Dieser Tage hat eine Diskussion Fahrt aufgenommen, deren rentenpolitische Pole kaum gegensätzlicher sein könnten. Die IG Metall wünscht Gesetzesänderungen, die Zusatzbeiträge in die gesetzliche Rentenversicherung erleichtern, und sieht darin eine Alternative zur reinen Beitragszusage. Ihre Gedankenspiele hat sie nun ausführlich zu Papier gebracht – und bekam prompten Widerspruch. P●I-Autor Detlef Pohl hat sich der Sache angenommen. Seine Begeisterung hält sich in Grenzen.
Die IG Metall hat nach ihrer vorläufigen Absage vom Sozialpartnermodell auf ihrem Gewerkschaftstag nun erstmals auch systematisch und ausführlich dargelegt, was ihr als Alternative für die Zusatzvorsorge vorschwebt.
Zur Erinnerung: Quintessenz des damaligen Beschlusses im Herbst 2023 war, dass Verlustrisiken auf den Finanzmärkten unmittelbar keinen Einfluss auf die Höhe von Alterseinkommen der Beschäftigten haben dürfen. Daher sei man gegen jedes bAV-Modell ohne Arbeitgeberhaftung und ohne Garantien.
Stattdessen würden Zusatzbeiträge in die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) präferiert, deren „Rendite“ sich aus der Kopplung an die allgemeine Entgeltentwicklung der Beschäftigten ergeben soll. Das Konzept solle auch „in Zusammenarbeit mit der DRV Bund und dem BMAS lösungsorientiert vorangetrieben werden“. In ersten Schritten würden bereits Arbeitgeber-Beiträge für zusätzliche Zahlungen gemäß §§ 187a und 207 SGB VI angestrebt, so der Beschluss weiter.
Diese Gedankenspiele schafften es nun, einige Monate später, sogar in die aba-Zeitschrift BetrAV 02/2024, die Mitte März erschienen und nur für aba-Mitglieder verfügbar ist.
In dem Heft beschäftigen sich gleich zwei Beiträge mit dem vom Gewerkschaftstag der IG Metall befürworteten Modell von Zusatzbeiträgen an die gesetzliche Rentenversicherung, das auf den Kosenamen „Soli-Rente Plus“ hört – siehe auch Seite 258 des „Beschlussbuches“ des Gewerkschaftstages.
Der Aufschlag: „Die Soli-Rente Plus – ein Weg der zusätzlichen Altersvorsorge“
Ausführlich legen Christoph Ehlscheid, Büroleiter beim IG-Metall-Vorstand und Mitglied des Bundesvorstandes der DRV, sowie Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, in ihrem Artikel „Die Soli-Rente Plus – ein Weg der zusätzlichen Altersvorsorge“ ihr Konzept in der aba-Zeitschrift dar. Dabei unterstellen sie bei der Riester-Rente und der bAV:
„Die Krise der beiden avisierten Ausfallbürgen für die gesetzliche Rentenversicherung ist manifest.“ Suchbewegungen für Reformen im Bereich der Zusatzvorsorge seien daher nicht zu übersehen. Über 61% aller den Seniorenhaushalten zufließenden Einkommen seien gesetzliche Renten und zudem – man lese und staune – „ist die Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherung gut“ (am Rande zur Erinnerung: Steuerzuschuss in die GRV derzeit ca. 130 Mrd. Euro p.a.).
Als Teil der sozialstaatlichen Altersversorgung sollte auch die Zusatzvorsorge Elemente des Solidarausgleichs sowie eine gerechte Verteilung der Tragelasten aufweisen und ein hohes Maß an Sicherheit darüber bieten, welche Mindestleistung im Alter erwartet werden kann, schreiben die Autoren. Die bAV habe da allenfalls als arbeitgeberfinanzierte Betriebsrente mit garantierter Mindestleistung und Arbeitgeberhaftung einen Platz, nicht aber als Angebote, die, „wie bei der reinen Beitragszusage im Rahmen des Sozialpartnermodells, Anlagerisiken auf Beschäftigte und Rentner übertragen“.
Die sozialstaatliche Alternative
Wichtiger scheint der IG Metall jedoch zu sein, die Einzahlungen in die GRV als ein Instrument der individuellen und/oder kollektiven Zusatzvorsorge in den Blick zu nehmen und aufzuwerten. Bislang können Pflichtversicherte freiwillige Einzahlungen (Sondereinzahlungen) nur in zwei Fällen leisten: um Beiträge für Ausbildungszeiten nachzuzahlen (nur bis zum 45. Lebensjahr möglich; § 207 SGB VI) oder um Abschläge einer vorgezogenen Rente auszugleichen (§ 187a SGB VI).
