Der Komplex GGF–bAV–vGA ist häufiger Gast vor dem Bundesfinanzhof – und damit auch auf LEITERbAV. Dabei sollten viele Fragen infolge einschlägiger BMF-Schreiben geklärt sein – unter anderem die nach dem Umgang mit Betriebsrenten, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer als Pensionist weiter im Unternehmen tätig ist. Eigentlich jedenfalls. Claudia Veh analysiert die gegenwärtige, höchstrichterliche Rechtssprechung.
Dass viele Gesellschafter-Geschäftsführer (GGF) nach Vollendung des vertraglich vereinbarten Pensionsalters (gegen Entgelt) weiterarbeiten, ist nicht neu. Dass sich hier regelmäßig die Frage stellt, was mit den – eigentlich – fälligen Pensionsansprüchen passiert, auch nicht. Dass der BFH lange Zeit eine andere Meinung vertrat als das BMF, ebenfalls nicht. Und dass hier seit dem BMF-Schreiben vom 18. September 2017 (IV C 6 – S 2176/07/10006 – 2017/0761018) endlich weitgehend Kongruenz herrscht, sollte inzwischen auch bekannt sein.
Diese sieht im Übrigen so aus, dass entgegen früher vertretener Auffassung des BMF das Ausscheiden aus dem Arbeits-/Dienstverhältnis für den Bezug von Altersversorgungsleistungen nicht mehr zwingend nötig ist, jedoch beim GGF eine Anrechnung von Aktivbezügen auf Pensionsleistung erfolgen muss – ansonsten resultiert in Höhe der „Nicht-Verrechnung“ eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA).
Trotz dieser grundsätzlich klaren Richtlinien häufen sich nach wie vor Fälle, die vor der Finanzgerichtsbarkeit ausgetragen werden müssen. Der Eindruck entsteht, dass die Finanzverwaltung in der „neuen Welt des BMF-Schreibens vom 18. September 2017“ noch nicht so recht ankommen möchte.
Von Westfalen über Hessen und das Saarland …
So hatte sich das FG Münster am 25. Juli 2019 (10 K 1583/19 K) mit einem Fall zu befassen, in dem der sich bereits im Ruhestand befindliche GGF in die Firma aus elementaren betrieblichen Interessen „zurückgeholt“ wurde, dort ein reduziertes Gehalt und seine laufende Altersversorgung parallel bezog. Die von der Finanzverwaltung diagnostizierte vGA aufgrund des gleichzeitigen Bezugs von Rente neben Gehalt konnte das Finanzgericht nicht nachvollziehen. Der Fall liegt nun beim BFH (I R 41/19).
In einem weiteren Fall, der vor dem FG Hessen am 21. August 2019 (4 K 320/17) verhandelt wurde, störte sich die Betriebsprüfung nicht an der – im Einklang mit erwähntem BMF-Schreiben – vorgenommenen Verrechnung von Aktivgehalt und Altersversorgung, sondern stellte in Frage, ob diese Verrechnung vom Wortlaut der Zusage gedeckt sei.
In diesem Fall behandelte der Betriebsprüfer den anlässlich der späteren Auslagerung der Zusage auf einen Pensionsfonds geleisteten Einmalbeitrag der Firma ebenfalls als vGA – denn wenn die Zusage eine vGA impliziert, könne seines Erachtens für die Auslagerung auf den Pensionsfonds nichts anderes gelten. Das FG konnte dem Prüfer jedoch in beiden Punkten nicht folgen, Urteil rechtskräftig.
Und in einem Fall, der vom FG Saarland zu entscheiden ist (1 V 1424/19), geht es um den gleichzeitigen Bezug von Invalidenrente und Gehalt. Der Betriebsprüfer sah in der gezahlten Invalidenrente, die im Übrigen auf das Aktivgehalt vollumfänglich angerechnet wurde, eine vGA. Das FG sah dies zumindest als zweifelhaft an und beschloss am 30. Juni 2020 die Aussetzung der Vollziehung. Der BFH wird auch diesen Fall zu entscheiden haben (I B 43/20).
