… die Wertgleichheit und ihre Unschärfe sowie durch Untreue zur Sittenwidrigkeit: Heute der III. Teil des LbAV-Berichts zu dem jüngsten Treffen der deutschen Steuerexperten des Pensionsparketts, in dem es um zwei steuerbilanzielle Fragen und darum geht, welche Rolle eine bAV im Angemessenheitserfordernis für gemeinnützige Organisationen spielt. Stefanie Beyer und Sebastian Walthierer dokumentieren.
Mannheim, 19. Juni: Einen Tag vor dem diesjährigen aba-Forum Arbeitsrecht findet das aba-Forum Steuerrecht statt. Nach der LbAV Berichterstattung zu Volker Landwehrs Parforceritt durch die aktuellen Vorhaben der Steuergesetzgebung in Berlin und Brüssel sowie der zu dem Blick des BZSt auf die Bilanzierung von Pensionslasten in M&A-Kontext folgt heute Teil III (alle Aussagen im Indikativ der Referenten):
Seit jeher ungeklärt: die Wertgleichheit
Reinhold Höfer beschäftigte sich in seinem Vortrag mit dem Urteil des BFH vom 6. Dezember 2022 (IV R 21/19), in dem das Gericht zu entscheiden hatte, wann ein steuerschädlicher Widerrufsvorbehalt vorliegt. Im vorliegenden Fall hatte sich der Arbeitgeber in der Pensionszusage vorbehalten, die verwendete Transformationstabelle unter Einhaltung des Wertgleichheitsgebots (§1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG) einseitig abzuändern. Der BFH bestätigte die Sicht der Finanzverwaltung, dass hier ein ein steuerschädlicher Vorbehalt vorliegt.
Da in Kürze Gastbeitrag Höfers zu den Thematik auf Basis seines Vortrages auf LEITERbAV erscheinen wird, hier nur kurz gerafft die Kernaussagen des Referenten:
Der BFH begründet seine Entscheidung insb. damit, dass der Begriff der „Wertgleichheit“ nicht hinlänglich konkretisiert sei. Hier vertritt Höfer eine andere Meinung. Nach seiner Auffassung genügt die gesetzliche Verankerung des Wertgleichheitsgebotes in §1 Abs. 2 Nummer drei Betriebsrentengesetz, um den Vorbehalt zu rechtfertigen.
Auch ist es seiner Ansicht nach für Arbeitgeber wenig sinnvoll, im Rahmen von Entgeltumwandlung Transformationstabellen auf Basis zu hoher Zinsen zu verwenden. Zu hohe Renditen bei der Entgeltumwandlung führen hier nach Meinung des Referenten sogar faktisch zu einer geteilten Zusage, da der Arbeitgeber die Beiträge aus der Entgeltumwandlung nicht annähernd wertgleich umwandelt, sondern höhere Renten/Kapitalien gewährt. Damit werden die Leistungen also indirekt bezuschusst. Daher fordert Höfer, dass der Arbeitgeber berechtigt sein sollte, eine Transformationstabelle für künftige Entgeltumwandlungen unter Einhaltung des Wertgleichheitsgebots abzuändern, ohne dass diese Möglichkeit als steuerschädlich angesehen wird.
Insgesamt kommt Höfer zu dem Schluss, dass das Urteil des BFH nicht hinreichend begründet sei. Die anschließende Diskussion im Plenum zeigte deutlich, dass hier noch Diskussionsbedarf besteht.
Jens Intemann, Richter am Niedersächsischen Finanzgericht und ebenfalls Referent auf der Tagung, greift das Urteil im späteren Verlauf der Tagung auf und legt seine Sicht auf die Dinge dar – die sich von der Höfers unterscheidet. Dazu mehr im Zuge der kommenden Tagungsberichterstattung auf LEITERbAV.
Aktuelle Stunde: mit Blick auf die Sitten besser nicht zuviel zahlen
Annekatrin Veit, Rechtsanwältin/Steuerberaterin und Partnerin bei Luther in München, geht in der Aktuellen Stunde am frühen Nachmittag der Veranstaltung auf die Angemessenheit von Vergütung und etwaigen steuerlichen Implikationen bei unangemessenen Versorgungszusagen durch gemeinnützige Organisationen ein.
