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Wachstumschancen-Gesetz:

Eine Chance für das Wachstum?

Der Bundesrat hat nach langem hin und her am 22. März das Wachstumschancengesetz gebilligt. Auch die bAV ist – punktuell – betroffen. Martin Knappstein und Dmitrij Heimann werfen einen Blick auf die Regelungen zur Altersversorgung, die von dem Artikelgesetz erfasst werden – und ordnen die Wirkungen ein.

Martin Knappstein, Heubeck AG.

Als Artikelgesetz befasst sich das Wachstumschancen-Gesetz mit diversen steuerrechtlichen Neuregelungen von A wie „Abschreibungen“ bis Z wie „Zinsschranke“. Die Altersversorgung spielt insgesamt nur eine untergeordnete Rolle. Wer den ganz großen steuerlichen Wurf für die bAV erwartet hat, wird enttäuscht. Im Gegenteil: Eine neue Bestimmung im Gesetz kann für Arbeitnehmer tatsächlich zu mehr Aufwand und möglicherweise auch zu finanziellen Nachteilen führen.

Übergangsphase auf volle Besteuerung wird gestreckt

Die wohl relevantesten Änderungen zur Altersversorgung betreffen die Streckung der Übergangsphase auf die volle nachgelagerte Besteuerung. Hierfür müssen mehrere Vorschriften geändert werden, damit der Übergang systematisch widerspruchsfrei funktioniert:

• In der gesetzlichen Rentenversicherung sowie der weiteren Altersversorgung in der Säule 1 (Basis-Absicherung) wird der Anstieg des Besteuerungsanteils für jeden neuen Renteneintrittsjahrgang auf einen halben Prozentpunkt jährlich reduziert. Die Besteuerung von 100% wird dann nicht mehr 2040, sondern erst 2058 erreicht.

• Der Versorgungsfreibetrag (für Leistungen aus Direktzusage und Unterstützungskasse) sinkt jährlich um 0,4 Prozentpunkte (bisher 0,8 Prozentpunkte), entsprechend sinkt auch die betragsmäßige Abschmelzung der Höchstbeträge um die Hälfte. Die schwarze Null wird hier ebenfalls erst 2058 erreicht.

• Der Altersentlastungsbetrag (soweit noch nicht anderweitig verbraucht, gilt er insb. für Leistungen aus einer nachgelagert besteuerten Direktversicherung, Pensionskasse oder Pensionsfonds) wird ebenfalls langsamer abgeschmolzen. Auch hier wird der Betrag im Jahr 2058 erstmals bei 0 Euro liegen.

Abschaffung der Fünftelungsregelung im Lohnsteuerverfahren

Etwas außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung wurde darüber hinaus auch die Abschaffung der Fünftelungsregelung direkt im Lohnsteuerverfahren (§ 39b Abs. 3 Satz 9 und 10 EStG) ab dem Jahr 2025 beschlossen. Der Versorgungsberechtigte muss sich um den Vorteil aus der diesbezüglichen Progressionsminderung – in nicht wenigen Fällen ein fünfstelliger Betrag – künftig im Rahmen der späteren Einkommensteuererklärung selbst kümmern.

Bewertung

Dmitrij Heimann, Heubeck AG:

Die Auswirkungen der geänderten Freibetragsabschmelzung sind für rentennahe und besonders rentenferne Jahrgänge am geringsten. So hat die verlangsamte Abschmelzung des Versorgungsfreibetrags eine Reduzierung der steuerpflichtigen Versorgungsbezüge aus Direktzusagen und Unterstützungskassen im Jahr 2025 von maximal 117 Euro p.a. zur Folge. Bei einer unterstellten Grenzsteuerbelastung von 30% liegt der Vorteil dann bei knapp 3 Euro pro Monat.

Besser sieht das für Rentenbezieher aus, die 2040 in Rente gehen. Hier reduziert sich der steuerpflichtige Teil maximal um 702 Euro gegenüber dem Status Quo, bei gleichem Grenzsteuersatz immerhin ein monatlicher Vorteil von über 17 Euro.

Insgesamt ist es natürlich zu begrüßen, wenn die Steuerlast auf die Altersversorgung sinkt. Mehr Netto vom Brutto zu behalten, hat schließlich noch nie geschadet. Es steht aber zu bezweifeln, dass die Versorgungsberechtigten diese Wohltat wegen des langen Zeithorizonts, der relativ geringen Auswirkungen und weiterer Unwägbarkeiten im Steuerrecht wirklich zu schätzen wissen.