… bis nach München
Und nun liegt das Urteil des BFH vom 17. Juni 2020 (I R 56/17) zu einem Fall vor, der am 4. Juli 2017 – also kurz vor Erscheinen des einschlägigen BMF-Schreibens – vom FG Schleswig-Holstein in erster Instanz entschieden worden war (1 K 201/14).
Diese Häufung der Fälle zum gleichzeitigen Bezug von bAV-Leistung neben Gehalt ist auffallend und zeigt, wie relevant dieses Thema in der Praxis ist.
Worum ging es im aktuellen, vom BFH entschiedenen Fall (I R 56/17) nun genau?
Es ist sozusagen ein Klassiker: Der GGF hatte eine Pensionszusage mit einem angemessenen Versorgungsniveau. Die Höhe der zugesagten Altersrente erhöhte sich gemäß Wortlaut der Zusage entsprechend der Bruttovergütung. Bei einer Reduktion der Bruttovergütung sollte die Altersrente auf den zuletzt erreichten Stand eingefroren werden, maximal jedoch auf 75% des reduzierten Gehalts.
Der GGF erreichte die Altersgrenze und bezog seine Altersrente. Gleichzeitig zum Beginn der Altersrentenzahlungen wurde mit ihm ein neuer Anstellungsvertrag geschlossen, auf Basis dessen er eine Vergütung in Höhe von 1.500 Euro monatlich für die Tätigkeit als Geschäftsführer in beratender Funktion und für die Beaufsichtigung eines geplanten Neubaus erhalten sollte.
Bei einer Betriebsprüfung kürzte der Prüfer die gebildeten Pensionsrückstellungen aufgrund der Formulierung in der Pensionszusage auf eine Zusage in Höhe von 75% von 1.500 Euro (dem Gehalt aus dem neuen Anstellungsvertrag). Weiter behandelte er die ausgezahlte Altersrente in Höhe von 3.417,10 Euro monatlich vollumfänglich als vGA, da sie vor der vertraglichen Fälligkeit gezahlt wurde. Denn gemäß Wortlaut der Zusage würde die Rente erstmals in dem Monat gezahlt werden, in „dem kein Gehalt oder entsprechende Zahlungen mehr geleistet werden“.
Sowohl das FG Schleswig-Holstein als nun auch der BFH kamen jedoch zu einem anderen Ergebnis:
Zum einen ist die Kappung auf 75% der Bruttovergütung nicht auf solche Arbeitseinkommen anzuwenden, die auf Basis eines neu abgeschlossenen Arbeitsvertrags erzielt werden. Das Gericht sah entgegen der Meinung des Betriebsprüfers in dem neuen Anstellungsvertrag eine eigenständige Neuregelung des Dienstverhältnisses und nicht lediglich eine Fortsetzung des bestehenden ohne Unterbrechung. Dementsprechend sind die Pensionsrückstellungen für einen Altersrentenanspruch in Höhe von 3.417,10 Euro zu ermitteln und nicht für einen Anspruch in Höhe von lediglich 75% von 1.500 Euro.
Eine vGA liegt (in Einklang mit dem BMF-Schreiben vom 18. September 2017) nur insoweit vor, wie die Aktivbezüge (1.500 Euro) nicht auf die Versorgungsleistung (3.417,10 Euro) angerechnet worden sind – aber nicht, wie es der Betriebsprüfer sehen wollte, in voller Höhe der Versorgungsleistungen. Damit bestätigt der BFH die Grundsätze aus seiner bisherigen einschlägigen Rechtsprechung.
Anrechnung von Aktivbezügen auf Altersversorgung
Für die Praxis lässt sich festhalten: Der gleichzeitige Bezug von Altersversorgung und Gehalt ist möglich. Allerdings muss eine Anrechnung der Aktivbezüge auf die Altersversorgung erfolgen. Wird dies missachtet, wird die gezahlte Altersversorgung in Höhe der (nicht angerechneten) Gehaltszahlung als vGA behandelt.
