbezug bereits der Eintritt in den (Teil-) Ruhestand erfolgt, der nicht mit der Altersteilzeitarbeit kombiniert werden kann. Vielmehr sollte durch die Altersteilzeitarbeit der vorzeitige Bezug einer Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung vermieden werden. Der Teilrentenbezug steht daher der Förderung der Altersteilzeitarbeit u.a. durch den steuer- und beitragsfreien Aufstockungsbetrag sowie die zusätzlichen Rentenversicherungsbeiträge des Arbeitgebers (vgl. Ziffer 2.1) entgegen.“
In der weiteren Konsequenz kommt es nach Auffassung der Sozialversicherungsträger auch hier zum beitragsrechtlichen Störfall, und zwar ungeachtet einer gegebenenfalls weiter bestehenden arbeitsrechtlichen Verpflichtung aus der Vereinbarung über die Altersteilzeit. Dies erscheint nicht sachgerecht und wirft zahlreiche Folgefragen für die Altersteilzeitvereinbarung, bis hin zum Schicksal der Steuerfreiheit der Aufstockungsbeträge der Altersteilzeit auf.
Aus der Gesetzesbegründung zum Flexi II-Gesetz und durch die systematische Auslegung des Gesetzes, vor allem mit Blick auf § 8a Abs. 1, S. 1, 2. Halbsatz AltTZG zeigt sich, dass der Gesetzgeber den Willen hatte, dass bei Altersteilzeitmodellen mit Wertguthaben im Übrigen die Wertguthabenvorschriften des SGB IV Anwendung finden sollen (vgl. BT-Drucks. 16/10289, S. 20, zu Artikel 2). Demnach lässt sich die Altersteilzeit im Blockmodell als eine besondere Form eines Zeitwertkontos bzw. einer Wertguthabenvereinbarung nach § 7b SGB IV einordnen (so ausdrücklich Rundschreiben der SV-Träger v. 2.11.2010, S. 2).
Mit dem Gesetzesentwurf zu der Neuregelung von § 7c SGB IV-E wird nun klargestellt, dass ein Wertguthaben auch bei Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters als Voll- oder Teilrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bis zum Ablauf des Kalendermonats des Erreichens der Regelaltersgrenze nach dem SGB VI entspart werden kann.
Damit dürfte die Anwendung der Neuregelung des § 7c SGB IV-E auf Altersteilzeit im Blockmodell als besondere Form einer Wertguthabenvereinbarung vom Willen des Gesetzgebers getragen sein. Schön wäre eine dahingehende Bestätigung durch den Gesetzgeber im Zuge des BRSG II. Auf die Einordnung der Neuregelung durch die Sozialversicherungsträger darf man im Übrigen gespannt sein.
Wie erfährt der Arbeitgeber von dem Bezug der Flexirente des Arbeitnehmers? Hat der Arbeitnehmer eine Informationspflicht?
Der Bezug von Flexirenten bei gleichzeitigem Weiterarbeiten hat direkte Auswirkungen auf die Durchführung des Arbeitsverhältnisses – sei es, weil nach aktueller Rechtsauffassung der Sozialversicherungsträger hier ein beitragsrechtlicher Störfall ausgelöst wird, sei es, weil sich das Nebeneinander von Rente und Erwerbseinkommen auf die Lohnversteuerung in der Rentner- bzw. Aktiven-Payroll auswirken kann.
Nicht von der Hand zu weisen sind in einem solchen Fall auch Auswirkungen auf die Personalverwaltung (z.B. Headcount, Aktiven- oder Inaktivenstatus, etc.). Daher ist aus Sicht des Arbeitgebers perspektivisch die Frage zu klären, wie er die wesentlichen Informationen zum Bezug der Flexirente durch den Arbeitnehmer erhält.
Eine Auskunftspflicht des Arbeitnehmers dahingehend könnte man aus dem arbeitsvertraglichen Nebenpflichtenkatalog gem. § 611a BGB iVm §§ 242, 241 Abs. 2 BGB ableiten. Der Arbeitgeber hat ein Interesse daran, dass der rechtliche Status seines Gegenübers eindeutig ist. Ist er nun reiner Arbeitnehmer, Flexirentner mit Weiter- oder Anschlussbeschäftigung oder klassischer Rentenempfänger?
„Arbeitgeber sollten etwaige Informationspflichten des Arbeitnehmers formulieren.“
Derartige Nebenpflichten bestehen auch in einem betrieblichen Versorgungsverhältnis weiter. Während der Rentenzahlungen müssen Änderungen, die für den Zahlungsgrund und die Rentenhöhe maßgeblich sind, fortlaufend mitgeteilt werden. Insbesondere sind die für das Erlöschen eines Versorgungsanspruchs maßgeblichen Tatsachen mitzuteilen (z.B. bei Altersrenten der Tod des Berechtigten). Derartige Grundsätze lassen sich wohl auch auf den Bezug der Flexirente übertragen, wo gesetzlicher und ggf. Betriebsrentenanspruch auf Arbeitsentgeltanspruch trifft.
Arbeitgeber sollten vor diesem Hintergrund daher sowohl im Arbeitsvertrag als auch in der Freistellungsvereinbarung aus einem Wertguthaben etwaige Informationspflichten des Arbeitnehmers formulieren.
