Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

aba-Forum Arbeitsrecht 2024 (II):

Einmal – und dann für immer?

Viel zu besprechen gab es auf dem diesjährigen aba-Treffen der Arbeitsrechtler des deutschen Pensionswesens. Roland Horbrügger, Jan Andersen und Florian Große-Allermann dokumentieren die wichtigsten Aussagen. Heute Teil II: Besitzstandsschutz in der Entgeltumwandlung, fließende Übergänge in den Ruhestand – und was das Sozialpartnermodell in der Bankenbranche zu leisten imstande sein wird.

Mannheim, 13. März: Einen Tag nach dem aba-Forum Steuerrecht folgt das aba-Forum Arbeitsrecht. Der erste Teil der Berichterstattung findet sich auf PENSIONSINDUSTRIES hier, und heute der zweite Teil (alle Aussagen wie meist auf dieser Plattform  im Indikativ der Referenten):

Huber: Die Frage nach dem schutzwürdigen Vertrauen auf künftige Fortführung

Brigitte Huber, maat RAe.

Brigitte Huber stellt vor, wie Vereinbarungen über Entgeltumwandlung nachträglich abgeändert werden können. Die Rechtsanwältin und Partnerin der maat RAe Späth und Partner untersucht zunächst, welche Grenzen der Änderung einer Umwandlungsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter gesetzt sind:

Während die Vereinbarung einer laufenden Entgeltumwandlung als Dauerschuldverhältnis zu qualifizieren ist und damit eine verbindliche Verpflichtung des Arbeitgebers darstellt, führen Vereinbarungen über eine einmalige Entgeltumwandlung in der Regel nicht zu einem schutzwürdigen Vertrauen des Arbeitnehmers auf zukünftige Fortführung.

In der Folge setzt sich Huber mit der Frage auseinander, ob die Änderung einer zugrundeliegenden kollektivrechtlichen Rahmenvereinbarung zu einer Änderung der Entgeltumwandlungsvereinbarung führen kann, was sie grundsätzlich verneint. Rein formal kann der Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung jedoch kündigen, was die Frage der Anwendung der Drei-Stufen-Theorie aufwirft.

 

 

Wenn der Arbeitnehmer kein Entgelt mehr umwandelt, erleidet er keine Nachteile, weil er das bislang umgewandelte Entgelt als Lohn bekommt.“

 

 

An dieser Stelle stellt Huber die Frage nach einem Besitzstandsschutz: Maßgebend für die Frage der Wahrung des Besitzstandes ist eine Abwägung der Interessen des Arbeitgebers an der Veränderung mit den Interessen der Arbeitnehmer auf Fortsetzung der Entgeltumwandlung zu den bisherigen Konditionen. Eingriffe in Anwartschaften aus einer arbeitgeberfinanzierten bAV überprüft das BAG anhand des sog. dreistufigen Prüfungsschemas.

Huber analysiert in der Folge, ob und inwieweit dieses auch auf den Schutz der Besitzstände aus arbeitnehmerfinanzierter bAV dienlich sein kann. Während der Schutz von erster (Past Service) und zweiter Stufe (erdiente Anwartschaftsdynamik) gleichermaßen Geltung erlangen dürfte, sieht Huber den Schutz der dritten Besitzstandsstufe (Future Service) als weniger schutzwürdig an, da der Arbeitnehmer, wenn er kein Entgelt mehr umwandelt, keine Nachteile erleidet, weil er das bislang umgewandelte Entgelt wieder als Lohn ausgezahlt bekommt.

Umgekehrt beruht die Entgeltumwandlung auf dem Verständnis der Parteien, dass der Arbeitgeber sie ermöglichen, aber keine wirtschaftlichen Belastungen tragen soll. Verändert sich das Umfeld der Entgeltumwandlung jedoch dahingehend, dass wirtschaftliche Lasten entstehen, sollte der Arbeitgeber berechtigt sein, laufende Vereinbarungen wieder auf den ursprünglichen Stand hin anzupassen.

Hoppach: Alles im Fluss

Heike Hoppach, TPC.