Weiter hat der BFH im vorliegenden Fall entschieden, dass eine in der Pensionszusage vereinbarte Obergrenze beim Versorgungsniveau nicht auf einen nach Ausscheiden aus dem Unternehmen neu abgeschlossenen Arbeitsvertrag anzuwenden ist. Auch dieser Punkt dürfte für die Praxis relevant sein.
Und grundsätzlich sollte stets darauf geachtet werden, dass alle Regelungen zur Pensionszusage klar und eindeutig dokumentiert und von der Gesellschafterversammlung beschlossen werden. Dies gilt auch für den Fall, dass der GGF nach Erreichen der Altersgrenze weiter für das Unternehmen tätig ist und eine Anrechnung von Aktivbezügen auf bAV-Leistung erfolgt. Eine klare Dokumentation erleichtert das Nachvollziehen der einzelnen Schritte und Berechnungen bei der nächsten Betriebsprüfung.
Was ggf. bleibt, ist die Frage, warum überhaupt eine Anrechnung von Aktivgehalt auf bAV-Leistung erfolgen muss. Hält dies wirklich dem Fremdvergleich mit angestellten, nicht am Gesellschaftskapital beteiligten Geschäftsführern stand? Sollte man dies verneinen mögen, bleibt nur die Einsicht, dass für GGF – wie so oft – auch in diesem Punkt eben andere Regeln gelten als für nicht beteiligte GF.
Die Autorin ist Director, Deal Advisory, Pensions bei KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in München.
Von Autorinnen und Autoren der KPMG sind zwischenzeitlich bereits auf LEITERbAV erschienen:
Neulich in Nürnberg – die Frage der Erdienbarkeit:
Let’s play Pension and Servant
von Dr. Claudia Veh, 25. April 2024
#womeninpensions zum Weltfrauentag:
Spot on betriebliche Altersversorgung für diejenigen ...
von Dr. Claudia Veh und Hanne Borst
Neulich in München:
Rückabwicklung = Verzicht = steuerlicher Zufluss?
von Dr. Claudia Veh, 19. Februar 2024
Neulich in Westfalen:
Für gewöhnlich nicht außerordentlich
von Dr. Claudia Veh, 15. Januar 2024
Neulich in Nürnberg:
Wie ich dir, so ich mir?
von Dr. Claudia Veh, 21. August 2023
Neulich in Münster:
Und sind so klug als wie zuvor
von Dr. Claudia Veh, 5. Juni
Schuldbeitritt zu Pensionsverpflichtungen und der § 4f EStG:
Mütter, Töchter, vGA
von Dr. Claudia Veh, 24. April 2023
Neulich in München:
Wenn Betriebsrente in drei Teilen …
von Dr. Claudia Veh, 3. April 2023
FG Hamburg:
Von wilden Pferden und bilanziellen Sprüngen
von Dr. Claudia Veh, 22. März 2023
#womeninpensions-Kommentar – mit Wirkung auf die bAV (I):
Gender Gap in der bAV
von Dr. Claudia Veh, 15. Februar 2023
Die Effekte der Inflation außerhalb der Direktzusage:
Auch mittelbar teuer
von Dr. Claudia Veh, 23. Januar 2023
Vergangenen September in München (II):
Not a two of us?
von Dr. Claudia Veh, 22. April 2022
Neulich von Köln nach München und zurück:
Die Sache mit der Fünftelungsregelung
von Dr. Claudia Veh, 28. Januar 2022
GGF-Pensionszusage, 6a und vGA:
Indizienprozess in Düsseldorf
von Dr. Claudia Veh, 25. Oktober 2022
Zahlungsströme aus RDV und Zusage:
Künftig kongruent
von Andreas Johannleweling und Dr. Claudia Veh, 11. August 2021
Neulich in München:
Wenn der Chef einfach weitermacht ...
Von Dr. Claudia Veh, 17. Mai 2021
Insolvenzverwalter versus PSV:
Und immer lockt die GGF-Pensionszusage ...
von Dr. Claudia Veh, 11. Februar 2021
Wertgleiche Teilung beim Versorgungsausgleich?