Quelle: IG Metall, aba. Grafik zur Volldarstellung anklicken.
Durch rechtliche Änderungen sollen nun also weitere freiwillige, zusätzliche Beiträge erlaubt werden (Soli-Rente Plus). Die Autoren sehen darin eine „breit nutzbare sozialstaatliche Alternative zu renditeschwachen, intransparenten und riskanten privaten Anlageformen“. Sie wollen einen Anspruch auf zusätzliche GRV-Beitragszahlung für alle Pflichtversicherten bis zu 4% der BBG, der auch als Arbeitgeberbeitrag und im Lohnabzugsverfahren möglich ist. Spendiert der Arbeitgeber die Zusatzbeiträge, sollen sie steuer- und SV-frei sein; zahlt der Arbeitnehmer, so sollen sie steuerlich voll absetzbar sein.
Wer das Geld managen soll
Statt mit einer spekulativen Anlagepolitik Risiken eingehen zu müssen, gelte es im Rahmen der Soli-Rente-Plus „die temporär zusätzliche Liquidität der GRV vor Wertverlusten zu schützen, was etwa durch eine Verwaltung durch die Bundesbank organisiert werden könnte“, so die Autoren.

Auf der Leistungsseite würden die Zusatzbeiträge Anwartschaften im Umlagesystem generieren, deren Höhe sich nicht am Anlagerfolg, sondern an den Regeln der allgemeinen Rentendynamisierung ausrichtet. Maßgeblich seien „die im Erwerbsleben erworbenen Entgeltpunkte und deren gemäß Rentenanpassungsformel lohnbasierte Wertentwicklung“. Am Ende gebe es so „ein verlässliches und berechenbares Standardprodukt für die zusätzliche Vorsorge, das mit niedrigen Verwaltungskosten, ohne Gewinnerzielungsinteressen und mit einer vergleichsweise attraktiven Verzinsung alle biometrischen Risiken absichert“, schreiben die Autoren.
Damit sollen weder ein Monopol für die zusätzliche Altersvorsorge geschaffen noch bAV-Systeme verdrängt werden, sondern der Rahmen für eine attraktive Zusatzvorsorge verbessert werden.
Die Return: „Freiwillige Rentenbeiträge: ein gefährlicher Irrweg“
In derselben Ausgabe der aba-Zeitschrift bezeichnet Alexander Gunkel, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der BDA und langjähriger Vorstand der DRV Bund, in seinem Beitrag „Freiwillige Rentenbeiträge: ein gefährlicher Irrweg“ die Idee der Soli-Rente Plus dagegen als rundheraus als nicht weniger als ein „Schneeballsystem“.
Seine Begründung: Wer Beiträge an die Rentenversicherung zahlt, erwirbt einen Anspruch auf spätere Rentenzahlungen. Dieser Anspruch könne in einem umlagefinanzierten System aber nur dann verlässlich eingelöst werden, wenn gewährleistet ist, dass bei Fälligkeit andere Beitragszahler für die Finanzierung dieser Rentenzahlungen aufkommen. Bei lediglich freiwilligen Zahlungen sei dies nicht sichergestellt, denn diese Zahlungen könnten jederzeit eingestellt werden.
Wenn alle die Dummen sind
Doch es könnte sogar noch schlimmer kommen, blickt Gunkel voraus: Während beim Platzen eines üblichen Schneeballsystems nur diejenigen den Schaden tragen müssen, die sich unvorsichtigerweise daran beteiligt haben, müsste bei freiwilligen Rentenbeiträgen die Solidargemeinschaft der Pflichtbeitragszahler für den Schaden aufkommen, wenn sich nicht mehr genügend Beitragszahler finden, um die aus früher geleisteten Beiträgen entstandenen Rentenansprüche bei Fälligkeit zu befriedigen. „Eine solche Ausfallhaftung für ein Schneeballsystem sollte Pflichtbeitragszahlern nicht zugemutet werden“, schreibt Gunkel.
