Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

aba-Pensionskassentagung (II):

Funding for nothing?

Stresstestentstressung stand in Bonn auf der Agenda, ebenso wie die Weltwirtschaft, die Kooperation von BaFin und aba in Sachen Bedeckungsvorschriften und wie hier eine Reform aussehen könnte, der Umgang mit der ERB und schließlich die Möglichkeiten, Startrenten zu verbessern. Bianca Ermer, Rainer Goldbach und Andreas Kopf waren dabei. Heute Teil II einer insgesamt dreiteiligen Berichterstattung.

Bonn, 29. September, jährliche aba-Tagung der Fachvereinigung Pensionskassen, hybrid, nachdem der erste, sehr kurze Teil der mehrteiligen Berichterstattung zur aba-Pensionskassentagung bereits direkt nach der Tagung auf LEITERbAV hier erschien, heute nun die ausführliche Berichterstattung, die ins Detail der Vorträge geht (alle Aussagen im Indikativ der Referenten).

Juergen Rings, Hoechster Penka.

Jürgen Rings, Leiter der aba-Fachvereinigung Pensionskassen sowie Chef der Penka Hoechst und der Höchster Penka, unternimmt unmittelbar in medias res einen Rundblick zu aktuellen Pensionskassen-Themen:

Hierzu zählen die Kapitalanlagen, deren Ertragserwartung sich aufgrund der aktuellen europäischen/weltweiten Geldpolitik deutlich verändert hat. Während die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen tendenziell in Richtung 3% steigen, werden bestehende festverzinsliche Anlagen aufgrund von Marktwertrückgängen mit der Gefahr eventueller Abschreibungen sowie Immobilienanlagen durch die gestiegenen Zinsen belastet. Ebenso erfahren Aktien einen gewissen Rücksetzungseffekt.

Mit Blick auf die Planungen des BMAS zu „Anlagemöglichkeiten mit höheren Renditen“ und „mehr Flexibilität für die Pensionskassen“ hat die aba bereits Vorschläge zu folgenden Themen unterbreitet:

  • Flexibilisierung von Bedeckungsvorschriften

  • Weiterentwicklung der Anlageverordnung

  • Anpassung des BaFin-Stresstests.

Seine Einführung schließt Rings kurz und knapp mit den für die bAV positiv zu wertenden Empfehlungen der Fokusgruppe private Altersversorgung, die da lauten:

  • Kein öffentlich verantworteter Altersvorsorgefonds

  • Ausbau der Geringverdienerförderung in der bAV

  • Nutzbarmachung bestimmter Formen der Förderung sowohl für die private Vorsorge als auch die bAV (vgl. Riester).

Bantleon: Europa zwischen den USA und China

Daniel Hartmann, Bantleon.

Daniel Hartmann, Chefvolkswirt der Bantleon AG in Zürich, startet die Fachvorträge mit – zwar nicht auf PK zugeschnittenen – aber dennoch für die PK-Kapitalanlage relevanten Themen: Inflation und weltweites „Decoupling“ (Fragmentierung der Weltwirtschaft infolge teilweiser Umkehr früherer Globalisierung oder kurz: „Die Welt zerfällt in Blöcke“).

Zur Inflation: Hartmann zufolge werden wir es in den nächsten zehn Jahren in der Eurozone mit einer durchschnittlichen Inflation von 2,5% bis 3% zu tun haben, die damit rund einen Prozentpunkt höher ausfällt als in den vergangenen 20 Jahren.

Ursachen sind die fünf „D“: Herausforderungen der Digitalisierung, demografischer Wandel, aktuelle Defizitkultur, Dekarbonisierung sowie die erwähnte Deglobalisierung. Insbesondere Letztere schadet dem Wirtschaftswachstum und treibt die Inflation voran:

Dadurch, dass sich die verflochtenen Wirtschaftsregionen auseinanderentwickeln, kommt es zu teuren Doppelproduktionen – Beispiel Chip-Produktion –, fehlendem Entwicklungsaustausch sowie teuren Fehlallokationen bzw. Standortförderungen. Für die EU und Deutschland als Exportnation treten Rohstoffabhängigkeit und teure Produktionsstandorte mit hohen Energiepreisen hinzu. Außerdem droht der Abstieg im Fahrzeugbau. Der Verbrennungsmotor ist ein Auslaufmodell, und beim E-Auto dominiert aktuell China die Wertschöpfungskette, von den Komponenten bis hin zur kompletten E-Auto-Produktion.