Nicht für den beherrschenden GGF
von Dr. Claudia Veh, 28. Oktober 2020
Der Chef und seine bAV …
von Dr. Claudia Veh, 7. August 2020
Anm. d. Red.: Der Komplex GGF-bAV-Steuer, nicht selten in Kombination mit der Frage der vGA, ist Dauer-Gast vor deutschen Finanzgerichten und damit in der Folge auch auf PENSIONS●INDUSTRIES, allein hier ist mittlerweile eine staatliche Liste an Veröffentlichungen entstanden. Da mit weiteren Entwicklungen zu rechnen ist und die Übersicht nicht verloren gehen soll, hier die wesentlichen Beiträge zu dem Thema; zu nennen sind insb.:
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das Urteil des BFH vom Juli 2016 zu den Folgen eines Wechsels des Durchführungsweges
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das BMF-Schreiben vom Dezember 2016 zum maßgebenden Pensionseintrittsalter als Reaktion auf drei BFH-Urteile
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das Urteil des BFH vom 7. März 2018 zu der Frage der Erdienbarkeitsfristen bei der Entgeltumwandlung eines GGF und der Folgen eines Wechsels des Durchführungswegs, das aber Fragen offen lässt (in der Tactical Advantage Vol 1)
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die beiden BFH-Urteile vom Juli 2019 zur Steuerschädlichkeit von Abfindungsklauseln in Pensionszusagen
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eine Studie aus 2019 zur möglichenVerbreitung gefährlicher Fehler in GGF-Zusagen
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das analoge Urteil des BFH vom März 2020 bei der Frage der Gemeinnützigkeit
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das Urteil des BFH vom 17. Juni 2020 zu der häufigen Streitfrage, inwiefern ein Weiterarbeiten des GGF nach Erreichen der Altersgrenze mit gleichzeitigen Bezug von bAV-Leistung eine vGA bedeutet
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das Urteil des FG Düsseldorf vom November 2021 im Fall einer durch Entgeltumwandlung finanzierten GGF-Zusage
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das ebendort im Juni 2021 ergangene Urteil zur (Un-)Klarheit von Formulierungen in Zusagen
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der vor dem FG Nürnberg im Oktober 2022 verhandelte Fall um die Frage, wie eine angemessene Verzinsung von Versorgungskapital abgeleitet werden kann und ob ein innerbetrieblicher Fremdvergleich anwendbar ist
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das Urteil des FG Münster vom 26. Oktober 2022 angesichts konzerninterner Umstrukturierungen und ihrer Wirkung auf die bAV
- das Urteil des FG Nürnberg vom Dezember 2022, das die Frage der Erdienbarkeit einer Zusage durch einen GGF behandelt
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den im Februar 2023 in Münster verhandelten Fall zu dem Umgang mit Abfindung und Verzicht des GGF
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das BFH-Urteil vom 15. März 2023, das geklärt hat, inwiefern der Bezug von Betriebsrente und Geschäftsführer-Vergütung gleichzeitig möglich ist
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das im Mai 2023 ergangene Urteil des FG Münster, bei dem es erneut um die Abfindung einer GGF-Zusage ging
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die Entscheidung des BFH vom 10. Oktober 2023, wonach das bloße Innehaben von Ansprüchen oder Rechten im Zuge des Versorgungsausgleichs noch nicht zum Zufluss von Einnahmen führt und bei einer Pensionszusage erst die Leistungen der Lohnsteuer unterliegt, nicht jedoch bereits die Anwartschaft
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das Revisions-Urteil vom Februar 2024, in dem der BFH das o.a. Düsseldorfer Urteil vom Juni 2021 zur vorgeblichen (Un-)Klarheit von Formulierungen in Zusagen teilweise verwarf
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Das BMF-Schreiben vom 30. August 2024, mit dem das Ministerium – teils im Dissens – auf das Urteil des BFH vom 15. März 2023 zur Regelung von parallelem Bezug von Betriebsrente und GGF-Vergütung reagiert hat.
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Die diesbezügliche Analyse von Dr. Claudia Veh mit der Erläuterung der offenen Fragen.