Heike Hoppach geht in ihrem Vortrag zum Rechtscharakter der bAV zunächst auf deren rechtliche Relevanz früher und heute ein. So ist die rechtliche Einordnung der bAV als Entgelt bspw. relevant für Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer, Diskriminierungsverbote und die Einordnung neuer Leistungsmodelle. Es folgen Ausführungen zur historischen Entwicklung der bAV, insb. zu den verschiedenen Zusagearten, von Leistungs- bis hin zur reinen Beitragszusage. Dabei wird die Doppelnatur der bAV (sowohl Entgelt- als auch Versorgungscharakter) unter Einordnung der bisher ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung sehr anschaulich dargestellt.

Im Hauptteil des kurzweiligen Vortrags werden Versorgungs- und Entgeltcharakter der bAV anhand von deren Zielen, Charakteristika und gesetzlichen Ausprägungen vergleichend gegenübergestellt.

 

 

Der Gesetzgeber setzt immer stärker auf fließende Übergänge in den Ruhestand und prägt damit eher den Entgeltcharakter.“

 

 

Die Leiterin CC Recht Betriebliche Vorsorge der MLP Finanzdienstleistung SE, Geschäftsbereich TPC gelangt zu dem Fazit, dass der Doppelcharakter auch künftig die Entwicklung der bAV beeinflussen wird, wobei der Entgeltcharakter im Fokus steht, ohne die Versorgung zu vergessen. Der Gesetzgeber setzt immer stärker auf fließende Übergänge in den Ruhestand und prägt damit eher den Entgeltcharakter. Beispiel hierfür ist die Änderung des § 6 BetrAVG im Zusammenhang mit dem Wegfall der Hinzuverdienstgrenzen. Aufkommende rechtliche Fragen z.B. aufgrund des Zusammenfallens von Arbeitsentgelt und bAV, sind daher in diesem Lichte zu betrachten.

Herrmann: quo vadis, SPM?

Marco Herrmann, BVV.

In die Zukunft geblickt hat auch die Bankenbranche, als sie ihr SPM aufgestellt hat. BVV-Vorstand Marco Herrmann stellt das SPM vor und verdeutlicht, wie mutig dieser Blick war. Als unmittelbar Beteiligter bei der Erarbeitung des Modells kann er nicht nur über das finale Konzept, sondern auch über den Weg dorthin berichten. So führt der BVV-Vorstand aus, welche Fragen im Laufe des Entwicklungsprozesses beantwortet, welche Entscheidungen getroffen und welche „Beiwerke“ entworfen werden mussten. Eine wichtige Entscheidung war dabei die Einbeziehung der Geringverdienerförderung nach § 100 EStG in die Systematik des SPM. Die Kombination dieser beiden Modelle verspricht eine stärkere Durchdringung der bAV in der Bankenbranche insgesamt – insb. im niedrigeren und mittleren Gehaltssegment.

 

 

Bei der Entwicklung der tarifvertraglichen Regelungen werden stets die branchenspezifischen Besonderheiten beachtet.“

 

 

Im weiteren Vortrag zeigt Herrmann die Möglichkeiten und Chancen auf, die das SPM den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Bankenbranche bietet. Er schließt mit Thesen, warum er das Banken-SPM (das ja aller Voraussicht nach schon ab 2025 operativ mit Leben gefüllt wird) erfolgsversprechend sieht:

Bei der Entwicklung der tarifvertraglichen Regelungen werden stets die branchenspezifischen Besonderheiten beachtet. Die Beteiligung der Arbeitgeber an der Finanzierung trägt zur weiteren Verbreitung der bAV bei. Unternehmen profitieren vornehmlich von der einem SPM immanenten Minimierung des Haftungsrisikos und der verbesserten Arbeitgeberattraktivität durch eine moderne bAV. Und gleichzeitig führt die chancenreichere Anlagestrategie langfristig zu höheren Betriebsrenten.

Roland Horbrügger, Aon.

Teil III der Berichterstattung zum diesjährigen aba-Forum Arbeitsrecht findet sich zwischenzeitlich auf PENSIONSINDUSTRIES hier.