 

Auch China und die USA sind für Investitionen

nicht zwangsläufig das beste Ziel.“

 

Hartmann sieht dennoch Chancen für die europäische Wirtschaft und nennt hier den Aufbau einer eigenen Batterieproduktion und eine mögliche Vorreiterrolle bei erneuerbaren Energien. Auch im Vergleich zu den USA sieht er Europa als durchaus investierbar an:

So prognostiziert er dem US-Aktienmarkt künftig nur noch „magere“ Renditen von 0-4%, sieht das Dollarprivileg aufgrund zunehmender Umgehung des USD als Handelswährung einiger Länder infrage gestellt und erkennt Risiken vor allem in der stark wachsenden Verschuldung der USA mit der Gefahr des De-Ratings.

Auch China ist für Investitionen nicht zwangsläufig das beste Ziel: Vor allem das Risiko für erfolgreiche Unternehmen, jederzeit mit Strafen oder Abgaben belegt zu werden, dürfte Investoren abschrecken.

Mit Blick auf das Asset-Management lautet Hartmanns Fazit: 1. Beobachtung der Handelsbilanzsalden und Produktivitätskennzahlen dahingehend, ob Europa die Kehrtwende gelingt. 2. Suche nach „Hidden Champions“ unter den Schwellenländern, in die investiert werden kann, anhand von Kriterien wie Wachstumspotenzial, Anteil der Industrie an der Wertschöpfung, Rohstoffreichtum oder Stabilität. 3. Geringere Aktienrenditen u.a. aufgrund des weltweiten Decouplings und wachsendem Kostendruck. 4. Notwendigkeit eines aktiven Asset Managements. 5. Unternehmensanleihen und Linker als mögliche attraktive Alternativen in der Asset Allocation.

BaFin: „Die Knete muss da sein – wenn sie gebraucht wird“

Günther Weißenfels erläutert die in Zusammenarbeit von BaFin und aba ausgearbeiteten möglichen Anpassungen bei den Bedeckungsanforderungen:

Die bisherige Anforderung der jederzeitigen Bedeckung der Verpflichtung mit Vermögenswerten zu Buchwerten umschreibt der Leiter Grundsatzreferat PK-/PF-Aufsicht der BaFin dabei treffend mit: „Die Knete muss da sein.“ Dass aufgrund beschränkter Storno-Möglichkeiten in der bAV ein „Bank Run“ in Form eines vorzeitigen großen Kapitalabflusses nahezu ausgeschlossen ist und damit eine jederzeitige Bedeckung nicht zwingend notwendig erscheint, sieht die Aufsicht aber auch; eine Lockerung der Bedeckungsvorschrift für Pensionskassen mit sog. Sanierungsklausel könnte eine ertragreichere Kapitalanlage ermöglichen und so die Finanzsituation der Kassen stärken.

 

Eigenmittel- und Bilanzierungsvorschriften

sollen unverändert weitergelten.“

 

Weißenfels macht aber ebenso deutlich, dass die Möglichkeit einer temporären Unterdeckung beim Sicherungsvermögen keine Auswirkungen auf die bilanziellen Anforderungen haben darf. So sollen Eigenmittel- und Bilanzierungsvorschriften unverändert weitergelten.

Günther Weißenfels, BaFin.

Der von aba und Aufsicht gemeinsam ausgearbeitete Gesetzentwurf, der dem BMF vorgelegt wurde, orientiert sich an der für Pensionsfonds geltenden Regelung des § 239 Abs. 3 VAG: Basis der gesetzlichen Neuregelung soll eine Vereinbarung zwischen Pensionskasse und Trägerunternehmen zur bedingten Bereitstellung von Finanzmitteln bei Unterdeckung sein. Ein sich daraus ergebender Anspruch wird als Forderung bilanziert und damit die Erfüllung der Solvabilitätsanforderungen sichergestellt.

Eine solche Vereinbarung (Bedeckungsplan) muss zwingend regeln, wie die Forderung sukzessive in für das Sicherungsvermögen qualifizierende Kapitalanlagen umgewandelt wird. Dabei darf sich der Zeitraum der Auffüllung auf höchstens zehn Jahre mit mindestens jährlichen, aber nicht steigenden Raten erstrecken. Im Zeitablauf auftretende Wertaufholungen bei der Kapitalanlage können auf die Raten angerechnet werden, so dass eine Verbesserung der finanziellen Lage der Kasse auch zu einem Aussetzen der Zahlung führen kann.

