Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Neulich in Nürnberg:

Wie ich dir, so ich mir?

Der Komplex GGF – bAV – vGA beschäftigt immer wieder die deutschen Finanzgerichte, und solange es die betriebliche Altersversorgung gibt, wird das wohl auch so bleiben. Jüngst stand in Franken die Frage der Verzinsung von Versorgungskapital im inner- und außerbetrieblichen Fremdvergleich auf der Agenda. Claudia Veh erläutert die Entscheidung, die beizeiten vom BFH überprüft werden wird.

Claudia Veh, KPMG.

Im Rahmen einer bAV für Gesellschafter-Geschäftsführer und ihnen nahestehenden Personen ist stets zu prüfen, ob die Zusagen betrieblich oder im Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind.

Betrieblich veranlasst sind sie generell dann, wenn sie dem sog. Fremdvergleich standhalten, d.h. sie in dieser Form und Höhe auch einem nicht am Unternehmen beteiligten Geschäftsführer oder Angestellten erteilt worden wären.

In einem aktuellen Fall hatte sich das FG Nürnberg mit Urteil vom 25. Oktober 2022 – 1 K 503/21 – mit dieser Thematik auseinander zu setzen. Anders als in dem jüngst auf LEITERbAV diskutierten Fall des FG Düsseldorf ging es in Nürnberg nicht um die Kriterien Probezeit und Erdienbarkeit für die steuerliche Anerkennung einer GGF-Versorgungszusage, sondern um die Frage, wie eine angemessene Verzinsung von Versorgungskapital abgeleitet werden kann und ob ein innerbetrieblicher Fremdvergleich anwendbar ist. Zum Sachverhalt:

Zusagen mit einer Verzinsung von 3% und 6% p.a. …

In einem Familienunternehmen bestanden für den zu 40% beteiligten und alleinvertretungsbefugten GGF (C), Jahrgang 1978, sowie für seine im Unternehmen als leitende Angestellte und Prokuristin beschäftigte Schwester (Ca), Jahrgang 1987, seit dem 16. Dezember 2013 Pensionszusagen aus Entgeltumwandlung.

Umwandelbar war das Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Höhe von jährlich 6.500 Euro. In den Zusagen findet sich folgende Regelung: „Der maßgebliche Zinssatz beträgt 6% p.a..“

Für den GGF bestand zudem bereits eine – nicht streitgegenständlich – im Jahr 2011 erteilte Versorgungszusage auf Basis einer Verzinsung von 2,75%.

Daneben war am 25. November 2013 dem Arbeitnehmer D eine arbeitgeberfinanzierte Versorgungszusage auf Basis eines monatlichen Beitrags in Höhe von 200 Euro erteilt worden. In der Pensionszusage findet sich folgende Regelung zur Verzinsung: „Der maßgebliche Zinssatz beträgt 3% p.a..“

…verstoßen gegen den Fremdvergleich?

Bei einer Betriebsprüfung war der Prüfer der Meinung, die Verzinsung des Versorgungskapitals für den GGF und seine Schwester sei nur in Höhe von 3% jährlich angemessen. Das ergäbe der interne Fremdvergleich mit dem Arbeitnehmer D. Der unangemessene Teil der Zuführung zu den Pensionsrückstellungen wurde als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) behandelt – eine häufige Komplikation in Zusammenhang mit der bAV für GGF (s. neben dem o.a. Düsseldorfer Fall auch bsphft. hier, hier und hier)

Damit war das Unternehmen nicht einverstanden, legte erfolglos Einspruch gegen die geänderten Steuerbescheide ein und klagte schließlich vor dem FG Nürnberg.

Das Unternehmen führte an, ein innerbetrieblicher Fremdvergleich mit D scheide aus, da weder die Art der Finanzierung der Zusagen noch die berufliche Stellung der Personen vergleichbar seien. Der externe Fremdvergleich spräche nicht gegen die Verzinsung von 6%, die im Übrigen auch dem steuerlichen Zins in § 6a EStG entsprechen.

Die Finanzverwaltung blieb bei ihrer Sicht auf die Dinge:

Dass nur wenige Wochen vor der Erteilung der Pensionszusagen an den GGF und seine Schwester einem nicht am Unternehmen beteiligten Arbeitnehmer eine Zusage mit einer Verzinsung von 3% erteilt wurde, belege dass die Verzinsung in Höhe von 6% im Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist.