Problematischer ist dann schon die Neuregelung bei der Fünftelungsregelung. Wenn die Auszahlung einer Kapitalleistung im Januar erfolgt (was je nach Fall aufgrund des progressiven Steuertarifs auch dann sinnvoll sein kann, wenn der Versorgungsberechtigte schon im Jahr zuvor das Rentenalter erreicht hat), dann wird der Versorgungsberechtigte eine Erstattung der zu viel entrichteten Steuer nicht selten erst 18-24 Monate nach der Auszahlung beanspruchen können.

 

Ob da nicht doch der eine oder andere Steuermuffel eingeplant wurde?“

 

Weiterhin ist nicht auszuschließen, dass sich manch ein Rentner nicht die Mühe macht, eine Einkommensteuererklärung abzugeben. Gerade bei geringeren Kapitalauszahlungen dürfte der eine oder andere Versorgungsempfänger die Bürde der Steuererklärung scheuen, wenn er nicht veranlagungspflichtig ist. In jedem Fall müsste ihn jemand über den Nutzen einer Steuererklärung im speziellen Fall informieren. Hier kommt eigentlich nur der Arbeitgeber in Frage.

Der Gesetzgeber geht – mit Ausnahme von der zeitlichen Verschiebung – von einer aufkommensneutralen Maßnahme aus. Ob da nicht doch der eine oder andere Steuermuffel eingeplant wurde?

Im Vermittlungsausschuss wurde die erstmalige Anwendung ab 2025 vereinbart, wohl auch, weil eine rückwirkende Anwendung größte Probleme verursacht hätte. Es ist aber gleichwohl davon auszugehen, dass künftig bei den Arbeitgebern Rückfragen (insb. seitens der Arbeitnehmer) entstehen. Insofern dürfte die Entlastung der Arbeitgeber von den bürokratischen Hürden des bisherigen Lohnsteuerverfahrens (eben dies ist der Grund für die Maßnahme des Gesetzgebers) durch den Umgang mit den Rückfragen der Arbeitnehmer teilkompensiert werden.

Eine weitere steuerliche Vereinfachung – z.B. eine Vereinheitlichung der nachgelagerten Besteuerung, eine Angleichung der Bedingungen oder der Beträge aus den §§ 19 und 24a EStG – wäre eine echte bürokratische Entlastung nicht nur für Arbeitgeber gewesen, sondern auch für Versorgungsempfänger. Man darf aber nicht zu viel erwarten. Die Freibeträge sind Auslaufmodelle, und in 34 Jahren ist damit schon Schluss. Vor dem Hintergrund sind Regelungen, die gleichermaßen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bevorteilen, sicher zu viel gefordert.

Die Autoren:

Martin Knappstein ist Steuerberater bei der Heubeck AG in Köln.

Dmitrij Heimann ist Rechtsanwalt bei der Heubeck AG in Köln.

Von ihnen und anderen Autorinnen und Autoren der Heubeck AG sind zwischenzeitlich auf PENSIONSINDUSTRIES erschienen:

Wachstumschancen-Gesetz:
Eine Chance für das Wachstum?
von Martin Knappstein und Dmitrij Heimann, 26. April 2024

DAV/DGVFM-Jahrestagung 2023 in Dresden (VI):
Reden wir über unsere Generation
von Katja Jucht und Kai Spier, 17. Juli 2023

Heubeck-Kolloquium 2022:
Von langen Wegen, kurzen Läufern und Alleskönnern
von Martin Knappstein und René Kublank, 22. November 2022

15. IVS-Forum:
Von Widerspruch, Politik und Passgenauigkeit
Dr. Christoph Poplutz und Daniel Fröhn, 4. November 2021

Konkretisierungen aus der Wilhelmstraße:
Klar, unklar, Vorfreude
von Martin Knappstein, 21. September 2021

BAG zur Einstandspflicht des Arbeitgebers:
Abgerechnet wird zum Schluss
von Alexander Bauer, 21. Juli 2020

BAG urteilt zum 16er:
In der Praxis meist erfüllt …
von Alexander Bauer, 26. Mai 2020

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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