Abschließend fasst Weißenfels die solcherart geänderten Bedeckungsvorschriften prägnant zusammen mit: „Die Knete muss da sein – wenn sie gebraucht wird.“

Bayer: Ziele und Erfordernisse

Stefan Nellshen, Bayer AG.

Weitere Details hält Stefan Nellshen bereit und beleuchtet das Thema aus Sicht der Pensionskasse:

Der Chef der Bayer Pensionskasse hebt den im Koalitionsvertrag festgelegten politischen Willen zur verstärkten Anlage in sog. Wachstums-Assets hervor und stellt heraus, dass insb. die mangelnde Risikotragfähigkeit der Einrichtungen hier bislang ein Hindernis darstellt.

Nellshen weist dabei auf seine – durchaus mathematische und statistisch komplexe – Veröffentlichung in der BetrAV 04/2016 hin, wonach im Hinblick auf eine Optimierung der Wahrscheinlichkeit, alle Leistungen bei Fälligkeit erbringen zu können, die aktuelle 100%-Bedeckungsanforderung als nicht optimal anzusehen ist.

Auch Nellshen hebt die aus Pensionskassensicht zentralen Ziele und Erfordernisse der angestrebten Gesetzesänderung hervor: Anrechenbarkeit des Bedeckungsplans im Rahmen der Risikotragfähigkeit, insb. eine Berücksichtigung im Stresstest bzw. der BaFin-PK-Prognoserechnung sowie die Möglichkeit, im Rahmen des Bedeckungsplans Darlehen der Trägerunternehmen, bspw. in Form eines nachträglichen Gründungsstocks, vorzusehen.

Andernfalls dürfte bei Pensionskassen mit mehreren Trägerunternehmen die Bereitschaft bei den Trägern fehlen, dem Kollektiv Mittel bereitzustellen.

 

In der Praxis wäre es sinnvoll,

bereits eine Standby-Vereinbarung abzuschließen.“

 

Auch hilfreich wäre eine Beschränkungsmöglichkeit auf bestimmte Abrechnungsverbände, um zwischen notleidenden und finanziell gut ausgestatteten Tarifen differenzieren zu können.

Als weitere zentrale Rahmenbedingungen für die Lockerung der Bedeckungsvorschriften bei Vorliegen eines Bedeckungsplans nennt Mathematiker Nellshen u.a., dass eine temporäre Unterdeckung von maximal 10% der Deckungsrückstellung erlaubt sein sollte; bei darüber hinaus gehender Unterdeckung wäre der verbleibende Betrag sofort einzuzahlen. Auch müssten BaFin und PSV in einem solchen Falle der temporären Unterdeckung informiert werden. Für die Praxis wäre es daher sinnvoll, nicht nur einen Muster-Bedeckungsplan auf Vorrat bereit zu halten, sondern bereits vorher eine Standby-Vereinbarung abzuschließen.

Die Umsetzung könnte nach Vorstellung der aba durch Ergänzung des derzeitigen § 234 VAG durch einen neuen Abs. 8 erfolgen, den Nellshen präsentiert und der dem BMF bereits vorgeschlagen wurde.

Trotz des intensiven Austauschs zwischen aba und BaFin ist die mögliche Umsetzung ins Gesetz derzeit noch offen. Gleiches gilt für damit zusammenhängende technische Fragen (z.B. Erfassung der Forderung im versicherungstechnischen oder sonstigen Ergebnis, damit Fehlbetrag gar nicht erst entsteht), schließt der Referent.

Soka-Bau: Stresstest entstressen

Christoph Kiehn, SOKA-Bau.

In einem zweiten Teil zum Fachdialog Betriebsrente stellt Christoph Kiehn Ansätze dar, wie – unabhängig von der Möglichkeit temporärer Unterdeckungen – der BaFin-Stresstest angepasst werden könnte, um eine flexiblere Kapitalanlage zu ermöglichen. Denn selbst wenn die Bedeutung des Stresstests im Vergleich zur Prognoserechnung im Aufsichtsregime tendenziell nachgelassen haben sollte, gilt dies nicht in der öffentlichen Wahrnehmung:

Eine erste mögliche Anpassung sieht der Bereichsleiter Finanzen und Risiko der Soka-Bau darin, das Ergebnis vor Berücksichtigung der Solvabilitätskapital-Anforderung zusätzlich anzugeben und den Stresstest auch dann als bestanden anzusehen, wenn dieses Ergebnis positiv ist, denn die Solva ist ihrem Wesen nach ja gerade als Schwankungspuffer gedacht und müsste daher „nach Stress“ nicht stets vollständig bedeckt sein.