Weiter ergäbe auch der externe Fremdvergleich, dass auf Basis des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG eine Entgeltumwandlung zu einer wertgleichen Anwartschaft auf Versorgungsleistungen führen muss. Der Mindestrechnungszinsfuß zur Bestimmung der Wertgleichheit sei am Kapitalmarktzins auszurichten, etwa am Garantiezins für Lebensversicherungen, welcher in den Streitjahren nur bei 1,75% gelegen hat.

Entscheidung in Nürnberg: Externer Fremdvergleich mangels Daten eingeschränkt…

In der Nürnberger Lorenzkirche sind sich die Parteien jedenfalls nicht einig geworden. Foto: Bazzazi.

Das FG Nürnberg konnte sich der Einschätzung der Finanzverwaltung nicht anschließen. Das Unternehmen erhielt Recht. Das FG erläutert:

Bei einem externen Fremdvergleich sind grundsätzlich gleiche Sachverhalte zu vergleichen. Dies bedeutet, es müssen die Versorgungszusagen von C und Ca mit Versorgungszusagen verglichen werden, die andere Kapitalgesellschaften ihren GGF oder Angestellten erteilt haben. Zur Frage einer Unter- oder Obergrenze oder eines Medians bzgl. der Verzinsung liegen jedoch keine statistischen Daten vor.

Außerdem ist abzulehnen, den angemessenen Zinssatz am Garantiezins von Lebensversicherungen zu orientieren. Denn dieser bezieht sich nur auf den Sparanteil der Prämie; inzwischen wird zudem bei vielen Lebensversicherungsprodukten ein Teil der Prämie in chancenreichere Anlageklassen investiert.

… ergibt jedoch eine möglich fremdübliche Verzinsung von 6% p.a.

So ist ein externer Fremdvergleich mit der wahrscheinlich zu erwartenden Rendite vorzunehmen. Diese lag bei einem im Jahr 2013 ablaufenden Vertrag mit einer Laufzeit von 30 Jahren im Durchschnitt am Markt bei 5,05%; die laufende Verzinsung der Lebensversicherer in Deutschland lag im Jahr 2013 bei 3,58%. Allerdings ist auch nicht auf den im Jahr der Zusageerteilung vorherrschenden Zins abzustellen, da dieser der langen Laufzeit der Versorgungszusagen bis zum Pensionsalter nicht Rechnung trägt.

So betrug die Laufzeit zwischen Erteilung der Zusage und Pensionsalter bei C 32 und bei Ca über 40 Jahre. Über einen derart langen Zeitraum betrachtet erscheinen 6% Verzinsung nicht unangemessen. So lagen die Nominalzinsen zwischen 1970 und 1974 und zwischen 1980 und 1984 bei 8,9 bzw. 8,8%. Auch die deutliche Erhöhung des europäischen Leitzinses im Jahr 2022 lässt darauf schließen, dass die im Jahr 2013 vorherrschende Niedrigzinsphase beendet ist, so das FG.

Interner Fremdvergleich nicht anwendbar

Auch einem internen Fremdvergleich mit D erteilt das Gericht eine Absage: So sind die Zusagen von C und Ca über Entgeltumwandlung finanziert, die von D vom Arbeitgeber. D.h. bei der Zusage von D hat die Firma nicht nur die Verzinsung zu leisten, sondern auch den monatlichen Beitrag von 200 Euro. Bei C und Ca hat sie „nur“ die Verzinsung zu gewährleisten, da die Beiträge über Entgeltumwandlung finanziert werden.

Da im zeitlichen Zusammenhang mit der Erteilung der Zusagen auch keine Gehaltserhöhungen vorlagen, hat sich das Unternehmen auch nicht mittelbar an der Entgeltumwandlung beteiligt.

Ergänzend wird angeführt, dass im Jahr 2011 auch für C, der damals noch nicht GGF war, bereits eine Zusage mit einer Verzinsung von (nur) 2,75% jährlich eingerichtet worden war; diese Verzinsung lag unterhalb der 3%, die D zugesagt wurde. Offenbar sieht das Gericht dies als Beleg, dass man keineswegs die am Unternehmen beteiligten Personen bzw. mitarbeitende Familienangehörige gegenüber nicht am Unternehmen beteiligten bzw. familiär verbundenen Personen unsachgemäß begünstigt.

