Der Fall war unter mehreren Aspekten ein sehr spezieller, doch das höchste deutsche Finanzgericht hat die Gelegenheit genutzt, zu einer oft strittigen Frage in der bAV – der steuerlichen Bilanzierung wertpapiergebundener Zusagen – generelle Leitlinien zu verankern; und das in expliziter Ablehnung eines über zwei Jahrzehnte alten BMF-Schreibens. Friedemann Lucius begrüßt die Entscheidung – doch mahnt, sich nicht zu früh zu freuen.
Der BFH hat am 4. September 2024 über den „Ansatz und Teilwert von Pensionsrückstellungen für beitragsorientierte Leistungszusagen ohne garantierte Mindestversorgung“ entschieden (BFH vom 4. September 2024, XI R 25/21). Dieser Beschluss wurde am 6. Februar 2025 veröffentlicht und ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert:
• erstens, weil die Zusage, deren Ansatz in der Steuerbilanz strittig war, überhaupt keine betriebliche Altersversorgung im Sinne des Betriebsrentengesetzes darstellt
• zweitens, weil der BFH mit klaren Worten Pflöcke einrammt, die ein komplettes BMF-Schreiben zum Einsturz bringen und dafür sorgen, dass die Bedeutung des Beschlusses weit über den verhandelten Einzelfall hinausweist
• drittens, weil es sowohl Kläger als auch Beklagte unzufrieden zurücklässt.
Doch der Reihe nach.
Die Zusage: wertpapiergebunden, allerdings ohne garantierte Mindestleistung
Die Klägerin, eine GmbH, hatte ihren beiden Geschäftsführern (einer zugleich alleiniger Gesellschafter) sowie ihren Leitenden Angestellten Zusagen in Form einer „beitragsorientierte[n] Leistungszusage mit Rückdeckungslebensversicherung […] und nachgelagerter Verrentung zum Zeitpunkt des Versorgungsbeginns“ erteilt.

Zugesagt wurden Einmalbeiträge, die durch die GmbH vorbehaltlich einer jährlichen Überprüfung und ggf. Erhöhung festgelegt und in fondsgebundene Rückdeckungsversicherungen ohne garantierte Mindestleistung eingezahlt wurden. Das Deckungskapital der Rückdeckungsversicherung war zu jedem Zeitpunkt zu 100% auf Rechnung und Risiko des Versicherungsnehmers (also der GmbH) am Kapitalmarkt angelegt. Die Rückdeckungsversicherungen wurden zudem an die Begünstigten individuell verpfändet.
„Alle Risiken aus der Kapitalanlage waren vollständig auf die Begünstigten übertragen.“
Die Anwartschaften waren sofort vertraglich unverfallbar. Die Begünstigten konnten wählen, ob sie Leistungen in Form einer lebenslangen Rente oder einer einmaligen Kapitalzahlung erhalten wollten. Die Höhe der Kapitalzahlung entsprach dabei dem Fondswert bei Eintritt des Versorgungsfalls, die Rente wiederum ergab sich auf der Grundlage eines entsprechenden, dann gültigen Tarifs des Rückdeckungsversicherers durch versicherungsmathematische Umrechnung des Fondswertes.
Weder im Hinblick auf die Rente noch das Kapital waren irgendwelche garantierten Mindestleistungen vorgesehen. Damit waren alle Risiken aus der Kapitalanlage vollständig auf die Begünstigten übertragen; so war es in der Versorgungszusage auch ausdrücklich festgehalten. Erst nach Eintritt des Versorgungsfalls übernahm die GmbH die Verpflichtung, die lebenslange Rente in der von dem Rückdeckungsversicherer zu Rentenbeginn versicherungsmathematisch ermittelten Höhe zu zahlen. Soweit die Zusage.
Die ersten Fragen: Ist das bAV? Und ist das relevant?