 

Ist die unreflektierte Zuordnung von Private Equity,

Debt und Infrastruktur zum Aktienstress immer sinnvoll?“

 

Weiterhin könnte angedacht werden, die „Aktien-Verzinsung“ bei der Fortschreibung der Aktiva nicht grundsätzlich auszublenden, sondern mit der Dividenden-, ggf. auch der Kursrendite anzunehmen. Zudem würden die Stressfaktoren aus der seit Einführung 2009 i.w. unveränderten Tabelle heute inflationsbereinigt wesentlich kleiner ausfallen. Und schließlich hinterfragt Kiehn, ob die unreflektierte Zuordnung von Private Equity, Debt und Infrastruktur zum Aktienstress immer sinnvoll ist, und regt eine flexiblere Handhabung an.

Meyerthole Siems Kohlruss: Wie weiter bei der ERB?

Marion Beiderhase, Meyerthole Siems Kohlruss.

Anschließend gehen Marion Beiderhase und Maxym Shyian, beide leitende Berater bei Meyerthole Siems Kohlruss, Gesellschaft für aktuarielle Beratung mbH, in ihrem Vortrag auf die ERB der Pensionskassen ein. Ihr fachlicher Hintergrund liegt auch in der Befassung mit dem Thema ORSA unter Solvency II, sie haben sich aufgrund der weitgehenden Vergleichbarkeit im Rahmenwerk und in den rechtlichen Anforderungen sukzessive in das Risikomanagement von Pensionskassen unter EbAV II weiterentwickelt:

Beiderhase erwähnt zunächst die zeitliche Abfolge von der Veröffentlichung der MaGo für EbAV und der BaFin-Hinweise hierzu bis zur gestaffelten Abgabe der ERB-Berichte für die erste Gruppe der Kassen (mit Bilanzsumme größer 1 Mrd. Euro bzw. Pensionskassen unter intensivierter Aufsicht oder mit besonderen Berichtspflichten) bzw. der zweiten Gruppe (alle anderen) im September 2021 bzw. September 2022.

 

Die BaFin-Auswertung der vorgelegten

ERB-Berichte war ernüchternd.“

 

Zentrales Element der ERB ist die Beurteilung des gesamten Finanzierungsbedarfs, wobei alle Risiken über mindestens fünf Jahre zu quantifizieren sind, neben dem Planszenario der Fokus auf individuellen Stressszenarien liegt und eine Rückkopplung in die Geschäftsprozesse erfolgen soll. Der Finanzierungsbedarf ist dabei anhand der Bedeckung der versicherungstechnischen Passiva, der Einhaltung der Solvabilitätsvorschriften und dem Verlustpotenzial aus den wesentlichen Risiken zu beurteilen und dem Risikodeckungspotenzial aus Eigenmitteln A und B, Reserven und ggf. der RfB gegenüberzustellen.

Die BaFin-Auswertung der vorgelegten ERB-Berichte war bisher insofern ernüchternd, als in 90% der Fälle Korrekturen oder Ergänzungen gefordert wurden, insb. weil keine Aussagen zur Datenqualität getroffen wurden, der Prognosezeitraum von fünf Jahren und die Anforderungen zur Übersichtlichkeit, Begründung, Vollständigkeit und Stresstests (insb. zum Thema Nachhaltigkeit) nicht eingehalten wurden.

Ein besonderes Augenmerk hatte die BaFin darauf gelegt, wie die Ergebnisse der ERB auf die Unternehmenssteuerung im Hinblick auf die Geschäfts- und Risikostrategie rückwirken. Nachbesserungen zu all diesen Punkten sind für die nächste turnusmäßige Erstellung der ERB-Berichte bis September 2024 (erste Gruppe) bzw. September 2025 (zweite Gruppe) unvermeidlich.

Maxym Shyian, Meyerthole Siems Kohlruss.

Shyian beleuchtet nachfolgend die Zinsentwicklung und Nachhaltigkeitsrisiken als zwei wesentliche Faktoren, die derzeit Chancen bieten, aber auch Herausforderungen darstellen. So führt der schnelle Zinsanstieg einerseits zum Verlust stiller Reserven in den Kapitalanlagen, gefährdet die Bedeckung des Sicherungsvermögens zu Zeitwerten und verringert potentiell das Risikodeckungskapital.