Hoch und runter je nach Zinslage
Zudem könne die Höhe freiwilliger Rentenbeiträge bei steigendem Zinsniveau schnell sinken. Grund: Die Attraktivität freiwilliger Zusatzbeiträge ist ebenso volatil wie bei anderen Vorsorgeformen. So hatte sich die Höhe der Beitragszahlungen zum Ausgleich von Rentenabschlägen von 2018 mit 0,3 Mrd. Euro bis 2022 auf 1,1 Mrd. Euro nahezu vervierfacht, weil Niedrigzinsen alternative Anlagen im gleichen Zeitraum deutlich unattraktiver machten. 2023 waren dann allerdings wieder Festgeldanlagen mit einem Zinssatz von 4% erhältlich, und sogleich fiel das Volumen freiwilliger Beiträge zum Ausgleich von Rentenabschlägen auf 0,9 Mrd. Euro. „Daher ist die Höhe künftiger freiwilliger Rentenbeiträge noch nicht einmal näherungsweise vorhersehbar; niemand sollte auf freiwillige Beiträge setzen, der an einer stabilen GRV interessiert ist“, warnt Gunkel.

Vor allem aber der demografische Wandel verstärke die Gefahr, dass künftig nicht mehr ausreichend freiwillige Beitragszahler verfügbar sind, um die Rentenansprüche früherer freiwilliger Beitragszahler zu befriedigen.
Und ständig wird’s teurer
Mit dem künftig steigenden Rentenbeitragssatz dürften Ausgleichszahlungen für einen Entgeltpunkt zudem deutlich teurer werden und die Rendite gezahlter Beiträge unweigerlich schmälern. 2022, als bislang die meisten freiwilligen Beiträge von Pflichtmitgliedern geleistet wurden, war ein Entgeltpunkt noch für eine Sonderzahlung von rund 7.200 Euro zu bekommen, erinnert Gunkel. 2024 müssten dafür bereits rund 8.400 Euro gezahlt werden und in fünf Jahren sollen es bereits 10.800 Euro sein, wenn man die Vorausberechnungen im letzten Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung zugrunde legt.
2029 wird also eine um mehr als ein Viertel höhere Ausgleichszahlung erforderlich sein, und auch für die Folgejahre gelte, dass der „Preis“ für einen Entgeltpunkt deutlich stärker steigen wird als Löhne, Gehälter und Renten. „Die Bereitschaft, freiwillige Beiträge zu zahlen, dürfte dadurch sinken“, schreibt der Autor. Gewiss würden sich auch die Gewerkschaften von dieser Form der Vorsorge wieder lösen, wenn ihre Mitglieder freiwillige Rentenbeiträge nicht mehr als lohnend empfinden, so seine Prognose. Dann müssten die Pflichtbeitragszahler für die Finanzierung der mit freiwilligen Beiträgen erworbenen Rentenansprüche haften. Daher sollte es laut Gunkel weiter restriktive Bedingungen für freiwillige Beiträge geben.
Besser nicht draufzahlen lassen
Idealerweise sollte in einem umlagefinanzierten System möglichst ganz auf freiwillige Beiträge verzichtet werde: Gefahr der negativen Risikoselektion, d.h., dass diejenigen freiwillige Beiträge überproportional nutzen, die sich selbst davon einen besonderen Vorteil erhoffen, und diejenigen, die damit nicht rechnen, keine freiwilligen Beiträge zahlen. Ergebnis: Es komme zu einer die Solidargemeinschaft belastenden Entmischung von Versicherungsrisiken.
Bislang sei es dem Gesetzgeber gelungen, dass freiwillige Beiträge die Ausnahme sind, so Gunkel. 2023 entfielen nur rund 0,6% der gesamten Beitragseinnahmen der Rentenversicherung auf freiwillige Beiträge (1,7 Mrd. Euro von 289,6 Mrd. Euro). Bei diesem Umfang sei keine Destabilisierung der Rentenversicherung zu einem späteren Zeitpunkt zu befürchten. „Wenn freiwillige Beiträge aber nicht mehr die Ausnahme wären, sondern als neuer Weg der Zusatzvorsorge etabliert würden, wäre dies nicht mehr der Fall“, so der langjährige Sozial- und Arbeitsrechtler.
Ein letzter Aspekt: Befürworter der „Soli-Rente Plus“ betonen als Vorteil der GRV, dass sich über sie zusätzliche Altersvorsorge mit geringem Verwaltungsaufwand organisieren lasse. Richtig ist zweifellos, dass der Anteil der Verwaltungs- und Verfahrenskosten an den Ausgaben der GRV mit 1,3% niedrig ausfällt. „Allerdings wäre es ein Trugschluss, daraus zu folgern, dass dies in gleicher Weise gelten würde, wenn die GRV-Träger einer durch freiwillige Beiträge finanzierten Zusatzvorsorge würde“, schreibt Gunkel.
Denn dann würden viele Vorteile, die für den geringen Verwaltungs- und Verfahrenskostenanteil in der GRV maßgeblich sind, nicht mehr gelten. Insbesondere würde der Beitragseinzug deutlich verwaltungsaufwändiger. So wäre die Einbeziehung in das straff organisierte Beitragseinzugsverfahren der Pflichtversicherten nicht möglich, da individuelle Wünsche berücksichtigt und auch gesonderte Beitragskonten aufgebaut werden müssten.