Wer vom bAV-Fach ist, reibt sich verwundert die Augen und fragt sich: Ist das überhaupt eine beitragsorientierte Leistungszusage? Ist das überhaupt bAV im Sinne des Betriebsrentengesetzes? Um es kurz zu machen: Nein, ist es nicht. Jedenfalls nicht nach Auffassung des BAG. Danach müssen „die Regelungen der Versorgungsordnung sicherstellen, dass bereits bei der Umwandlung der Beiträge in eine Anwartschaft feststeht, welche Höhe die aus Beiträgen resultierende Leistung im Versorgungsfall mindestens hat. […] Daher ist es mit § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG nicht zu vereinbaren, wenn das Anlagerisiko vollständig auf die Arbeitnehmer übertragen wird.“ (so das BAG vom 30. August 2016, 3 AZR 361/15, Rz. 2, ähnlich in einem Parallelverfahren am gleichen Tag).
Aber ist dieses sogenannte „Unmittelbarkeitserfordernis“ für den BFH überhaupt relevant? Dazu später…
Die Einschlägigkeit: das BMF-Schreiben vom Dezember 2002
Einschlägig für die steuerbilanzielle Behandlung wertpapiergebundener Versorgungszusagen ist das BMF-Schreiben vom Dezember 2002 zu „Rückstellungen nach § 6a bei wertpapiergebundenen Pensionszusagen“ (BMF v. 17.Dezember 2002 – IV A 6 – S 2176 – 47/02 BStBl 2002 I S. 1397).
Darin vertritt das BMF die Auffassung, dass auf Versorgungsleistungen, die über eine garantierte Mindestversorgung hinaus „vom Wert bestimmter Wertpapiere (z.B. Fondsanteile, Aktien) zu einem festgelegten künftigen Zeitpunkt (z.B. Eintritt des Versorgungsfalls) abhängen, insoweit nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag kein Rechtsanspruch gemäß § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG“ bestehe. Es handele sich hierbei um eine „ungewisse Erhöhung des Pensionsanspruchs“, die nach Maßgabe des Eindeutigkeitsgebotes des § 6a EStG bei der Bewertung erst dann zu berücksichtigen sei, wenn sie tatsächlich eingetreten ist (§ 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 4 EStG).
Abschließend kommt das BMF zu dem Ergebnis, dass in diesem Fall „eine Pensionsrückstellung […] folglich nur insoweit gebildet werden [kann], als der Versorgungsanspruch auf die garantierte Mindestleistung entfällt.“
Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet das kurz: Keine garantierte Mindestleistung, also keine Pensionsrückstellung.
Der Ansatz der GmbH in der Steuerbilanz: von Null auf Hundert entsprechend HGB
Die GmbH hat sich davon unbeeindruckt gezeigt. Sie schlug das BMF-Schreiben in den Wind und übernahm mit Verweis auf die anerkannten Grundsätze der Versicherungsmathematik den handelsrechtlichen Bewertungsansatz für wertpapiergebundene Zusagen (§ 253 Abs. 1 Satz 3 HGB) auch für die Steuerbilanz. Statt Null setzte sie zu den Bilanzstichtagen eine Pensionsrückstellung in Höhe des mitgeteilten Werts der Rückdeckungsversicherung, mithin also in Höhe des Fondswertes an
Korrespondierend wurde auf der Aktivseite der Wert der Rückdeckungsversicherung in Höhe des Fondswerts bilanziert. Im Ergebnis führte dies zu einem Aufwand in Höhe der im Wirtschaftsjahr gewährten und als Versicherungsbeitrag gezahlten Einmalprämien, den die GmbH als Betriebsausgaben geltend machte.
Die Reaktion des FA: von Hundert zurück auf Null
Das Finanzamt reagierte erwartungsgemäß auf diese Provokation und versagte die steuerliche Anerkennung der gebildeten Pensionsrückstellung. Es berief sich auf das BMF-Schreiben von 2002 und wähnte sich damit auf der sicheren Seite.
Die erste Instanz: FG Münster mit „ja, aber“
Das FG Münster, die Vorinstanz, entschied, dass entgegen der Auffassung des Finanzamts und des BMF-Schreibens vom 17. Dezember 2002 eine Pensionsrückstellung durchaus gebildet werden dürfe, korrigierte aber den Ansatz der GmbH wie folgt nach unten:
1. Sofern die Beiträge auf Entgeltumwandlung beruhen und der Versorgungsberechtigte kein beherrschender GGF ist: Ansatz der Pensionsrückstellung in Höhe des Maximums aus steuerlichem Teilwert und Anwartschaftsbarwert (§ 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 2 EStG).