Andererseits ist der Rechnungszins wieder leichter erreichbar, die Risikosituation wird entlastet, und der Fokus in der Kapitalanlage wird sich in Richtung festverzinslicher Anlagen verschieben.

Mit Blick auf Nachhaltigkeitsrisiken sieht die BaFin derzeit Defizite in den ERB-Berichten. Shyian nennt als mögliches Szenario hierfür das Modell einer „Delayed Transition“ (Umsetzung klimapolitischer Maßnahmen verzögert sich bis 2030, erfolgt dann aber abrupt in Form einer höheren CO2-Bepreisung so, dass die globale Erwärmung bis 2100 auf 1,8°C beschränkt bleibt) und führt aus, dass dazu das NGFS (Network for Greening the Financial System) ein Parameter-Set an resultierenden Aktienmarktverlusten entwickelt hat, das für ein Stressszenario zugrunde gelegt werden kann. Dieses Parameter-Set lässt sich auch verwenden, um Marktwertverluste für festverzinsliche Titel abzuleiten.

Ergänzt wird dies durch eine Gewichtung der Bundesbank, wie stark einzelne Wirtschaftszweige von Marktwertverlusten aufgrund des Klimawandels betroffen sein werden. Anhand dessen lässt sich ausgehend von einer Projektionsrechnung der Plan-Bilanzen und -GuV die Veränderung der Risikotragfähigkeit im Stress-Szenario ableiten, schließen die Referenten.

Aon: Müssen die Startrenten niedrig bleiben?

Rainer Goldbach, Aon.

Im nachfolgenden Beitrag geht Rainer Goldbach, Partner bei Aon und einer der Autoren dieses Beitrages, auf Möglichkeiten und Grenzen alternativer Leistungsformen bei Pensionskassen ein:

Der Aktuar führt zunächst aus, dass das Absinken der Höchstrechnungszinssätze nach DeckRV einen entsprechenden Rückgang der Kalkulationszinsen in für den Neuzugang offenen Tarifen ausgelöst hat. Die derzeitige Erholung des Marktzinsniveaus wird insoweit ein erhöhtes Überschusspotenzial eröffnen. Fraglich ist aber, wann und ob überhaupt sich daraus wieder höhere tarifliche Kalkulationszinsen ergeben.

Aus Sicht der Begünstigten führt aber eine Verrentung mit niedrigerem tariflichen Rechnungszins zu deutlich geringeren Startrenten, die selbst bei gleicher Gesamtverzinsung aus Rechnungszins und Überschüssen eine höhere Startrente aufgrund eines höheren Rechnungszinses durch nachfolgende Überschussverteilungen erst allmählich einholen und in hohen Altern überholen werden. Dies ist angesichts der Diskussion um Rentenniveau oder Altersarmut problematisch und motiviert die nachfolgenden Überlegungen, wie durch eine Flexibilisierung der Tarif- bzw. Überschuss-Leistungen höhere Startrenten darstellbar sind.

So könnte ein Teil des bei Rentenbeginn vorhandenen Kapitals als Rate ausgezahlt und nur der Restbetrag verrentet werden, wobei Überschüsse – auch solche auf den Restwert der Raten – ausschließlich zur Erhöhung der Rente verwendet würden.

Durch Variation des Kapitalanteils, der für die Ratenzahlung verwendet wird, der Anzahl und Höhe der Raten und des Beginnalters der Rente lassen sich alternative Leistungsverläufe modellieren, die jeweils eine höhere Startrente erlauben, aber im Zeitverlauf bei nicht konstant hoher Überschussverteilung das Risiko eines zumindest temporären Rückgangs der Leistungen mit sich bringen.

 

Eine Pufferbildung von Überschüssen

zur Glättung der Leistungen

ist bei Pensionskassen problematisch.“

 

Weiterhin könnten Überschüsse anders als nur zur Erhöhung der lebenslang laufenden Rente verwendet werden. Gestaltungsparameter sind insoweit der Anteil des anders verwendeten Überschusses, der Grad des Vorziehens bzw. der zeitlichen Streckung (sofortige Ausschüttung oder Verwendung für befristete Leistungen) und ggf. die Einbeziehung künftiger Überschüsse. Eine Pufferbildung von Überschüssen zur Glättung der Leistungen, wie sie neuere wertpapiergebundene Direktzusagen vorsehen, ist jedoch im Bereich der Pensionskassen problematisch.