Die Autoren:

Roland Horbrügger ist Principal bei Aon in Mülheim an der Ruhr.

 

Jan Andersen, Aon.

 

Jan Andersen ist Head of Legal bei Aon in München.

 

 

 

Florian Grosse-Allermann, Aon.

Florian Große-Allermann ist Senior Legal Consultant bei Aon in Mülheim an der Ruhr.

Von ihnen bzw. anderen Autorinnen und Autoren von Aon erschienen zwischenzeitlich bereits auf PENSIONSINDUSTRIES:

 

 

aba-Forum Arbeitsrecht 2024 (III):
Wieviel Rente ist wieviel Geld?
von Jan Andersen, Roland Horbrügger und Florian Große-Allermann, 8. Mai 2024

aba-Forum Arbeitsrecht 2024 (II):
Einmal – und dann für immer?
von Roland Horbrügger, Jan Andersen und Florian Große-Allermann, 7. Mai 2024

aba-Forum Arbeitsrecht 2024 (I):
50 Jahre Betriebsrentengesetz…“
von Jan Andersen, Florian Große-Allermann und Roland Horbrügger, 3. Mai 2024

Contractual Trust Arrangements:
Warum mehr Aufmerksamkeit gut täte
von Carsten Hölscher, Alexandra Steffens und Pascal Stumpp, 10. April 2024

Erfurt bringt Licht ins Dunkel der Invaliditätsversorgung:
Die Ausnahme ist nicht die Regel
von Roland Horbrügger und Alexandra Steffens, 14. Februar 2024

Anpassungsprüfung und Rententrends:
Die Anpassung hat Methode
Jan Andersen und Dr. Christian Rasch, 5. Dezember 2023

aba-Pensionskassentagung (III):
Abwarten …
von Andreas Kopf, Rainer Goldbach und Bianca Ermer, 13. November 2023

aba-Pensionskassentagung (II):
Funding for nothing?
von Bianca Ermer, Rainer Goldbach und Andreas Kopf, 6. November 2023

aba-Forum Arbeitsrecht 2023 (II):
Lieber beim Index bleiben
von Jan Andersen und Roland Horbrügger, 17. August 2023

aba-Forum Arbeitsrecht 2023 (I):
Der Ruf nach dem Gesetzgeber ...
von Roland Horbrügger und Jan Andersen, 10. August 2023

Neulich in München – mit Blick nach Erfurt:
Leitplanken Made in Erfurt
von Florian Große-Allermann und Roland Horbrügger, 17. April 2023

aba-Pensionskassentagung (III):
Mucksmäuschenstill ...
von Tanja Grunert und Ingo Budinger, 18. November 2022

aba-Pensionskassentagung (II):
Von Staatsfonds und Stresstest ...
von Andreas Kopf und Rainer Goldbach, 14. November 2022

Entgeltumwandlung und Arbeitsvetrag:
Stay in statt Opting out
von Jan Andersen und Roland Horbrügger, 26. August 2022

aba-Forum Arbeitsrecht 2022 (II):
Wie weit lässt sich die Tür öffnen …
von Roland Horbrügger und Carsten Hölscher, 4. April 2022

aba-Forum Arbeitsrecht 2022 (I):
Gewisse Skepsis, weniger Strenge
von Carsten Hölscher und Roland Horbrügger, 21. März 2022

aba-Pensionskassentagung (II):
Von 3V, VAIT und Großer Koalition
von Matthias Lang, Andreas Kopf und Ingo Budinger, 11. November 2021.

aba-Pensionskassentagung (I):
Zwischen zweifelhaft, nicht durchdacht und Kannibalen
von Ingo Budinger, Andreas Kopf und Matthias Lang, 8. November 2021.

aba-Forum Arbeitsrecht 2021:
Die Operation am offenen Herzen …
von Carsten Hölscher, Alexandra Steffens und Roland Horbrügger, 30. April 2021.

