Mittels einer Abkehr von den in ALM-Studien genutzten Anleihenindizes und einer Ausrichtung der Asset-Allokation an einer Liability Benchmark zum besseren Matching der Cashflows können Pensionsinvestoren ihre Zinssensitivität senken, Kapital freisetzen und dadurch den Risiken des Zinsumfelds begegnen, erläutert Olaf John.
Die Lage
Am 14. Juni dieses Jahres notierten 10-jährige Bundesanleihen mit minus 0,003% erstmals negativ. Am 13. Juli wurden erstmals 10-jährige Bundesanleihen mit negativer Rendite emittiert. Strukturelle Wachstumsschwäche, die Notenbankpolitik sowie der demografische Wandel bringen viele Pensionseinrichtungen in Schwierigkeiten. Die expansive Geldpolitik der Notenbank hat zu Spekulationsblasen geführt und Renditen von traditionellen Fixed-Income-Anlagen stark geschmälert. Es werden immer weniger klassische DB-Zusagen erteilt bzw. durch beitragsorientierte Zusagen ersetzt. Doch die Pensionsverpflichtungen der Altzusagen bleiben noch Jahrzehnte bestehen. Das führt letztendlich zu negativen Cashflows bei den zusagenden Unternehmen. Zusätzlich fällt es Versorgungseinrichtungen zunehmend schwer, den notwendigen Rechnungs- bzw. Garantiezins zu erwirtschaften. In den letzten Jahren mussten deshalb viele Versorgungswerke das Risiko ihrer Kapitalanlage erhöhen, um ausreichende Renditen zu erwirtschaften.
Die langfristigen Auswirkungen auf Pensionseinrichtungen
Langfristig ergeben sich daraus zwei Kernrisiken: unerwartete Inflation und Zahlungsausfälle. Zusätzlich ist eine Verschiebung von Risiken zu beobachten: zum einen von Arbeitgebern zu Arbeitnehmern (z.B. durch den Trend von DB zu DC/DA bzw. durch Leistungskürzungen), zum anderen zwischen verschiedenen Generationen von Arbeitnehmern (z.B. durch unterschiedliche Garantiezinsen bei älteren und jüngeren Pensionsberechtigten).
Leistungskürzungen sind in der Vergangenheit bereits in Österreich, den Niederlanden oder der Schweiz umgesetzt worden. Die jüngst bekanntgewordenen Fälle von Leistungskürzungen bei deutschen Pensionseinrichtungen beziehen sich auf künftige und nicht auf „erdiente“ Leistungen. Ob diese Anpassungen ausreichen, um Pensionsversprechen in Zukunft erfüllen zu können ist fraglich.
In diesem Kontext muss das Einhalten der Pensionsversprechen im Vordergrund stehen und nicht die Renditemaximierung durch ein Eingehen noch höherer Risiken.
Cashflow-Accounting-Steuerung: Wie lassen sich die verschiedenen Pensionsrisiken managen?
Um Pensionsrisiken zu steuern, ist es wichtig, Bewertungsrisiken von Cashflow-Risiken zu unterscheiden. Bewertungsrisiken der Pensionsverpflichtungen entstehen durch Schwankungen des Rechnungszinses. Cashflow-Risiken sind auf Langlebigkeit und Inflation zurückzuführen, welche die Dauer und Höhe der Rentenzahlungen beeinflussen.
Die Fälligkeiten von Pensionsverpflichtungen (Rentenzahlungen) sind unter Annahmen für die Sterblichkeits- und Inflationserwartungen bekannt. Die Cashflows der Kapitalanlage hingegen sind in der Regel nicht bekannt. Die strategische Asset-Allokation der Kapitalanlage wird häufig mittels ALM-Studie optimiert, welche eben nicht die Liability Cashflows, sondern lediglich deren Barwert berücksichtigt. Der Rechnungszins als Diskontsatz dieser Cashflows steht hier im Fokus. Unterschiedliche Rechnungslegungsvorschriften ergeben so unterschiedliche Zielfunktionen. Nach HGB (BilMog) werden Verbindlichkeiten-Cashflows jährlich mit dem 10-Jahres-Durchschnitt der Null-Kupon-Euroswapzinsen zzgl. eines Spread-Aufschlags diskontiert.
Unter IFRS wird hingegen mit der 10-Jahres-AA-Corporate-Bond-Rendite diskontiert. Der HGB-Diskontzinssatz ist aufgrund dieser Glättung nicht so volatil wie der IFRS-Zinssatz. Bei steigenden Zinsen wird der HGB-Diskontzins aufgrund der Durchschnittsbildung erst einmal weiter sinken. Dies führt entsprechend zu einem weiteren Anstieg der HGB-Verbindlichkeiten. Der IFRS-Zinssatz steigt jedoch sofort bei einem allgemeinen Zinsanstieg, und somit sinken die IFRS-Verbindlichkeiten unmittelbar. Das führt zu Zielkonflikten, und es gibt keine optimale Lösung, die beiden Rechnungslegungsvorschriften gerecht wird.
Die Zielsetzung und Betrachtungsweise bei der Steuerung der Pensionsrisiken ist entscheidend. Es muss ein Ziel festgelegt werden, weitere untergeordnete Ziele können in Form von Nebenbedingungen einfließen.