Vielversprechender Gesetzesentwurf – mit Potential für Optimierung
Es ist erfreulich, dass der Gesetzgeber plant, die Kombinationsmöglichkeiten von Flexirente, bAV und Wertguthaben bei andauerndem Arbeitsverhältnis weiter auszudehnen. Dadurch erhalten Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusätzliche Spielräume für einen flexiblen Übergang in den Ruhestand.
Allerdings bleiben im aktuellen Referentenentwurf noch einige Fragen offen:
Ist es möglich, in bestehende Wertguthaben parallel zur Flexirente weiter einzubringen und diese wieder abzubauen – und dies möglicherweise auch über die Regelaltersgrenze hinaus? Kann die Flexirente auch während einer Altersteilzeit in Anspruch genommen werden, oder tritt der Störfall ein? Was passiert in Bestandsfällen?
Es ist zu hoffen, dass der Gesetzgeber nicht weiter an seinem tradierten Bild der Arbeitswelt festhält, die Notwendigkeit der weiteren Flexibilisierung erkennt und klarstellt, dass der Wegfall der Hinzuverdienstgrenzen auch für bestehende Wertguthaben und Altersteilzeit-Wertguthaben gilt. Darüber hinaus sollte die Nutzung von Wertguthaben auch weiterhin nach Überschreiten der Regelaltersgrenze ermöglicht werden, um erfahrene Arbeitnehmer nicht von diesem attraktiven Benefit auszuschließen.
Dr. Katharina Meurs ist Senior Associate, Wealth Consulting bei Mercer Deutschland in Düsseldorf.
Sebastian Walthierer ist Senior Associate, Legal & Tax Consulting bei Mercer Deutschland in Frankfurt am Main.
Das zur heutigen Headline anregende Kulturstück findet sich hier.
Von Mercer-Autorinnen und Autoren sind zwischenzeitlich bereits auf PENSIONS●INDUSTRIES erschienen:
Der NKR und die Schriftformerfordernisse – BRSG (XVII): GroMiKV und die EbAV: IFRS 18: Vorgaben für den Pensionsaufwand – und mehr: BRSG 2.0-E (VI): aba-Forum Steuerrecht (IV): aba-Forum Steuerrecht (III): aba-Forum Steuerrecht (II): aba-Forum Steuerrecht (I): 17. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Zeitwertkonten: Zum Sommeranfang Großkampftag in Erfurt (III): Neuer Vorstoß des IDW zum HGB-Rechnungszinssatz Framework für das De-Risking: aba-Forum Steuerrecht (V): aba-Forum Steuerrecht (IV): aba-Forum Steuerrecht (II): aba-Forum Steuerrecht (I): DAV/DGVFM-Jahrestagung 2023 in Dresden (V) – Corona, Hitze, Diabetes: DAV/DGVFM-Jahrestagung 2023 in Dresden (V): Wegfall der Hinzuverdienstgrenzen: Was nun? Ausfinanzierung von Pensionsverpflichtungen: Zwischen Regulierung, Admin und Asset Management: #womeninpensions-Kommentar – mit Wirkung auf die bAV (II): Pensions in their Markets: Was war da los in London? Pensionsrückstellungen nach HGB: Pensions in their Markets: IDW und DAV zu rückgedeckten Versorgungszusagen: De-Risking-Strategien zahlen sich aus: Die Inflation und der Pensionsinvestor: Zusätzlicher Prüfungsaufwand für externe Versorgungsträger: Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Zeitwertkonten: Bilanzneutral, befristet, BOLZ: Forum „bAV“ der VVB: Erfurt, Teilzeit und die bAV: aba-Forum Steuerrecht 2021: Übersterblichkeit und Covid-19 (II): Mal wieder Handlungsbedarf bei Zusagen mit Beschränkung der Hinterbliebenenversorgung: Von Fiduciary Management, Outscourced Chief Investment Officer und Delegated Solutions: bAV in der Corona-Krise: Übersterblichkeit und Covid-19: Prioritäten in der Krise: Aufsicht: bAV in den Zeiten des Virus‘: BaFin-Merkblatt: Flexible Lösungen und digitale Tools sind gefragt Was heißt hier „lediglich“? Alles auf Reset beim Wertguthaben? In beiden Fassungen? Zulagenförderung ist besser als ihr Ruf! Zumutung und Kostenbelastung „Künftig alle zwei Jahre EIOPA-Stresstest“ Die EIOPA wächst mit ihren Aufgaben Nicht genug dazu gelernt Spannung jenseits des BRSG bAV statt Resturlaub? Das hat dort nichts zu suchen! Das könnt Ihr doch nicht ernst meinen!
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von Bettina Nürk, Frankfurt; Mannheim, 4. Oktober 2017
von Thomas Hagemann, Frankfurt am Main, 10. August 2017
von Frank Zagermann, Wiesbaden, 29. Mai 2017
von Thomas Hagemann, Mannheim, 9. Mai 2017
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von Thomas Hagemann, Frankfurt am Main, 25. Februar 2014
von Stefan Oecking, Dortmund, 17. Juli 2013