2. In allen anderen Fällen: Ansatz der Pensionsrückstellung in Höhe des steuerlichen Teilwerts (§ 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 1 EStG).
Ferner entschied das FG, dass die zukünftigen Pensionsleistungen, die jeweils mit dem Teilwert bzw. dem Anwartschaftsbarwert zu bewerten und dementsprechend abzuzinsen sind, dem mitgeteilten Fondswert zum Bilanzstichtag zu entsprechen haben. Abbildung 1 zeigt schematisch am Beispiel einer fondsgebunden rückgedeckten Kapitalzusage ohne Mindestleistung mit Rentenoption bei Umwandlung eines Einmalbeitrags im Alter 30, wie sich die unterschiedlichen Ansätze – Nullansatz des BMF, HGB-Ansatz der GmbH und der BFH-Ansatz – voneinander unterscheiden. Es wird deutlich, dass bei Ausübung der Rentenoption der Rentenbeginn wie eine Abbruchkante wirkt und die Segnungen der BFH-Entscheidung vollständig verloren gehen, weil weiterhin nur der unzureichende §6a-Barwert anstelle des Deckungskapitals der Rückdeckungsversicherung passiviert werden kann:Grafik zur Volldarstellung anklicken.
Die zweite Instanz: München bestätigt Münster – und schlägt Pflöcke ein
Sowohl das Finanzamt als auch die GmbH legten gegen dieses Urteil Revision beim BFH ein, das BMF trat dem Revisionsverfahren bei. Der BFH hat die Klagen abgewiesen und die Auffassung des FG Münster in allen Punkten bestätigt.
„Ob es sich um Leistungen der bAV im Sinne des Betriebsrentengesetzes handelt, ist für die steuerliche Anerkennung nicht relevant.“
Der BFH knöpft sich dabei jedes Argument der Streitparteien einzeln vor und rammt en passant ein paar Pflöcke ein, an denen künftig keiner mehr vorbeikommt.

Für den BFH steht es außer Frage, dass es sich bei den von der GmbH erteilten Zusagen um „Pensionsverpflichtungen i.S. von § 6a Abs. 1 EstG [handelt], für die Pensionsrückstellungen gebildet werden dürfen.“
1. Die von der GmbH erteilten Zusagen dienen nicht allein der Vermögensbildung, sondern einem Versorgungszweck, weil der Zeitpunkt für die Erbringung der Leistungen an biometrische Risiken geknüpft ist. Insofern handelt es sich nicht um „Beitragszusagen“.
2. Die Versorgungsberechtigten haben einen Rechtsanspruch auf Versorgungsleistungen. Der Rechtsanspruch setzt dabei also nicht voraus, dass eine garantierte Mindestversorgung zugesagt ist. Er besteht auch dann, wenn die Leistungen lediglich dem Grunde nach zugesagt sind und sich die Höhe der zugesagten Leistungen allein nach dem bis zum Versorgungsbeginn ungewissen Wert der Fondsanteile bzw. dem Deckungskapital der Rückdeckungsversicherung richtet. Der BFH stellt explizit klar, dass er der im BMF-Schreiben vom 17. Dezember 2002 vertretenen anderslautenden Auffassung der Finanzverwaltung nicht zu folgen vermag. Das ist einer der zentralen Punkte des BFH-Beschlusses.
3. Die Zusage ist steuerlich als Direktzusage einzuordnen. Die Frage, ob es sich um Leistungen der bAV im Sinne des Betriebsrentengesetzes handelt, ist für die steuerliche Anerkennung nicht relevant. Insbesondere das für BOLZ geltende arbeitsrechtliche Unmittelbarkeitserfordernis spielt für die Frage, ob eine Pensionsrückstellung gebildet werden darf, keine Rolle.
