Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

#womeninpensions zum Weltfrauentag:

Spot on betriebliche Altersversorgung für diejenigen …

die es wirklich essentiell angeht: die Geringverdienerinnen und Geringverdiener in Deutschland. Denn hier – und gerade bei den Frauen – ist die Lage in der Altersvorsorge nicht selten prekär. Da gilt es zumindest die Möglichkeiten zu nutzen, die der Gesetzgeber hierfür geschaffen hat, mahnen Claudia Veh und Hanne Borst zum Weltfrauentag.

Jede fünfte Frau und jeder sechste Mann in Deutschland arbeiten im Niedriglohnsektor Diese Zahlen hat das Statistische Bundesamt in seiner Pressemitteilung am 8. Februar veröffentlicht. Mehr als die Hälfte dieser Beschäftigungsverhältnisse im Niedriglohnsektor lag im Gastgewerbe. In der öffentlichen Verwaltung und der Finanz- und Versicherungsbranche waren die Anteile mit 4% bzw. 6% am niedrigsten (vgl. Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung 050 vom 8. Februar2024).

Frauen arbeiten zudem häufiger in Teilzeit, nehmen häufiger und längere Auszeiten für Care-Arbeit und sind seltener in Führungspositionen tätig. Aufgrund ihres geringeren Einkommens sind Frauen im Alter wesentlich häufiger armutsgefährdet als Männer (vgl. Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung 015 vom 7. März 2023).

Finanzielle Sorgen beeinflussen die Arbeitsleistung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen

Hanne Borst, WTW.

Im Zuge der 2022 von WTW durchgeführten Global Benefits Attitude Survey gaben 32% der Befragten an, über keine Möglichkeit zu verfügen, finanzielle Rücklagen zu bilden. Und: Finanzielle Sorgen führen zu Auswirkungen für Beschäftigte und Arbeitgeber: Die Anspannung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ist bei denjenigen, die keine Möglichkeit haben, Rücklagen aufzubauen mehr als doppelt so hoch wie bei denen, die in der Lage sind, Rücklagen aufzubauen.

Die Wahrscheinlichkeit eines Burnouts liegt bei dieser Gruppe ebenfalls doppelt so hoch; ebenso die Bereitschaft, seinen Arbeitgeber zu wechseln. 69% der Befragten gaben an, zu wenig für ihre Altersversorgung zu tun.

Zusätzliche Altersversorgung dringend nötig

Claudia Veh, KPMG.

Dass bei Beschäftigten mit einem niedrigen Einkommen und folglich niedrigen Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung zusätzliche Altersversorgung dringend not tut, ist klar. Spielraum für private Vorsorge ist, realistisch betrachtet, kaum vorhanden.

Nicht viel anders sieht es bei Entgeltumwandlung aus. Auch unter Betrachtung sämtlicher Anreize und Vorteile wie dem verpflichtenden Zuschuss des Arbeitgebers zur Entgeltumwandlung ist es oftmals schlichtweg nicht möglich, auf einen gewissen Betrag des monatlichen Nettoentgelts zu verzichten.

Der Gesetzgeber setzt deshalb mit einer steuerlich geförderten arbeitgeberfinanzierten bAV attraktive Anreize.

§ 100 EStG – ideal für Beschäftigte mit niedrigem Arbeitsentgelt und damit auch für viele Frauen

Neben den bekannten üblichen und etablierten Versorgungsmodellen hat der Gesetzgeber im Zuge des Betriebsrentenstärkungsgesetzes im Jahr 2018 mit dem § 100 EStG eine spezielle Förderung von bAV für Beschäftigte mit einem Arbeitseinkommen bis zu (derzeit) 2.575 Euro monatlich eingeführt.

Mit dieser Förderung werden Arbeitgeber subventioniert, wenn sie ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine arbeitgeberfinanzierte bAV mit einem Beitrag in Höhe von mindestens 240 Euro und maximal 960 Euro jährlich gewähren. Die Förderung erfolgt im Wege einer Verrechnung mit der abzuführenden Lohnsteuer („Förderbetrag“).

Arbeitgeber, deren Beitragszahlungen die geforderten Voraussetzungen erfüllen, erhalten einen Zuschuss in Höhe von 30% der Beitragszahlung. Der Zuschuss ist allerdings begrenzt auf 30% des maximalen Jahresbeitrags von 960 Euro, also auf 288 Euro. Die Mindestförderung beträgt 72 Euro (30% von 240 Euro). Der Zuschuss muss vom Arbeitgeber nicht beantragt werden, sondern kann einfach bei der Lohnsteueranmeldung des kommenden Monats abgezogen werden.

Damit ist der Nettoaufwand des Arbeitgebers deutlich geringer als wenn er bAV-Beiträge außerhalb des § 100 EStG leistet:

Der Gesetzgeber hat mit der Förderung nach § 100 EStG eine sehr gute Möglichkeit zur Reduktion von Versorgungslücken bei Personen mit niedrigem Arbeitseinkommen geschaffen. Berater und Vertriebe sollten diese Fördermöglichkeiten aufgreifen und den Arbeitgebern erläutern. Vielen ist diese attraktive Form der Förderung und Bindung der Beschäftigten nicht bekannt.

Wünsche an den Gesetzgeber – Weiterentwicklung der Förderhöchstgrenzen

Seit der Einführung des § 100 EStG hat der Gesetzgeber die monatlichen Einkommensgrenzen im Jahr 2020 einmalig auf 2.575 Euro angehoben. Regelmäßige Lohn- und Gehaltssteigerungen führen dazu, dass Beschäftigte aus dem Kreis der Begünstigten herauswachsen. Um dem entgegenzuwirken und die Attraktivität der vom Arbeitgeber finanzierten betrieblichen Altersversorgung insbesondere für Geringverdienerinnen und Geringverdiener weiter zu erhöhen, sollte der Gesetzgeber die Grenze erneut anheben und künftig z.B. entsprechend einer dynamischen Sozialversicherungsgröße dynamisieren.

Fazit

Arbeitgeberfinanzierte bAV ist für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wichtig – nicht nur, aber auch und in der Regel sogar besonders für die niedrigen Lohngruppen. Damit der Arbeitgeber auch diese bei der Planung der bAV mit berücksichtigt, hat der Gesetzgeber mit dem § 100 EStG eine Zusatzförderung geschaffen.

Die Förderung nach § 100 EStG zeigt: Wenn alle Akteure bereit sind, aktiv etwas für die bAV zu tun – beim § 100 EStG konkret der Gesetzgeber und die Arbeitgeber – dies auch gelingen kann. Dass in diesem Fall vor allem Frauen die Begünstigten sind, ist ein schöner Effekt, da insgesamt vor allem Frauen von Altersarmut bedroht sind (s. Gender Pension Gap: Alterseinkünfte von Frauen 2021 fast ein Drittel niedriger als die von Männern – Statistisches Bundesamt/destatis.de).

Die Autorinnen:

Hanne Borst ist Mitglied der Geschäftsführung und Head of Retirement bei WTW.

Claudia Veh ist Aktuarin und Director Deal Advisory Pensions in der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.

Beide sind Mitglieder der Initiative #womeninpensions.

Von Autorinnen und Autoren der KPMG sind zwischenzeitlich bereits auf PENSIONSINDUSTRIES erschienen:

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Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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