Mittels Liability Driven Investment (LDI) lässt sich die Wirkung von Schwankungen des Deckungsgrades auf die Bilanzkennzahlen eines Unternehmens steuern. Angesichts des Niedrigzinses zögert jedoch in Deutschland manch ein Industrieunternehmen mit der Umsetzung. Wolfgang Murmann erläutert eine Weiterentwicklung des traditionellen Ansatzes, der so mehr Flexibilität und Dynamik erhält – nicht zuletzt auf die absehbar sich verkomplizierenden Kapitalmärkte.
Historisch hat die Mehrzahl der Träger von Direktzusagen einen „Asset-only“-Ansatz bei der Verwaltung von Pensionsvermögen angewandt – sofern ein dediziertes Planvermögen überhaupt aufgebaut worden war. In den letzten Jahren hat sich jedoch ein Trend zu einer ganzheitlicheren Betrachtung des Ausfinanzierungsgrades etabliert, mit entsprechenden Implikationen auf die Kapitalanlage- und Risikomanagementstrategie. Hauptgrund dafür waren Änderungen in den internationalen Rechnungslegungsvorschriften (IFRS) sowie Aspekte der Unternehmensfinanzierung.
Bei den Pensionseinrichtungen wurde dadurch grundsätzlich das Interesse an LDI-Strategien geweckt. Ziel dieser Strategien ist es, die mit den Pensionszusagen verbundenen Risiken bewusst zu steuern, um den Ausfinanzierungsgrad zu stabilisieren oder in einer kontrollierten Art und Weise über Zeit zu verbessern. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Trägerunternehmen versprochene Rentenzahlungen zum Fälligkeitszeitpunkt aus der Kapitalanlage bedienen können. Eine wachsende Zahl von Pensionseinrichtungen mit Leistungszusagen hat infolgedessen begonnen, LDI-Prinzipien umzusetzen, zum Beispiel durch eine stärker verpflichtungsorientierte Strukturierung ihrer Anleihebestände (physisches LDI). Abbildung 1 skizziert die De-Risking-Reise, auf die sich einige betriebliche Pensionseinrichtungen begeben haben – und sie zeigt auch, was noch vor ihnen liegt (der gestrichelt umrandete Bereich gibt an, wo sich der Großteil der Einrichtungen derzeit befindet).
Abb. 1: Die De-Risking Reise.
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Einführung des Adaptive Liability Hedging
Trotz der Tatsache, dass immer mehr Pensionseinrichtungen grundsätzlich eine holistische Asset-Liability-Perspektive einnehmen, sind die Absicherungsquoten deutscher Corporates gegen unvorteilhafte Änderungen im IFRS-Rechnungszins im internationalen Vergleich vergleichsweise niedrig. Eine mögliche Erklärung hierfür liegt in dem Niedrigzinsumfeld bzw. der oft vorherrschenden Erwartung steigender Zinsen, wodurch das Absichern von Zinsänderungsrisiken historisch betrachtet „teuer“ erscheint. In solch einer Gemengelage erscheinen flexible Ansätze opportun: Adaptive Liability Hedging (ALH) stellt eine Ergänzung zu traditionellen LDI-Strategien dar. Es handelt sich um einen regelbasierten Ansatz, bei dem die Absicherungsquote dynamisch an sich ändernde Marktbedingungen angepasst wird.
Als systematische De-/Re-Risking-Strategie hat ALH sowohl eine Risikomanagement- als auch eine Ertragsdimension:
• Risikomanagement: Bei steigenden Zinsen (und einem sich damit tendenziell verbessernden Ausfinanzierungsgrad), wird die Absicherungsquote erhöht, also „Risiko vom Tisch genommen“.
• Ertrag: Bei fallenden Zinsen wird die Absicherungsquote (beispielsweise bis hin zur Mindest-Hedge-Ratio, siehe Abbildung 2) reduziert, wodurch „Gewinne mitgenommen werden“.
Aufgrund dieser „Buy Low, Sell High“-Mechanik profitiert ALH insbesondere in volatilen, um einen Mittelwert schwankenden (Mean-Reversion-Effekt) Märkten von sogenannten „Round-Trip“-Gewinnen. Da diese Round-Trip-Gewinne in erster Linie von der realisierten Volatilität abhängig sind, weist ALH neben seinen De-/Re-Risking-Eigenschaften vorteilhafte Korrelationsmerkmale im Vergleich zu anderen herkömmlichen Ertragsquellen auf.
Kalibrieren von ALH-Strategien
Vor der Implementierung von ALH-Strategien sollte sich eine Pensionseinrichtung darüber Gedanken machen, innerhalb welcher Spanne sie sich dynamisch und regelbasiert gegenüber Zinsänderungen absichern möchte. Unabhängig von Markteinschätzungen sollte eine Pensionseinrichtung eine (unternehmensspezifische) Mindestabsicherungsquote (siehe Abbildung 2) definiert und implementiert haben, welche sicherstellt, dass Pensionsrisiken keine nachteiligen Auswirkungen auf das operative Geschäft haben. Die effizienteste Art der Umsetzung ist die Anwendung klassischer LDI-Techniken (Physisches LDI und/oder Overlay-LDI).
Abb. 2: Vereinfachte Grundstruktur für den Aufbau von LDI-Strategien.
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Jenseits dieser Mindestabsicherungsquote haben Pensionseinrichtungen jedoch die Möglichkeit, den Grad der Absicherung „opportunistischer“ zu steuern. Ein willkürlicher, subjektiver Ansatz kann allerdings im Nachhinein zu Erklärungsnöten führen, so sich die eingegangene „Marktwette“ nicht materialisiert hat. ALH bietet eine Alternative zum „Market Timing“; es versetzt Pensionseinrichtungen in die Lage, ihre Hedgingstrategie im Rahmen eines robusten und leicht zu kommunizierenden Governance-Rahmens zu formulieren: Es wird vorab klar definiert, bei welchem Zinsszenario sich die Einrichtung in welchem Umfang gegen sinkende Rechnungszinsen absichert.
Zusammenfassung
ALH bietet Pensionseinrichtungen die Möglichkeit, ihre Liability-Hedgingstrategie um eine zusätzliche Dimension zu erweitern, indem ihre Zinsänderungsrisiken nach im Vorfeld klar definierten Regeln dynamisch gesteuert werden. Neben diesen reinen Risikomanagement-Überlegungen bietet ALH ein Ertragsprofil, welches weniger vom absoluten Zinsniveau abhängig ist, sondern insbesondere in volatilen Marktphasen gesamtportfoliostabilisierende Eigenschaften aufweist. Mit Blick auf den zweiten potenziell bevorstehenden Corona-Lockdown samt den unabsehbaren realwirtschaftlichen Folgen oder auf die Ungewissheit über die geld- und fiskalpolitische Antwort auf die Folgen der Pandemie bedarf es wenig Fantasie, dass volatile Marktphasen vor uns liegen. In Anbetracht der ungewissen Zukunft bieten sich Pensionseinrichtungen aber durchaus auch Opportunitäten. Und ALH bietet einen Rahmen, diese zu kapitalisieren.
Der Autor ist Head of Solutions, Germany, der Insight Investment.
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