4. Die künftigen Pensionsleistungen hängen zwar von der ungewissen Wertentwicklung des Fondswerts der Rückdeckungsversicherung ab; eine steuerschädliche „Gewinnabhängigkeit“ im Sinne des § 6a Abs. 1 Nr. 2 Fall 1 EStG ergibt sich daraus jedoch nicht. Diese „bezieht sich allein auf gewinnabhängige Bezüge, also nur auf zukünftige Tantiemen und Boni des Arbeitgebers“, nicht jedoch auf die Abhängigkeit von anderen externen „Quellen, speziell von Wertpapieren wie Fondsanteilen und Aktien, oder die Wertentwicklung der in solche Wertpapiere investierten Rückdeckungslebensversicherung“. Insofern darf die Bildung einer Pensionsrückstellung aus diesem Grund nicht versagt werden.
5. Die Ungewissheit über die Leistungshöhe, die sich aus der Ungewissheit über die Wertentwicklung der Bemessungsgrundlage ergibt, ist nicht gleichzusetzen mit der Ungewissheit, die sich aus einem Vorbehalt zur Minderung oder zum Entzug einer Pensionsanwartschaft oder einer laufenden Leistung ergibt. Insofern liegt bei den Zusagen der GmbH kein steuerschädlicher Vorbehalt im Sinne das § 6a Abs. 1 Nr. 2 Fall 1 EStG vor, der den Ansatz einer Pensionsrückstellung verhindert.
6. Der Inhalt der Zusage lässt sich zweifelsfrei feststellen. Auch im Hinblick auf die Höhe der Pensionsleistungen bestehen keine Unklarheiten. Das Eindeutigkeitsgebot verlangt „zwar eindeutige Angaben unter anderem zur Höhe der in Aussicht gestellten künftigen Leistungen […]; dies erfordert jedoch nicht die Angabe eines bezifferten Betrags. Die Höhe der künftigen Leistungen i.S. von § 6a Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 EStG meint das Volumen der Leistungen, die genau festzulegen sind, entweder als fester Betrag oder abhängig von – wie im Streitfall – definierten Bemessungsgrundlagen.“ Auch hier ergeben sich keinerlei Ansatzpunkte, die steuerliche Rückstellungsbildung zu versagen. Die Klarstellung, dass die Angabe einer „bezifferten Betrags“ entbehrlich ist, ist einer jener Pflöcke, an denen künftig keiner mehr vorbeikommt.
Die Grenze: der steuerliche Teilwert nach §6a EStG
Damit ist der Nullansatz, der der Finanzverwaltung vorschwebte, vom Tisch. Allerdings geht dem BFH auch der von der GmbH begehrte handelsrechtliche Ansatz zu weit.
1. Am steuerlichen Teilwert führt kein Weg vorbei, und zwar genau so, wie er im Gesetz definiert ist. Das heißt, im Regelfall gilt der Barwert der künftigen Pensionsleistungen abzgl. des Barwerts gleichbleibender Beiträge, die auf den Beginn des Dienstverhältnisses ermittelt werden, als Teilwert. Abweichend davon wird im Fall der Entgeltumwandlung mindestens der Barwert der erreichten, gesetzlich unverfallbaren Anwartschaft als Teilwert angesetzt. Es handelt sich hierbei um eine „abschließende steuerliche Spezialregelung für die steuerliche Bewertung von Pensionsrückstellungen“, die der Gesetzgeber bei der Einführung des BilMoG offenbar bewusst so belassen hat, obwohl er sie an die handelsrechtlichen Regelungen zur Bewertung wertpapiergebundene Zusagen hätte anpassen können.
2. Die Anwendung des steuerlichen Teilwerts kann nicht durch die allgemein anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik „überschrieben“ werden. Das gilt auch dann, wenn man wie die GmbH die Auffassung vertritt, dass der handelsrechtliche Ansatz „den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik besser entspricht als die gesetzliche Anordnung in § 6a Abs. 3 Satz 2 EStG“. Allein die Berechnung des Teilwerts selbst hat nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik zu erfolgen.
3. Der Rechnungszins für die Berechnung des Teilwerts ist 6,0%. Quasi im Vorbeigehen räumt der BFH in diesem Zusammenhang sämtliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Rechnungszinses aus dem Weg: Den Ausführungen des BVerfG zur Abweisung der Vorlage, mit der das FG Köln die Verfassungsmäßigkeit des steuerlichen Rechnungszinses von 6,0% überprüfen lassen wollte (BVerfG vom 28. Juli 2023 – 2 BvL 22/17), „kann entnommen werden, dass das BVerfG auch bei einer sachlichen Prüfung den Rechnungszinsfuß von 6% nicht für verfassungswidrig halten würde.“ Ende der Durchsage.