Einführend stellt sie fest, dass ein Unternehmen die Vergütung seiner Mitarbeiter, Führungskräfte und Organe grundsätzlich nach eigenem Ermessen gestalten darf. Einzuhalten sind dabei aber gesetzliche Vorgaben, die in bestimmten Fällen die Vergütung auf ein angemessenes Maß begrenzen. Solche Vorschriften finden sich bspw. im AktG hinsichtlich der Vergütungen von Vorständen und Aufsichtsräten. Nach §55 AO ist auch gemeinnützigen Organisationen die Gewährung unverhältnismäßig hoher Vergütungen verboten.
„Pensionszusagen sind dabei mit der fiktiven
Jahresnettoprämie für eine entsprechende
Versicherung anzusetzen.“
Diese Vorschrift steht, so Veit, im Zentrum der Entscheidung des BFH vom 12. März 2020 – VR 5/17. In dem Urteil geht es um die fehlende Gemeinnützigkeit bei unverhältnismäßig hohen Geschäftsführervergütungen. „Unverhältnismäßig“ in §55 Abs. 1 Nr. 3 AO hat nach Ansicht des BFH die gleiche Bedeutung wie „unangemessen“ im Bereich der vGA gem. §8 Abs. 3 Satz 2 KStG. Ob eine GGF-Vergütung überhöht ist und zu einer vGA führt, kann durch internen oder externen Fremdvergleich festgestellt werden, wobei unter „Vergütung“ die Gesamtausstattung zu verstehen ist. Dazu gehören neben Gehältern, Weihnachts- und Urlaubsgeld, Versicherungsbeiträgen und PKW-Nutzung auch Pensionszusagen.
Pensionszusagen sind dabei mit der fiktiven Jahresnettoprämie für eine entsprechende Versicherung anzusetzen. Unangemessen ist die Gesamtausstattung, wenn sie den oberen Rand der Bandbreite für die Angemessenheit um mehr als 20% überschreitet. Als Hilfsmittel für einen Vergleich nannte der BFH u.a. sog. BBE-Studien (hier: GmbH-Geschäftsführer-Vergütungen 2006-2013, BBE-Verlag).
Bei einer gemeinnützigen Organisation kann das Vorliegen unverhältnismäßig hoher Geschäftsführervergütungen zum Verlust der Gemeinnützigkeit führen, so Veit weiter. Hieraus können sich wiederum für die Organisation wirtschaftliche Nachteile ergeben – die diesbezüglich möglicherweise zivilrechtliche Schadenersatzansprüche gegen die handelnden Personen haben können.
Die Unangemessenheit der Gesamtvergütung kann zudem bedeuten, dass die überhöhte Versorgungszusage wegen Sittenwidrigkeit von Anfang an unwirksam war. Daraus können sich zivilrechtliche Rückforderungsansprüche hinsichtlich bereits gezahlter Renten ergeben. Möglicherweise ist das Handeln der Verantwortlichen durch Haftpflicht- oder D&O-Versicherungen abgesichert, so dass hier Ansprüche gegen die Versicherer zu prüfen sind. Schließlich kann der Fall auch strafrechtliche Aspekte beinhalten, etwa eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung (bei rückwirkendem Verlust der Gemeinnützigkeit) sowie wegen Untreue nach §266 StGB.
Alte Frage: späte Liebe
Mit einem Thema, welches dem ein oder anderen Aktuar in Betriebsprüfungen in den letzten Jahren einiges Kopfzerbrechen bereitet haben könnte, beschäftigt sich Claudia Veh, Aktuarin und Director Deal Advisory Pensions in der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in ihrem Vortrag.
Es geht dabei um die aktuarielle Berücksichtigung von sog. Späteheklauseln. Hiermit ist ein Entzug der Hinterbliebenenanwartschaft gemeint, wenn die Eheschließung erst nach Erreichen eines bestimmten Alters bzw. nach Beginn der Versorgungsleistung erfolgt.