Geht auch ohne GRV
Zu den erhofften Vorteilen durch freiwillige GRV-Beiträge zählen vor allem geringe Verwaltungskosten (nicht möglich), fehlende Gewinnerzielungsabsicht, die Absicherung aller biometrischer Risiken (nicht bezahlbar) und eine attraktive Rendite (unwahrscheinlich). All diese Ziele ließen sich aber hervorragend über die bAV erreichen, so Gunkel. Gerade die Tarifvertragsparteien in der Chemie, bei Privatbanken und in der Energiewirtschaft haben es mit ihren neuen Sozialpartnermodellen selbst in der Hand, für die Beschäftigten eine renditestarke und kostengünstige Altersvorsorge zu organisieren. „Der GRV bedarf es dafür nicht“, ist Gunkel überzeugt.
Soweit zu den beiden Artikeln in der aktuellen BetrAV.
Südwesten: Der arme Prophet
Der Prophet im eigenen Haus scheint der IG Metall nichts zu gelten. Dabei hatten sich die Metallgewerkschaftler Baden-Württembergs für die Einführung der reinen Beitragszusage in ihrer Industrie fachlich enorm ins Zeug gelegt.
Dennoch wurde die Entwicklung eines weit gediehenen SPM zwischen Südwestmetall und der IG Metall-Baden-Württemberg jäh gestoppt, obwohl schon ein verbindliches Verhandlungsergebnis der IG Metall Baden-Württemberg vorlag, dem auch der Vorstand der IG Metall zugestimmt hatte.
Mit dem „Abschlussbericht Sozialpartnermodell: Für ein gutes Leben – auch in der Rente“ hatte die IG Metall Baden-Württemberg gar eine regelrechte Blaupause für gute Sozialpartnermodelle geliefert.
Verglichen mit den üblichen Versicherungsprodukten sei nicht nur ein rentierlicheres bAV-System entwickelt worden, „obendrein ist es insgesamt vor allem für den Einzelnen ohne formale Sicherheiten wertstabiler als etwas die BZML oder die boLZ“, heißt es im Bericht – und das bereits bei einem Kollektiv von 50.000 Versicherten mit einem jährlichen Zuwachs von 5.000 Versicherten.
Laut Bericht bescheinigte die BaFin dem Projekt einen sehr effektiven Sicherungsmechanismus. Trotz konservativer Anlagestrategie mit 4,82% Durchschnittsrendite würden die Sicherungsziele erreicht und höhere Startrenten als mit Direktversicherungen erzielt, zeigen Simulationsrechnungen einer ALM-Studie von 2023. In einer Simulation der Rendite ab 2025 mit 1.000 Kapitalmarktszenarien über 80 Jahre hatte WTW errechnet, dass der Sicherungspuffer nur moderat genutzt und keine Renten oder Versorgungen abgesenkt werden müssten.
Fazit von PENSIONS●INDUSTRIES
Die Fakten des Berichtes aus dem eigenen Südwesten scheinen zahlreiche führende Gewerkschaftsvertreter weiter nicht anzufechten. Sie bleiben mach wie vor der Ideologie des vorletzten Jahrhunderts verhaftet, die da auch im Beschluss des Gewerkschaftstages zum Ausdruck kommt, wenn es heißt:
„Partizipation für Beschäftigte am Kapitalmarkt ist dringender denn je.“
„Der grundsätzliche Gegensatz der Interessen von Kapital und Arbeit bedeutet am Aktienmarkt in der Regel: Was gut ist für die Arbeits- und Entgeltbedingungen der Beschäftigten, ist zum Nachteil für die Aktionäre – und umgekehrt. Dieser Interessengegensatz wird durch die Verknüpfung von Alterseinkommen und Finanzmarktentwicklungen nur scheinbar aufgelöst. In Wahrheit überwiegen für Beschäftigten und Rentner die Nachteile boomender Aktienkurse die Vorteile rentierlich angelegte Rentenanwartschaften bei weitem.“
Was soll man dazu sagen? Partizipation für Beschäftigte am Kapitalmarkt ist faktisch dringender denn je – dazu zwingen dramatische demografische Entwicklungen ebenso wie die schon aktuell dramatische Finanzlage der GRV. Wer ernsthaft glaubt, mit freiwilligen Zusatzbeiträgen ein System zu stützen, das schon heute auf die erwähnten 130 Mrd. Euro Bundeszuschuss p.a. angewiesen ist – Tendenz steigend, und durch erweiterte freiwillige Beitragszahlungen umso mehr –, sollte einfach mal den Taschenrechner mit dem Demographie-Taste benutzen, um auszurechnen, wann das System kollabiert.