4. Bei der Ermittlung der „künftigen Pensionsleistungen“, die der steuerlichen Teilwertberechnung zugrunde liegen, dürfen Erhöhungen und Verminderungen, die sich nach dem Bilanzstichtag ergeben und hinsichtlich ihres Zeitpunktes und Umfangs ungewiss sind, nicht berücksichtigt werden (§ 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 4 EStG). Bei der Frage nach der „Abhängigkeit der Versorgungsleistungen von künftigen ungewissen Ereignissen – wie hier von der Wertentwicklung der zugrunde liegenden Wertpapiere – sind […] allgemein die zum Bilanzstichtag bestehenden Wertverhältnisse zugrunde zu legen.“ Im Klartext bedeutet das: Als künftige Pensionsleistungen sind „die zu den jeweiligen Bilanzstichtagen aktuellen Werte des entsprechenden Anteils am Deckungskapital der Rückdeckungslebensversicherungen zugrunde zu legen.“ Das ist wirklich neu und aus Sicht eines versicherungsmathematischen Sachverständigen ein weiterer zentraler Punkt des BFH-Beschlusses.
5. Beherrschende GGF sind ein Spezialfall. Entgeltumwandlungen beherrschender GGF dürfen nicht mit dem Barwert der erreichten Anwartschaft bewertet werden, sondern werden wie arbeitgeberfinanzierte Zusagen behandelt, d.h. der steuerliche Teilwert ist nach der Barwertdifferenzenmethode zu ermitteln. Insofern bestätigt der BFH bereits bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung.
Fazit: völlig neue Grundlage, doch nicht befriedigend – und ein langer Weg in die Praxis
Mit seinem Beschluss stellt der BFH die steuerliche Bewertung wertpapiergebundener Zusagen auf eine völlig neue Grundlage. Es ist sehr zu begrüßen, dass das Gericht den Nullansatz der Finanzverwaltung verwirft und das zum Bilanzstichtag vollständig in Fonds investierte Deckungskapital der Rückdeckungsversicherung als Bemessungsgrundlage für den steuerlichen Teilwert zulässt.
„Der Beschluss zeigt, was der gegebene Gesetzesrahmen hergibt und was nicht.“
Und trotzdem bleibt der vom BFH für rechtens befundene Ansatz unbefriedigend. Denn von der handelsrechtlich gebotenen vernünftigen kaufmännischen Beurteilung wertpapiergebundener Pensionsverpflichtungen ist man immer noch meilenwert entfernt. Aber mehr ist einfach nicht drin. Der Beschluss zeigt klar und deutlich auf, was der gegebene Gesetzesrahmen hergibt und was nicht.
Darüber hinaus enthält der BFH-Beschluss zahlreiche Aussagen, die in der steuerlichen Bilanzierungs- und Bewertungspraxis durchaus hilfreich sein können. Beispielsweise stellt sich die Frage, ob und inwieweit sich die Argumentation des BFH in Bezug auf zukünftige Pensionsleistungen, die von der Entwicklung eines Fondswertes bzw. Deckungskapitals einer Rückdeckungsversicherung abhängig sind, auch auf andere Sachverhalte übertragen lässt. Interessant erscheinen dabei z.B. solche Zusagen, bei denen das vorhandene Versorgungskapital mit Eintritt des Versorgungsfalls nach den dann geltenden Bewertungsparametern oder Rückdeckungstarifen in eine Rente umgerechnet wird. Die Finanzverwaltung sieht in der Praxis in solchen Fällen bisweilen das Eindeutigkeitsgebot verletzt und versagt insoweit die steuerliche Anerkennung der Pensionsrückstellung. Der BFH liefert gute Argumente, um dagegenzuhalten.
Abgesehen davon, ist der Beschluss für die Finanzverwaltung eine einzige Klatsche. Das BMF-Schreiben vom 17. Dezember 2002 ist in seiner jetzigen Form – zumindest was den ersten Abschnitt betrifft – so nicht mehr haltbar!