Anschließend geht Goldbach auf mögliche Fallstricke ein, die eine Umsetzung dieser Ideen einschränken könnten. So sieht die Definition von Auszahlungsplänen in § 82 Abs. 2 EStG zwar grundsätzlich Ratenzahlungen mit anschließender Restkapitalverrentung vor, verlangt aber gleichbleibende oder steigende Leistungen, was jedoch in der analogen Vorschrift in § 1 AltZertG für die private Altersvorsorge im Hinblick auf Zinsen und Erträge wieder aufgeweicht wird.

Auszahlungspläne werden wiederum z.B. in § 3 Nr. 63 EStG in Bezug genommen. Weitere Konsequenzen aus der Leistungsform ergeben sich ansonsten insb. aus § 16 BetrAVG. Im Hinblick auf die Überschussverwendung weist Goldbach zum Schluss noch auf den entsprechenden DAV-Hinweis hin.

Bianca Ermer, Aon.

Mit Goldbachs Vortrag endet der Vormittag der diesjährigen aba-Pensionskassentagung und ebenso der zweite Teil der diesbezüglichen Berichterstattung auf LEITERbAV. Der dritte Teil folgt in Kürze.

Das zur heutigen Headline anregende Kulturstück findet sich hier.

Bianca Ermer ist Wirtschaftsjuristin und Consultant für bAV und Zeitwertkonten bei Aon in München.

Rainer Goldbach, Aon.

Rainer Goldbach ist Aktuar DAV/IVS und Partner bei Aon in München.

Andreas Kopf ist Aktuar DAV/IVS und Senior Consultant bei Aon in München.

Von ihnen bzw. anderen Autorinnen und Autoren von Aon sind zwischenzeitlich bereits auf LEITERbAV erschienen:

Andreas Kopf, Aon.

Contractual Trust Arrangements:
Warum mehr Aufmerksamkeit gut täte
von Carsten Hölscher, Alexandra Steffens und Pascal Stumpp, 10. April 2024

Erfurt bringt Licht ins Dunkel der Invaliditätsversorgung:
Die Ausnahme ist nicht die Regel
von Roland Horbrügger und Alexandra Steffens, 14. Februar 2024

Anpassungsprüfung und Rententrends:
Die Anpassung hat Methode
Jan Andersen und Dr. Christian Rasch, 5. Dezember 2023

aba-Pensionskassentagung (III):
Abwarten …
von Andreas Kopf, Rainer Goldbach und Bianca Ermer, 13. November 2023

aba-Pensionskassentagung (II):
Funding for nothing?
von Bianca Ermer, Rainer Goldbach und Andreas Kopf, 6. November 2023

aba-Forum Arbeitsrecht 2023 (II):
Lieber beim Index bleiben
von Jan Andersen und Roland Horbrügger, 17. August 2023

aba-Forum Arbeitsrecht 2023 (I):
Der Ruf nach dem Gesetzgeber ...
von Roland Horbrügger und Jan Andersen, 10. August 2023

Neulich in München – mit Blick nach Erfurt:
Leitplanken Made in Erfurt
von Florian Große-Allermann und Roland Horbrügger, 17. April 2023

aba-Pensionskassentagung (III):
Mucksmäuschenstill ...
von Tanja Grunert und Ingo Budinger, 18. November 2022

aba-Pensionskassentagung (II):
Von Staatsfonds und Stresstest ...
von Andreas Kopf und Rainer Goldbach, 14. November 2022

Entgeltumwandlung und Arbeitsvetrag:
Stay in statt Opting out
von Jan Andersen und Roland Horbrügger, 26. August 2022

aba-Forum Arbeitsrecht 2022 (II):
Wie weit lässt sich die Tür öffnen …
von Roland Horbrügger und Carsten Hölscher, 4. April 2022

aba-Forum Arbeitsrecht 2022 (I):
Gewisse Skepsis, weniger Strenge
von Carsten Hölscher und Roland Horbrügger, 21. März 2022

aba-Pensionskassentagung (II):
Von 3V, VAIT und Großer Koalition
von Matthias Lang, Andreas Kopf und Ingo Budinger, 11. November 2021.

aba-Pensionskassentagung (I):
Zwischen zweifelhaft, nicht durchdacht und Kannibalen
von Ingo Budinger, Andreas Kopf und Matthias Lang, 8. November 2021.

aba-Forum Arbeitsrecht 2021:
Die Operation am offenen Herzen …
von Carsten Hölscher, Alexandra Steffens und Roland Horbrügger, 30. April 2021.