Deutschland im Herbst – aba-Pensionskassentagung (III):
Bier ist bAV…
von Detlef Coßmann, Jan Andersen und Matthias Lang, 6. November 2020.

Deutschland im Herbst – aba-Pensionskassentagung (II):
How to do Insolvenzschutz?
von Detlef Coßmann, Jan Andersen und Matthias Lang, 3. November 2020.

Deutschland im Herbst – aba-Pensionskassentagung (I):
Das ist nicht hausgemacht“
von Detlef Coßmann, Jan Andersen und Matthias Lang, 2. November 2020.

Digitale Rentenübersicht:
Auf dem richtigen Weg
von Gundula Dietrich und Dr. André Geilenkothen, 14. September 2020

Die EbAV-Regulierung schreitet voran:
Von SIPP und EGA
von Wolfram Roddewig, 8. Juni 2020

Aon EbAV-Konferenz 2019:
Von MaGo, ORA, SIPP und mehr...
von Detlef Coßmann, München, 6. Januar 2020

Im September in Köln (III) – aba-Mathetagung 2019:
Weniger als Null wird es nicht
von Björn Ricken und Dr. André Geilenkothen, Köln, 27. November 2019

Im September in Köln (II) – aba-Mathetagung 2019:
Ein flüchtiges Wesen namens Zins
von Björn Ricken und Dr. André Geilenkothen, Köln, 20. November 2019

aba-Forum Arbeitsrecht:
Von klein-klein, Textform, Vernachlässigung und mehr…
von Thomas Obenberger, Christine Gessner und Sophia Alfen, München; Mannheim, 30. April 2019

aba-Mathetagung:
Mathe fast schon magisch
von Dr. André Geilenkothen, Mülheim an der Ruhr, 18. Dezember 2018

Auch das noch (II):
Informationsbedürfnis versus zumutbare Beratung
von Gregor Hellkamp und Aida Saip, Mülheim an der Ruhr und München, 11. Dezember 2018

aba-Fachforum Arbeitsrecht:
Auf den Punkt gebracht!
von Carsten Hölscher, Mannheim, 30. Mai 2018

EIOPA Stresstest 2017 (III):
Von Bären und Diensten
von Dr. Georg Thurnes, München, 21. Dezember 2017

aba-Tagung Mathematische Sachverständige (II):
Von Chancen und Hybriden. Von HFA 30 und vier Vaus.
von Dr. André Geilenkothen, Mannheim, 27. Oktober 2017

aba-Tagung Mathematische Sachverständige (I):
Von Rätseln und Mega-Themen.Von Püfferlis und Evergreens.
von Dr. André Geilenkothen, Mannheim, 26. Oktober 2017

aba-Forum Arbeitsrecht:
Teilentschärfung
von Carsten Hölscher, Mannheim, 5. Mai 2017

BGH zu VBL-Startgutschriften für Rentenferne:
Nicht pauschal abziehen!
von Andreas Kasper, München, 8. Juni 2016

Die Steuerbilanz nach den Anpassungen im 253 HGB:
Der Staub der Jahrzehnte
von Dr. André Geilenkothen, Mülheim an der Ruhr, 14. März 2016

Vorlage der EIOPA-Stresstest-Ergebnisse (III):
Von Löchern und Lücken
von Dr. Georg Thurnes, München, 11. Februar 2016

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

© Pascal Bazzazi – LEITERbAV – Die auf LEITERbAV veröffentlichten Inhalte und Werke unterliegen dem deutschen Urheberrecht. Keine Nutzung, Veränderung, Vervielfältigung oder Veröffentlichung (auch auszugsweise, auch in Pressespiegeln) außerhalb der Grenzen des Urheberrechts für eigene oder fremde Zwecke ohne vorherige schriftliche Genehmigung. Die Inhalte einschließlich der über Links gelieferten Inhalte stellen keinerlei Beratung dar, insbesondere keine Rechtsberatung, keine Steuerberatung und keine Anlageberatung. Alle Meinungsäußerungen geben ausschließlich die Meinung des verfassenden Redakteurs, freien Mitarbeiters oder externen Autors wieder.