In der Rückschau der letzten sieben Jahre hat sich die stetige Erwartung einer bevorstehenden Zinswende ebenso stetig als trügerisch erwiesen. Auch die weitere Entwicklung bleibt unklar. Aber die Finanzierungsstrategie unserer Altersguthaben rein auf zufällige Änderungen des Zinses zu stützen, erscheint zumindest fragwürdig. Doch unter LDI-Gesichtspunkten ist der Zins lediglich eine von mehreren Variablen – und nicht alle sind derzeit „teuer“ abzusichern. Wolfgang Murmann berichtet.
„Wo kommen wir her? Wohin gehen wir? Was erwarten wir? Was erwartet uns? Viele fühlen sich nur als verwirrt. Der Boden wankt, sie wissen nicht warum und von was.“
Ernst Bloch: „Das Prinzip Hoffnung“
Das Jahr 2014 hat mal wieder gezeigt wie wichtig der Einbezug der Pensionsverpflichtungen in die Kapitalanlagestrategie ist: Obwohl die Planvermögen der DAX-Unternehmen mit circa +10% ordentlich rentierten, verschlechterten sich ihre Ausfinanzierungsgrade auf nun unter 55%. Dies lag daran, dass die Verpflichtungen im gleichen Zeitraum um fast 30% anstiegen; das Bild bei MDAX-Unternehmen ist ähnlich.1)
Für IFRS-Bilanzierer bedeutet dies, dass Eigenkapital in signifikantem Umfang vernichtet wurde, sich die Verschuldungsgrade folglich erhöht haben und „betriebsfremde“ Pensionsrisiken somit nachteilige Auswirkungen auf das operative Geschäft hatten. Doch was sind die Ursachen? Was sind mögliche Maßnahmen? Und sind diese im aktuellen Marktumfeld überhaupt sinnvoll?
Die wesentlichen Aussagen auf einen Blick:
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Signifikanter Asset-Liability-Mismatch bei der Finanzierung von Pensionszusagen.
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Direktzusagen sind Darlehen der Arbeitnehmer an den Arbeitgeber und sollten den gleichen Risikomanagementprinzipien unterliegen.
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Basierend auf Unternehmenszielen sollten Risikobudgets für die Finanzierung von Pensionszusagen definiert werden.
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LDI ist das Management dieser Risikobudgets und die Wegbeschreibung zum Erreichen der strategischen Absicherungsquoten.
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Markteinschätzungen und taktische Erwägungen können über derivate Instrumente ausgedrückt beziehungsweise monetarisiert werden.
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Nicht alle Pensionsrisiken sind derzeit „teuer“ abzusichern.
Subprime, Lehman, Island und PIIGS
Im Oktober 2008 entschloss sich die Europäische Zentralbank (EZB), die Folgen der Banken- und später der Staatsschuldenkrise durch Senkung des Leitzinssatzes von seinerzeit 3,75% auf aktuell 0,05% zu bekämpfen. Im Zuge dessen fallen seitdem auch die Rechnungszinsen für die Bewertung von Pensionsverpflichtungen – mit der Konsequenz, dass die Pensionsrückstellungen signifikant angestiegen sind (siehe Abb. 1). In diesem Zusammenhang sind zwei Beobachtungen interessant:
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Seit nunmehr fast sieben Jahren beginnt nahezu jeder Fixed-Income-Vortrag mit „historisch niedrigen Zinsen“.
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Investoren warten seit fast sieben Jahren auf die Zinswende, wollen bei diesen Niveaus also nicht den Markteinstieg wagen – in der Retrospektive eine falsche Strategie.
Die Frage lautet also auch 2015 wieder, ob wir die Tiefststände im Zins gesehen haben. Es gibt sowohl gute Gründe dafür, dass die Euro-Zinsen weiter fallen werden (zum Beispiel QE), als auch, dass sie steigen könnten (zum Beispiel gefallener Ölpreis, gefallener Euro). Leider werden wir die Antwort hierauf auch erst wieder am 31. Dezember kennen. Aber ist dies wirklich relevant? Oder sollte es im Sinne eines vorsichtigen Kaufmanns nicht eher darum gehen, böse Überraschungen zum Beispiel am Bilanzstichtag zu vermeiden?
Abb. 1: Ansteigende Pensionsverpflichtungen aufgrund sinkender EUR-IAS-19-Diskontfaktoren
LDI ist mehr als das ausschließliche Steuern von Zinsrisiken
Wie die untenstehende Abbildung 2 zeigt, können die Überraschungen bei der Finanzierung von Pensionsverpflichtungen verschiedenster Natur sein.
Abb. 2: Komponenten eines ganzheitlichen Ansatzes zum Management von Pensionsrisiken
LDI ist ein ganzheitlicher Risikomanagementansatz. Eine eindimensionale (Zins-)Betrachtung ist demzufolge nicht ausreichend. Vielmehr kann man LDI als einen 5-stufigen Prozess verstehen:
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Definition der Zielsetzung, zum Beispiel Ausfinanzierung in 5 Jahren.
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Pensionsrisiken aufdecken, quantifizieren und verstehen: Wie groß sind die Zins-, Inflations-, Langlebigkeits- und Anlagerisiken?
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Festlegen des Risikobudgets, zum Beispiel wie viel Eigenkapital ist ein Unternehmen bereit (Risikoappetit), beziehungsweise in der Lage (Risikotragfähigkeit), über einen 1-Jahres-Zeitraum zu verlieren?
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Übersetzen des Risikobudgets in strategische Absicherungsquoten.
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Implementierung der strategischen Absicherungsquote über Zeit. Dies kann entweder in Abhängigkeit von Marktniveaus oder dem Ausfinanzierungsgrad erfolgen. Weiter können in diesem Schritt Marktmeinungen umgesetzt werden oder andere taktische Erwägungen einfließen.