Letztlich scheidet eine Vergleichbarkeit der Zusagen von D, C und Ca auch aufgrund der Stellung im Unternehmen aus. C ist GGF mit einem Vetorecht für alle Entscheidungen und seine Schwester leitende Angestellte mit Prokura, D hingegen ein einfacher, aber sehr verdienter Mitarbeiter. Damit fallen Ca und D in den Geltungsbereich des BetrAVG, C jedoch nicht. Auch dieser Unterschied belegt, dass die Zusagen nicht vergleichbar sind.

 

 

Die Entscheidung des BFH dürfte hohe praktische Relevanz haben.“

 

 

Damit halten aus Sicht des FG Nürnberg die Zusagen dem Fremdvergleich stand. Weitere Aspekte, die auf eine Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis hinweisen könnten, konnte das FG nicht identifizieren.

Man sieht sich in München

Die Revision wurde zugelassen, wovon die Finanzverwaltung Gebrauch gemacht hat (I R 4/23), da derzeit noch nicht höchstrichterlich entschieden ist, ob es einen Höchstprozentsatz für die Verzinsung einer Pensionszusage gibt und ob bei dieser Frage zwischen der Finanzierungsart (Entgeltumwandlung oder arbeitgeberfinanziert) zu differenzieren ist.

Die Entscheidung des BFH dürfte hohe praktische Relevanz haben: zum einen zur Frage, wann ein interner Fremdvergleich vorgenommen werden kann, zum anderen zur Frage, woran eine angemessene Verzinsung festgemacht werden kann.

Die Autorin ist Aktuarin und 
Director 
Deal Advisory Pensions
 in der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
.

Von ihr und anderen Autorinnen und Autoren der KPMG sind zwischenzeitlich bereits auf LEITERbAV erschienen:

Neulich in Nürnberg – die Frage der Erdienbarkeit:
Let’s play Pension and Servant
von Dr. Claudia Veh, 25. April 2024

#womeninpensions zum Weltfrauentag:
Spot on betriebliche Altersversorgung für diejenigen ...
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Neulich in München:
Rückabwicklung = Verzicht = steuerlicher Zufluss?
von Dr. Claudia Veh, 19. Februar 2024

Neulich in Westfalen:
Für gewöhnlich nicht außerordentlich
von Dr. Claudia Veh, 15. Januar 2024

Neulich in Nürnberg:
Wie ich dir, so ich mir?
von Dr. Claudia Veh, 21. August 2023

Neulich in Münster:
Und sind so klug als wie zuvor
von Dr. Claudia Veh, 5. Juni

Schuldbeitritt zu Pensionsverpflichtungen und der § 4f EStG:
Mütter, Töchter, vGA
von Dr. Claudia Veh, 24. April 2023

Neulich in München:
Wenn Betriebsrente in drei Teilen …
von Dr. Claudia Veh, 3. April 2023

FG Hamburg:
Von wilden Pferden und bilanziellen Sprüngen
von Dr. Claudia Veh, 22. März 2023

#womeninpensions-Kommentar – mit Wirkung auf die bAV (I):
Gender Gap in der bAV
von Dr. Claudia Veh, 15. Februar 2023

Die Effekte der Inflation außerhalb der Direktzusage:
Auch mittelbar teuer
von Dr. Claudia Veh, 23. Januar 2023

Vergangenen September in München (II):
Not a two of us?
von Dr. Claudia Veh, 22. April 2022

Neulich von Köln nach München und zurück:
Die Sache mit der Fünftelungsregelung
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GGF-Pensionszusage, 6a und vGA:
Indizienprozess in Düsseldorf
von Dr. Claudia Veh, 25. Oktober 2022

Zahlungsströme aus RDV und Zusage:
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von Andreas Johannleweling und Dr. Claudia Veh, 11. August 2021

Neulich in München:
Wenn der Chef einfach weitermacht ...
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Insolvenzverwalter versus PSV:
Und immer lockt die GGF-Pensionszusage ...
von Dr. Claudia Veh, 11. Februar 2021

Wertgleiche Teilung beim Versorgungsausgleich?
Nicht für den beherrschenden GGF
von Dr. Claudia Veh, 28. Oktober 2020

Der Chef und seine bAV …
von Dr. Claudia Veh, 7. August 2020

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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