Statt obsoleter Anleihenindizes…
Die strategische Asset-Allokation aus der ALM-Studie wird i.d.R. durch Marktindizes als strategische Benchmark implementiert. Aus historischen und regulatorischen Gründen ist die weitaus größte Allokation der Kapitalanlage in Investment-Grade-Euro-Anleihen. Die am weitesten verbreiteten Anbieter von Euro-Anlageindizes sind iBoxx, Barclays und die Bank of America Merrill Lynch. Diese Indizes weisen nahezu identische Cashflow-Profile auf:
Tabelle 1: Die Anleihenindizes von iBoxx, Barclays und Bank of America Merrill Lynch im Vergleich.
Per 31. Juli 2016. Quelle: iBoxx, Barclays, ML.
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Der iBoxx Euro-Anlagenindex ist in Deutschland für institutionelle Anleger am weitesten verbreitet. Die erwarteten Cashflows, die sich aus diesem Index ergeben, haben aber nichts mit den zu erbringenden Rentenzahlungen einer Pensionseinrichtung zu tun. Ein wesentlicher Nachteil von Marktindizes ist aus Sicht des Pensionswesens, dass besonders langlaufende Verbindlichkeiten nicht gedeckt werden:
Grafik 1: Mismatch der Cashflows zwischen Assets und Liabilities.
Quelle: Insight Investment.
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Hinzu kommt, dass die laufende Rendite der Indizes i.d.R. unterhalb des Rechnungszinses liegt. So liegen derzeit diese Indizes bei unter 1% in der laufenden Rendite, die Rechnungszinsen aber bei 2 bis 3,5%. Die Duration von den Indizes liegt bei ca. 5 Jahren, während typische Pensionsverbindlichkeiten eine Duration von 15 oder mehr Jahren haben. Neben diesen Cashflow Mismatches gibt es weitere Unterschiede zwischen Marktindizes und den Pensionsverpflichtungen. Diese Abweichungen bedeuten erhöhte Risiken bei der Erfüllung der Pensionsversprechen.
…Liability Benchmark verwenden
Eine effizientere Vorgehensweise für die Bedeckung der Liability Cashflows ist es, die klassischen Anleihenindizes durch eine sogenannte Liability Benchmark zu ersetzen, welche die Rentenzahlungen abbildet, und dann ein geeignetes Investmentuniversum abzugrenzen, aus dem ein Liability-nahes Portfolio konstruiert wird. Durch periodische Zahlungsflüsse werden so die Pensionsverpflichtungen gedeckt und die Risikotragfähigkeit der Pensionseinrichtung erhöht.
Die Ausrichtung der Kapitalanlagen an den Fälligkeiten der Verbindlichkeiten führt netto in der ALM-Betrachtung zu einer Verringerung der Zinssensitivität. Die Ausrichtung der Asset Cashflows an den Cashflows der Verbindlichkeiten in dem sogenannten Liability Hedging Portfolio bedeutet i.d.R. eine Verlängerung der Duration der Fixed-Income-Allokation. Ist keine Durationsverlängerung gewünscht, weil z.B. steigende Zinsen erwartet werden, reduziert man die Fixed-Income-Allokation entsprechend so, dass kapitalgewichtet die Duration der Gesamtanlagen unverändert bleibt. Die Allokationshöhe in diesem Liability Matching Portfolio entspricht einer Absicherungsquote für die Pensionsrisiken. Das damit i.d.R. freigewordene Kapital kann in Asset-Klassen mit größerem Renditepotenzial, aber hoher Qualität investiert werden. Diese Effizienzsteigerung erfordert keinen Einsatz von Derivaten.
Grafik 2: Steuerung der Absicherungsquote über die Größe des Hedging Portfolios.
Quelle: Insight Investment.
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Bei dem Übergang zur Liability Benchmark werden klassische Anleihen-Benchmarks obsolet. In dem Liability Hedging Portfolio können auch illiquide Kreditanleihen hoher Bonität zum Einsatz kommen. Ein Portfolio mit illiquiden Kreditanlagen kann so strukturiert werden, dass Kupons und andere Rückzahlungen an die erforderlichen Liability Cashflows angepasst werden. Dies ist i.d.R bei Laufzeiten bis zu 10 Jahren möglich.
Fazit: Umdenken in der Zielsetzung
Die expansive Geldpolitik hat die Bewertungen der Kapitalanlage verzerrt und die Aussicht auf notwendige Renditen getrübt. Dies erfordert ein Umdenken in der Zielsetzung. Es geht darum, die Wahrscheinlichkeit für die Erfüllung von Pensionsversprechen zu erhöhen, und nicht um reine Renditemaximierung. Die Asset-Seite allein kann aber das Finanzierungsdilemma nicht lösen. Weitere Leistungskürzungen werden folgen. Mit der vorgeschlagenen Effizienzerhöhung der Fixed Income Assets kann jedoch das Ausmaß dieser Leistungskürzungen sowie etwaiger Nachschusszahlungen von Arbeitgebern reduziert werden.
Der Autor ist Head of Business Development, Europe, der Insight Investment, London, UK.
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Advertorial mit freundlicher Unterstützung von:
Kontakt:
Olaf John
Head of Business Development, Europe
Insight Investment, 160 Queen Victoria Street, London EC4V 4LA
Tel.: +44 20 7321 1944
Email: Olaf.John@InsightInvestment.com
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