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BaFin-Stresstest 2022:

Fünfzehn mal gerissen

Im Vergleich zum Vorjahr haben fast doppelt soviele Pensionskassen den aktuellen Stresstest der BaFin zum Jahresende 2022 nicht in allen Szenarien bestanden. Auch die Intensivstation ist weiter belegt; ganz anders sieht es dort bei den Lebensversicherern aus. Das erfuhr LEITERbAV im Zuge der gestrigen, diesjährigen Pressekonferenz der Aufsicht.

Frank Grund, BaFin. Foto: Frank Beer.

Fünfzehn Pensionskassen haben nach derzeitigem Stand den aktuellen BaFin-Stresstest zum Jahresende 2022 mit einem negativen Ergebnis beendet (Vorjahr: acht Pensionskassen, Ende 2020 fünf), darunter eine von der BaFin als „größere Kasse“ bezeichnete.

Als vornehmlichen Grund für den Anstieg nennt die BaFin gegenüber LEITERbAV den Rückgang der Bewertungsreserven bzw. den Aufbau stiller Lasten infolge des Zinsanstieges. Bereits auf der aba-Pensionskassentagung im Oktober hatte Günter Weißenfels, Leiter Grundsatzreferat PK-/PF-Aufsicht der BaFin, erläutert, dass er mit mehr negativen Ergebnissen rechne als in den Vorjahren.

Wie die Anstalt der Redaktion weiter mitteilte, haben 118 von 133 unter Aufsicht stehenden Pensionskassen einen Stresstest vorgelegt; 15 wurden von dieser Pflicht befreit. Dies erfolgt idR nur bei Kassen, bei denen die Risikotragfähigkeit aufgrund risikoarmer Kapitalanlagen ohnehin gegeben ist. Im Zuge des aktuellen Stresstests wurden sechs der besagten 15 Kassen befreit, weil sie aufgelöst werden (z.B. nach Bestandsübertragungen).

Bei allen Kassen mit negativem Ergebnis sind kurzfristig Aufsichtskontakte vorgesehen, um die Gründe für das negative Ergebnis zu ermitteln und ggf. Maßnahmen zu erörtern, so die Anstalt weiter.

Keine individuellen Details

Wie stets ist die Anstalt (auch aus rechtlichen Gründen) zurückhaltend mit Einzelheiten, das betrifft erst recht Auskünfte, die auf einzelne Akteure schließen liessen. So wurden keine Angaben gemacht, ob schwerwiegende Unterdeckungen dabei sind, wieviele der 15 Kassen mit negativen Ergebnis reguliert bzw. dereguliert sind, wieviele für den Neuzugang geschlossen sind, wieviele keinen Arbeitgeber mehr als Trägerunternehmen haben und natürlich erst recht nicht, um welche Kassen es sich handelt.

Bettenabbau – oder gleich zumachen

Außerdem stehen derzeit gut 20 Pensionskassen unter intensivierter Aufsicht. Das ist immerhin ein Drittel weniger als noch im Oktober (auch das hatte die BaFin seinerzeit schon erwartet).

Bei den Lebensversicherern ist die Intensivstation dagegen bereits geschlossen, d.h. die BaFin wendet dortdas Instrument der intensivierten Aufsicht aktuell nicht mehr an. Grund: Das Geschäftsmodell der Lebensversicherer sieht ingesamt weniger lebenslang laufende Renten vor, und außerdem sorgt hier die Auflösung der ZZR zunehmend für Entspannung. 2022 flossen von dort zwar erst rund vier Mrd. Euro in den Rohüberschuss, aber immerhin. Satte 92 Mrd. waren noch in der ZZR gebunden.

Die stillen Lasten wiederum, die auch LVU dynamisch aufbauen, spielen, wenn nur zinsinduziert, wegen held to maturity keine Rolle (außer bei Storno, zB. verstärkt wegen der gestiegenen Zinsen; ein Problem, das EbAV bekanntlich kaum haben, ganz anders als Banken).

Abb: Entwicklung der stillen Reserven und stillen Lasten in der Kapitalanlage der Lebensversicherer.

Quelle: BaFin. Grafik zur Volldarstellung anklicken.

Die gestiegenen Kapitalmarktzinsen führten somit zu einer Verbesserung der Solvenzkapitalbedeckung der LVU. So konnten, wie die BaFin schreibt, im Q II 2022 erstmals seit dem Start von Solvency II 2016 alle LVU auch ohne die seinerzeit gewährten Übergangsmaßnahmen eine hinreichende Solvenzkapitalbedeckung ausweisen. Zum Jahresende 2022 waren nur bei einem LVU unter BaFin-Aufsicht die Anforderungen ohne Übergangsmaßnahmen unterdeckt.

Kein Stress in Bonn

Die Bafin bewertet diese Zahlen, ohne selber unter Stress zu kommen. Gegenüber LbAV erklärte sie: „Die Ergebnisse des Stresstests zeigen, dass der weit überwiegende Teil der Pensionskassen unter Bundesaufsicht auch in Stresssituationen eine ausreichende kurzfristige Risikotragfähigkeit aufweist.“

Außerdem bedeutet der Zinsanstieg bekanntlich bekanntlich zwei Seiten einer Medaille:

Die BaFin in Frankfurt am Main, Foto: Kai Hartmann.

Der Stresstest misst nur die kurzfristige Risikotragfähigkeit bzw. Widerstandsfähigkeit der Pensionskassen bei adversen Kapitalmarktveränderungen. Der deutliche Zinsanstieg des Jahres 2022 und der damit einhergehende Rückgang der Bewertungsreserven bzw. die Entstehung der stillen Lasten wirkt sich zunächst belastend auf die Risikotragfähigkeit der Pensionskassen aus. Die gestiegenen Zinsen haben jedoch einen positiven Effekt auf die Neu- und Wiederanlage, was sich mittel- bis langfristig positiv auf die Fähigkeit der Kassen, den Rechnungszins zu erwirtschaften, auswirken sollte.“

Ohnehin sind die Prognoserechnungen eigentlich wichtiger. Hierzu macht die BaFin aber noch weniger Angaben und teilte lediglich mit, dass sich die Lage sowohl bei den Pensionskassen als auch bei den Pensionsfonds leicht verbessert hat.

Aktienkursrückgang von 30 Prozent simuliert

Noch zum Test an sich: Der jüngste PK-Stresstest simulierte mit Hilfe von vier Stress-Szenarien eine kurzfristige, adverse Kapitalmarktveränderung und betrachtet die bilanziellen und wirtschaftlichen Auswirkungen für die Pensionskassen. Er misst, ob eine Pensionskasse nach einem Stress voraussichtlich noch die Eigenmittelvorschriften zum nächsten Bilanzstichtag erfüllen kann.

Der Test umfasst ein Marktänderungsrisiko für Aktien, festverzinsliche Wertpapiere (des Umlaufvermögens) und Immobilien sowie ein Bonitätsrisiko für den Fixed-Income-Bereich. Im isolierten Aktienszenario wurde ein Kursrückgang von 30 Prozent simuliert.

 

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