Zudem schafft ein Umlagesystem naturgemäß keine Renditen im herkömmlichen Sinn, da die Beitragseinnahmen zeitnah nahezu vollständig in die Rentenzahlungen fließen und die Differenz der Barwerte null ist. Zudem sind freiwillige Beiträge allenfalls kurzfristig und nur für Besserverdiener eine Option. Wer kann sich schon Ausgleichszahlungen von 8.000 Euro und mehr für einen einzigen Entgeltpunkt leisten?
Besonders krude erscheint der angedachte Switch der Zusatzbeiträge. Erst sollen sie ins Umlagesystem eingezahlt werden, dann zwischenzeitlich kapitalmarktnah für „temporär zusätzliche Liquidität“ angelegt und von der Bundesbank verwaltet werden, ehe das Kapital später erneut ins Umlagesystem fließt. Das lässt sich für Außenstehende eigentlich nur so verstehen: Mit der Soli-Rente Plus werden Entgeltpunkte erworben, die Beiträge fließen aber zunächst in einen eigenen Kapitalstock, der von der Bundesbank angelegt werden soll. Ziel scheint es zu sein, aus diesem Kapitalstock die später auszuzahlenden zusätzlichen Renten, basierend auf den zusätzlichen Entgeltpunkten, zu finanzieren. Aber was ist, wenn das nicht gelingt? Dann sind auch alle Pflichtmitglieder, die keine Zusatzbeiträge gezahlt haben, Ausfallbürgen – siehe Gunkel.
Daher muss weiter gelten: Ein umlagefinanziertes System darf nur ein Pflichtsystem sein, Freiwilligkeit hat da nichts zu suchen. Nicht zuletzt deswegen war ja die frühere Möglichkeit zur Höherversicherung in der GRV zum 1. Januar 1998 abgeschafft worden. Insofern erstaunt es nicht, das aba-Geschäftsführer Klaus Stiefermann in einem Gespräch mit dem Autor sagt: „Die Verwendung eines Altersvorsorgevermögens zum Erwerb von Entgeltpunkten in der GRV ist äußerst bedenklich und würde die Versichertengemeinschaft potenziell zusätzlich belasten.“
Da scheint die SPM-Idee weitaus zukunftsfähiger, zumal sich die Sozialpartner an der Durchführung und Steuerung beteiligen müssen. Das betrifft auch und gerade die Rahmenbedingungen der Kapitalanlage. „Die Kapitaldeckung hat sich im Rahmen der bAV bewährt“, schreiben Judith Kerschbaumer und Norbert Reuter von Bundesverwaltung der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, in einem weiteren Artikel der besagten aba-Zeitschrift „BetrAVG“, Ausgabe 2/24 (deren Artikel ursprünglich erschienen in: Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung – VJH). Unter dem Titel „Sozialpartnerschaftlich gestaltete Altersversorgung“ brechen sie aus gewerkschaftlicher Sicht eine Lanze für das SPM. Hohe Garantien und hohe Renditen schlössen sich in Zeiten eines volatilen Zinsumfeldes aus, stellen die Autoren zurecht fest. Es erstaunt daher nicht, wenn Simulationen seitens durchführender Einrichtungen zeigen, dass bei gleicher Beitragshistorie die Rentenhöhe im Sozialpartnermodell nahezu doppelt so hoch sein kann wie zuletzt in der klassischen Lebensversicherung mit der Restriktion eines geringen Garantiezinses.
Warum das bei der IG Metall und offensichtlich auch in manchen Bereichen von ver.di ignoriert wird, erschließt sich Außenstehenden nicht, zumal ja von den Gewerkschaften die Interessen der Arbeitnehmer für auskömmliche bAV vertreten werden sollen.
Wie dem auch sei: Wer Angst vor dem Kapitalmarkt schürt mit dem Ziel der Stützung der Rentenkasse mit freiwilligen Beiträgen, erweist seiner Klientel einen Bärendienst. Das galt für die vergangenen Jahrzehnte (in denen es dieses seinerzeit sehr starke und gesunde Land verpasst hat, sich auch rentenpolitisch mit einem „norwegischen“ Pensionsfonds wetterfest zu machen), das gilt für die Gegenwart. Und das gilt allemal für die Zukunft.
Mehr zu dem zur vorletzten Zwischen-Headline anregenden Kulturstück findet sich hier.