Während die arbeitsrechtliche Rechtsprechung zu dem Thema durchaus variiert, gilt für die steuerliche Bewertung der Verpflichtung hier eindeutig die Schriftform der jeweiligen Pensionszusage.
Und hier liegt der Ansatzpunkt der Betriebsprüfung: Eine Späteheklausel muss nach Ansicht einiger Prüfer bei der Bewertung der steuerlichen Rückstellung berücksichtigt werden. Hierin wird auch kein Widerspruch zur kollektiven Methode gesehen, die ja bekanntermaßen bereits Wahrscheinlichkeiten für die Verheiratung der Versorgungsberechtigten beinhaltet.
Veh bestreitet in ihrem Vortrag nicht, dass eine Späteheklausel Einfluss auf die Höhe der Pensionsverpflichtungen hat. Sie beschäftigt sich vielmehr damit, wie eine solche Klausel annähernd quantifiziert werden kann und tritt damit entschieden der Ansicht entgegen, dass solche Klauseln Kürzungen von 1 bis 2% der Verpflichtungen rechtfertigen.
„Ein Abzug der Rentnerrückstellung im niedrigen einstelligen
Promillebereich ist eindeutig zu wenig,
um eine Prüfungsfeststellung zu rechtfertigen.“
Hierzu analysiert sie anschaulich – ausgehend von der Wahrscheinlichkeit einer Eheschließung nach Vollendung des 65. Lebensjahres und anhand der möglichen Szenarien, in denen Späteheklauseln greifen – welchen Rückstellungseffekt solche Klauseln haben können.
Dabei sind die Verpflichtungen gegenüber männlichen Rentnern deutlich stärker betroffen als die von weiblichen. Unter dem Strich ergibt sich nach ihrer Berechnung ein Abzug von maximal 0,6% der Rentnerrückstellung für einen alten reinen Männerbestand aufgrund von Späteheklauseln. Dies hält sie eindeutig für zu wenig, um eine Prüfungsfeststellung zu rechtfertigen. Hier wäre eine Klarstellung der Finanzverwaltung wünschenswert, um die leidigen Diskussionen zu beenden.
Sebastian Walthierer ist Senior Associate, Legal & Tax Consulting bei Mercer Deutschland in Frankfurt am Main.
Stefanie Beyer ist Aktuarin (DAV/IVS) und Senior Associate, Wealth Expertise Center, bei Mercer Deutschland in Frankfurt am Main.
Von ihnen bzw. anderen Mercer-Autorinnen und Autoren sind zwischenzeitlich auf LEITERbAVerschienen:
Der NKR und die Schriftformerfordernisse – BRSG (XVII): GroMiKV und die EbAV: IFRS 18: Vorgaben für den Pensionsaufwand – und mehr: BRSG 2.0-E (VI): aba-Forum Steuerrecht (IV): aba-Forum Steuerrecht (III): aba-Forum Steuerrecht (II): aba-Forum Steuerrecht (I): 17. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Zeitwertkonten: Zum Sommeranfang Großkampftag in Erfurt (III): Neuer Vorstoß des IDW zum HGB-Rechnungszinssatz Framework für das De-Risking: aba-Forum Steuerrecht (V): aba-Forum Steuerrecht (IV): aba-Forum Steuerrecht (II): aba-Forum Steuerrecht (I): DAV/DGVFM-Jahrestagung 2023 in Dresden (V) – Corona, Hitze, Diabetes: DAV/DGVFM-Jahrestagung 2023 in Dresden (V): Wegfall der Hinzuverdienstgrenzen: Was nun? Ausfinanzierung von Pensionsverpflichtungen: Zwischen Regulierung, Admin und Asset Management: #womeninpensions-Kommentar – mit Wirkung auf die bAV (II): Pensions in their Markets: Was war da los in London? Pensionsrückstellungen nach HGB: Pensions in their Markets: IDW und DAV zu rückgedeckten Versorgungszusagen: De-Risking-Strategien zahlen sich aus: Die Inflation und der Pensionsinvestor: Zusätzlicher Prüfungsaufwand für externe Versorgungsträger: Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Zeitwertkonten: Bilanzneutral, befristet, BOLZ: Forum „bAV“ der VVB: Erfurt, Teilzeit und die bAV: aba-Forum Steuerrecht 2021: Übersterblichkeit und Covid-19 (II): Mal