Aber nicht zu früh gefreut: Es mag ein Leichtes sein, die Absätze des BMF-Schreibens, die vom BFH einkassiert wurden, zu streichen. Das allein schafft aber noch keine Rechtssicherheit. Denn der verhandelte Fall war nicht nur insofern atypisch, als die Zusage keine Mindestversorgung vorsah, sondern auch insofern, als nur Einmalbeiträge vereinbart waren.
Doch insb. bei arbeitgeberfinanzierten BOLZ sind laufende Beiträge üblich. In diesem Fall stellt sich die Frage, wie künftige Beiträge bei der Ermittlung der zukünftigen Pensionsleistungen am Bilanzstichtag zu berücksichtigen sind. Ein aus Sicht eines versicherungsmathematischen Sachverständigen vernünftiger Ansatz wäre, dem Fondswert zum Bilanzstichtag die Summe der bis zum Eintritt des Versorgungsfalls noch anfallenden (Spar-) Beiträge hinzuzurechnen, diesen Betrag jeweils mit der zugesagten Mindestversorgung zu maximieren und die resultierende Pensionsleistung mit dem steuerlichen Teilwert zu bewerten.
Abbildung 2 zeigt am Beispiel einer typischen wertpapiergebundenen BOLZ schematisch, wie sich dieser Ansatz vom HGB-Ansatz unterscheiden würde. Der Darstellung liegt das Beispiel einer kongruent rückgedeckten, fondsgebundenen Kapitalzusage mit garantiertem Mindestkapital sowie Rentenoption und laufendem Beitrag zugrunde. Macht der Versorgungsberechtigte von seinem Rentenwahlrecht Gebrauch, wird das vorhandene Kapital auf der Grundlage eines passenden Rückdeckungsversicherungstarifs verrentet:
Grafik zur Volldarstellung anklicken.
Gleichwohl ist nicht gesagt, dass diese Sicht von der Finanzverwaltung auch geteilt wird. Und selbst wenn, dann ist es erfahrungsgemäß noch ein langer Weg, bis die neuen Regelungen auch Eingang in ein neues bzw. vollständig überarbeitetes BMF-Schreiben gefunden haben.
Für die Übergangszeit erscheint es daher zielführend, wenn der BFH-Beschluss so schnell wie möglich im Bundessteuerblatt veröffentlicht und das BMF-Schreiben aufgehoben wird. Nur so kann vermieden werden, dass sich die Finanzverwaltung weiter an eine überholte Verwaltungsanweisung halten muss und dem Steuerpflichtigen, wenn es hart auf hart kommt, damit nur der Klageweg bliebe, um die Rechtsauffassung des BFH für sich in Anspruch nehmen zu können.
Und ansonsten träumen wir weiterhin davon, dass der Gesetzgeber eines Tages den §6a einschließlich 6,0% Zins und Teilwert entsorgt, die Bewertung auf das Anwartschaftsbarwertverfahren mit 3,25% Zins umstellt und bei wertpapiergebundenen bzw. kongruent rückgedeckten Zusagen eine Gleichlaufbilanzierung wie im Handelsrecht zulässt./
Der Beschluss XI R 25/21 des BFH vom 4. September 2024 findet sich hier.
Der Autor ist Chefaktuar der Heubeck AG in Köln.
Von Autorinnen und Autoren der Heubeck AG sind zwischenzeitlich bereits auf PENSIONS●INDUSTRIES erschienen:
Der BFH zu wertpapiergebunden Zusagen: Heubeck Kolloquium 2024 – Full House für die bAV: 18. IVS-Forum: Die Beitragsbemessungsgrenze ab 2025 – Jump wie noch nie (II): Die Beitragsbemessungsgrenze ab 2025: Wachstumschancen-Gesetz: DAV/DGVFM-Jahrestagung 2023 in Dresden (VI): Heubeck-Kolloquium 2022: 15. IVS-Forum: Konkretisierungen aus der Wilhelmstraße: BAG zur Einstandspflicht des Arbeitgebers: BAG urteilt zum 16er:
Von Klatschen und Pflöcken
von Friedemann Lucius, 13. März 2025
Es muss nicht immer das Sozialpartnermodell sein ...
von Andrea Riedinger, Silke Seeger und Marcus Müller, 15. November 2024
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In der Praxis meist erfüllt …
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