LDI im aktuellen Marktumfeld
Die expansive Geldpolitik der EZB ist eine der Hauptursachen dafür, dass die Pensionsrückstellungen in den letzten Jahren in erheblichem Umfang angestiegen sind. Andererseits hat diese Geldschwemme auch dazu geführt, dass nahezu sämtliche Anlageklassen nahe ihrer Allzeithochs notieren. Es stellt sich durchaus die berechtigte Frage, ob beispielsweise die Entwicklung der Unternehmensgewinne die jüngste Aktienmarktrally rechtfertigt, oder ob diese rein liquiditätsgetrieben ist. Auch hatten die verschiedenen Finanzkrisen seit 2007 negative Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum, wodurch Inflation auf historisch niedrigen Niveaus notiert. Entsprechend kann man argumentieren, dass diese Risikofaktoren momentan „billig“ abzusichern sind.
Auch Langlebigkeitsrisiken können heute deutlich kostengünstiger abgesichert werden als noch im Jahr 2008. Gab es seinerzeit lediglich teure und liquiditätsintensive Versicherungslösungen, hat sich seitdem ein Markt für sogenannte „Longevity Swaps“ etabliert, über den dieser Risikofaktor deutlich effizienter abgesichert werden kann. Mehr dazu hier.
Kurzum: In einer historischen Betrachtung ist lediglich die Absicherung von Zinsrisiken „teuer“. Hier bieten asymmetrische Instrumente die Möglichkeit, das Risiko weiter fallender Zinsen zu begrenzen, ohne auf die Partizipation an steigenden Zinsen verzichten zu müssen. Weiter können solche Instrumente eingesetzt werden, um für das „Warten auf höhere Zinsen“ in Form einer Optionsprämie kompensiert zu werden. Dies seien nur zwei Beispiele dafür, dass auch hier ein aktives Auseinandersetzen mit dem Risiko und Evaluieren von Handlungsalternativen zielführender ist als die Entwicklung des Ausfinanzierungsgrades dem Zufall zu überlassen.
Es bleibt festzuhalten, dass LDI den Pfad hin zu einem mittel- bis langfristigen Ziel beschreibt. Es geht nicht darum, sämtliche Risiken auf einen Schlag zu eliminieren, sondern einen konkreten Maßnahmenkatalog zu entwickeln, beispielsweise um die Absicherungsquoten „billiger“ Risiken über- beziehungsweise die Absicherungsquoten „teurer“ Risiken unterzugewichten. Die unterschiedlichen Risikofaktoren können also bewusst zeitlich versetzt abgesichert werden. Allerdings sollte stets ein Mindestmaß an Sicherheit im Sinne des Risikobudgets gewährleistet sein, so dass den Finanzvorständen unangenehme Überraschungen wie am Jahresende 2014 in Zukunft erspart bleiben.
Zusammenfassung
Wir bei Insight glauben daran, dass ein flexibler und ganzheitlicher Risikomanagementansatz eine bessere Strategie ist, als auf höhere Zinsen zu hoffen. Vielmehr bevorzugen wir folgende Herangehensweise zum Management von Pensionsrisiken:
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Definieren eines Risikobudgets, um ein Mindestmaß an Gewissheit bezüglich der künftigen Entwicklung der Pensionsrückstellungen zu haben.
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Herleiten von strategischen Absicherungsquoten für die wesentlichen Risikofaktoren.
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Entwickeln eines De-Risking-Fahrplans für alle wesentlichen Risikofaktoren.
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Zunächst Fokussieren auf Risikofaktoren, die in der Absicherung günstig erscheinen.
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Ausrichten der Asset- und Risikomanagementstrategie, so dass man von der Zinswende profitieren kann, wenn diese kommt, und man die negativen Auswirkungen begrenzt, für den Fall, dass sie weiter auf sich warten lässt.
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Erweiterung des Instrumenten-Toolkits, um Marktopportunitäten nutzen zu können.
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Sicherstellen, dass schnell und flexibel auf sich ändernde Marktbedingungen reagiert werden kann.
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Und „last but not least“: Verbesserung des Asset-Liability-Matches, um künftig weniger stark dem Risiko ausgesetzt zu sein, dass Pensionsrisiken sich unvorteilhaft auf das operative Geschäft auswirken.
Was Pensionseinrichtungen und Ernst Bloch gemein haben, ist die Sehnsucht nach einer besseren Zukunft. Während sich der Philosoph hierbei auf Wünsche und Tagträume beruft, erscheint es fragwürdig, ob unsere Altersvorsorge auf diesen Prinzipien fußen sollte. LDI bietet einen Rahmen, mit dem die Zukunft aktiv gestaltet und die Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung erhöht werden kann.
Der Autor ist Business Development Director der Insight Investment, London, UK.
Von ihm und anderen Autorinnen und Autoren der Insight Investment erschienen zwischenzeitlich bereits auf LEITERbAV:
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Zwischen sinkenden Asset-Preisen und Liability-Gewinnen:
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Investment Grade Private Debt:
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Collateral Pool: Verschuldung, Verzerrung
– und Navigieren in den Kreditmärkten.
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von Olaf John, London, 15. Oktober 2015
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von Wolfgang Murmann, London, 20. Mai 2015
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von Olaf John, London, 14. September 2014
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CRE-Darlehen als Anlageklasse:
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von Olaf John, London, 12. Februar 2014
Die drei Trugschlüsse über LDI-Strategien.
von Olaf John, London, 11. November 2013
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Fußnote 1) Towers-Watson-Analyse “German Pension Finance Watch 4. Quartal und Jahresrückblick 2014”.