wieder Handlungsbedarf bei Zusagen mit Beschränkung der Hinterbliebenenversorgung: Von Fiduciary Management, Outscourced Chief Investment Officer und Delegated Solutions: bAV in der Corona-Krise: Übersterblichkeit und Covid-19: Prioritäten in der Krise: Aufsicht: bAV in den Zeiten des Virus‘: BaFin-Merkblatt: Flexible Lösungen und digitale Tools sind gefragt Was heißt hier „lediglich“? Alles auf Reset beim Wertguthaben? In beiden Fassungen? Zulagenförderung ist besser als ihr Ruf! Zumutung und Kostenbelastung „Künftig alle zwei Jahre EIOPA-Stresstest“ Die EIOPA wächst mit ihren Aufgaben Nicht genug dazu gelernt Spannung jenseits des BRSG bAV statt Resturlaub? Das hat dort nichts zu suchen! Das könnt Ihr doch nicht ernst meinen!
Sign your bAV
von Thomas Hagemann und Dr. Judith May, 11. November 2024
Seid gemeldet, Millionen
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von Dr. Judith May, Dr. Katharina Meurs, Robin Leuprecht, 26. Juni 2023
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von Olaf John und Dr. André Geilenkothen, 14. April 2023
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Interview mit Thomas Hagemann, 13. Oktober 2022
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Interview mit Olaf John, 3. Juni 2022
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von Stefanie Beyer und Thomas Hagemann, 25. Mai 2022
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von Olaf John, 28. April 2022
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von Olaf John, 8. Februar 2022
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von Dr. Bernhard Holwegler und Joachim H. Kaiser, 24. Januar 2022
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von Judith May und Thomas Haßlöcher, 14. Dezember 2021
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von Stephan Hebel und René Jung, 3. November 2021
My sweet fifteen
von Michael Ries, Dr. Judith May, Klaus Bednarz und Markus Klinger, 16. August 2021
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von Dr. Judith May, 8. Juli 2021
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von Thomas Hagemann, 26. April 2021
von Thomas Hagemann und Christian Viebrock, 16. April 2021.
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von Nadine Wolters und Elisabeth Lapp, 22. März 2021.
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von Dr. Judith May, Stefan Oecking und Thomas Hagemann, 26. Juni 2020
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von Thomas Hagemann und Christian Viebrock, 5. Juni 2020
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von Jeffrey Dissmann und Michael Sauler, 27. Mai 2020
Konstruktiv durch die Krise
von Dr. Bernhard Holwegler und Thomas Hagemann, 16. April 2020
Kurze Arbeit und lange bAV
von Dr. Judith May, München, 30. März 2020
Selbst nicht nachhaltig?
von Andreas Kopfmüller, 30. Januar 2020
von Klaus Bednarz und Stephan Hebel, Frankfurt, 28. Oktober 2019
von Thomas Hagemann, Düsseldorf; Wiesbaden, 8. Mai 2019
von Judith May, 23. April 2019
von Thomas Hagemann, 31. Oktober 2018
von Klaus Bednarz, Hamburg, 12. Dezember 2017
von Bettina Nürk, Frankfurt; Mannheim, 5. Oktober 2017
von Bettina Nürk, Frankfurt; Mannheim, 4. Oktober 2017
von Thomas Hagemann, Frankfurt am Main, 10. August 2017
von Frank Zagermann, Wiesbaden, 29. Mai 2017
von Thomas Hagemann, Mannheim, 9. Mai 2017
von Rita Reichenbach, Frankfurt am Main, 12. März 2014
von Thomas Hagemann, Frankfurt am Main, 25. Februar 2014
von Stefan Oecking, Dortmund, 17. Juli 2013