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Kürzlich Großkampftag in Erfurt (II):

Abfuhr mit Ansage

In der lange brisanten Frage der Pflicht der Arbeitgeber zu einem15er-Zuschuss zur Entgeltumwandlung trotz eines Tarifvertrages, der älter als die Vorschrift selbst ist, hat der Dritte Senat das BAG seine noch junge, aber klärende Rechtsprechung in gleich zwei Verfahren ohne jedes Federlesens bekräftigt. Der bAV dient das – und zwar sehr grundsätzlich. Doch darüber hinaus hat die Sache in einem bestimmten Segment eine weitreichendere Bedeutung.

Wie berichtet, lagen der als Arbeitgeber beklagte Landkreis Vorpommern-Rügen (Kommunaler Arbeitgeberverband Meck-Pomm e.V. in Schwerin) und einer seiner Mitarbeiter in der Frage über Kreuz, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, einen 15er-Zuschuss zur Entgeltumwandlung zu leisten – oder ob dies wegen einer abweichenden Regelung in einem vor Inkrafttreten der Bestimmung geschlossenen Tarifvertrag ausgeschlossen ist.

Das BAG auf der Erfurter Zitadelle. Foto: Bazzazi.

Die dem Fall 3 AZR 53/24 zugrundeliegende Thematik war lange brisant, aber an sich seit den drei hier ausführlich diskutierten Entscheidungen des Dritten Senats vom August 2024 eindeutig ausgeurteilt.

Insofern musste man kein Hellseher sein, um vorab geahnt zu haben, wie die Sache – ungeachtet dessen, dass beide Vorinstanzen der Klage stattgegeben hatten – in Erfurt ausgehen wird. In einer Mitteilung des Gerichts erläutert der Dritte Senat seine Entscheidung (gerafft):

Von den gesetzlichen Regelungen zur Entgeltumwandlung (§ 1a BetrAVG) einschließlich des Anspruchs auf einen Arbeitgeberzuschuss nach § 1a Abs. 1a BetrAVG kann gemäß § 19 Abs. 1 BetrAVG auch in Tarifverträgen abgewichen werden, die bereits vor Inkrafttreten des Ersten Betriebsrentenstärkungsgesetzes am 1. Januar 2018 geschlossen wurden.

[…]

Die Revision des Beklagten war vor dem Dritten Senat des BAG erfolgreich. Die Auslegung von § 19 Abs. 1 BetrAVG ergibt, dass von § 1a BetrAVG abweichende Regelungen auch in vor dem Inkrafttreten des Ersten BRSG geschlossenen Tarifverträgen enthalten sein können. Mit den Regelungen des TV-EUmw/VKA liegt eine solche von § 1a BetrAVG abweichende Regelung im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrAVG vor. Es bedarf weder einer konkreten oder ausdrücklichen Abbedingung des Zulagenanspruchs aus § 1a Abs. 1a BetrAVG im Tarifvertrag noch einer hierauf bezogenen oder sonstigen Kompensation.“

Rückkehr an den Verhandlungstisch?

Hagen Hügelschäffer, AKA.

Übrigens hat die Sache eine weitere tarifpolitische Komponente: Wie Hagen Hügelschäffer, Geschäftsführer der AKA, gegenüber PENSIONSINDUSTRIES erklärte, bleibt zu hoffen, dass nach dieser BAG-Entscheidung die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren werden, um zunächst die schon vor einigen Jahren erarbeiteten notwendigen Anpassungen der Versorgungstarifverträge umzusetzen.

Darüber hinaus zeichnen sich, so der AKA-GF, schon weitere Änderungen ab, sofern nach erfolgter Regierungsbildung das BRSG II verabschiedet werden sollte; diese betreffen insb. den Versicherungsfall der Teilrente, der auch für die Versorgungstarifverträge des öffentlichen Dienstes weiteren Anpassungsbedarf zur Folge haben wird.

Ein guter Dienst

Stephanie Rachor, BAG. Foto: BAG.

Der Senat hat in dem am selben Tag angesetzten Parallelverfahren – 3 AZR 75/24 – zum zwischen der Gewerkschaft NGG und dem Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie eV geschlossenen „Tarifvertrag über die Förderung einer tariflichen Altersvorsorge und Entgeltumwandlung“ vom 18. April 2011 (TV AV) ebenso entschieden – hier ebenfalls unter Kassierung der Vorinstanz OLG Hamm.

Fazit: Eine Rechtsunklarheit der an solchen nicht armen bAV ist damit von der Rechtsprechung wohl endgültig ausgemerzt worden. Das ist zur Abwechslung mal wieder eine kleine gute Nachricht. Jede Art von für die Arbeitgeber kostspieliger Rückwirkung fügt der bAV – in der es regelmäßig um sehr lange Horizonte, große Stückzahlen und enorme Summen geht – schweren Schaden zu. Erfurt hat ihr damit einen guten Dienst erwiesen.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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