Deutschland im Herbst – aba-Pensionskassentagung (III):
Bier ist bAV…
von Detlef Coßmann, Jan Andersen und Matthias Lang, 6. November 2020.

Deutschland im Herbst – aba-Pensionskassentagung (II):
How to do Insolvenzschutz?
von Detlef Coßmann, Jan Andersen und Matthias Lang, 3. November 2020.

Deutschland im Herbst – aba-Pensionskassentagung (I):
Das ist nicht hausgemacht“
von Detlef Coßmann, Jan Andersen und Matthias Lang, 2. November 2020.

Digitale Rentenübersicht:
Auf dem richtigen Weg
von Gundula Dietrich und Dr. André Geilenkothen, 14. September 2020

Die EbAV-Regulierung schreitet voran:
Von SIPP und EGA
von Wolfram Roddewig, 8. Juni 2020

Aon EbAV-Konferenz 2019:
Von MaGo, ORA, SIPP und mehr...
von Detlef Coßmann, München, 6. Januar 2020

Im September in Köln (III) – aba-Mathetagung 2019:
Weniger als Null wird es nicht
von Björn Ricken und Dr. André Geilenkothen, Köln, 27. November 2019

Im September in Köln (II) – aba-Mathetagung 2019:
Ein flüchtiges Wesen namens Zins
von Björn Ricken und Dr. André Geilenkothen, Köln, 20. November 2019

aba-Forum Arbeitsrecht:
Von klein-klein, Textform, Vernachlässigung und mehr…
von Thomas Obenberger, Christine Gessner und Sophia Alfen, München; Mannheim, 30. April 2019

aba-Mathetagung:
Mathe fast schon magisch
von Dr. André Geilenkothen, Mülheim an der Ruhr, 18. Dezember 2018

Auch das noch (II):
Informationsbedürfnis versus zumutbare Beratung
von Gregor Hellkamp und Aida Saip, Mülheim an der Ruhr und München, 11. Dezember 2018

aba-Fachforum Arbeitsrecht:
Auf den Punkt gebracht!
von Carsten Hölscher, Mannheim, 30. Mai 2018

EIOPA Stresstest 2017 (III):
Von Bären und Diensten
von Dr. Georg Thurnes, München, 21. Dezember 2017

aba-Tagung Mathematische Sachverständige (II):
Von Chancen und Hybriden. Von HFA 30 und vier Vaus.
von Dr. André Geilenkothen, Mannheim, 27. Oktober 2017

aba-Tagung Mathematische Sachverständige (I):
Von Rätseln und Mega-Themen.Von Püfferlis und Evergreens.
von Dr. André Geilenkothen, Mannheim, 26. Oktober 2017

aba-Forum Arbeitsrecht:
Teilentschärfung
von Carsten Hölscher, Mannheim, 5. Mai 2017

BGH zu VBL-Startgutschriften für Rentenferne:
Nicht pauschal abziehen!
von Andreas Kasper, München, 8. Juni 2016

Die Steuerbilanz nach den Anpassungen im 253 HGB:
Der Staub der Jahrzehnte
von Dr. André Geilenkothen, Mülheim an der Ruhr, 14. März 2016

Vorlage der EIOPA-Stresstest-Ergebnisse (III):
Von Löchern und Lücken
von Dr. Georg Thurnes, München, 11. Februar 2016

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

© Pascal Bazzazi – LEITERbAV – Die auf LEITERbAV veröffentlichten Inhalte und Werke unterliegen dem deutschen Urheberrecht. Keine Nutzung, Veränderung, Vervielfältigung oder Veröffentlichung (auch auszugsweise, auch in Pressespiegeln) außerhalb der Grenzen des Urheberrechts für eigene oder fremde Zwecke ohne vorherige schriftliche Genehmigung. Die Inhalte einschließlich der über Links gelieferten Inhalte stellen keinerlei Beratung dar, insbesondere keine Rechtsberatung, keine Steuerberatung und keine Anlageberatung. Alle Meinungsäußerungen geben ausschließlich die Meinung des verfassenden Redakteurs, freien Mitarbeiters oder externen Autors wieder.