Der Komplex GGF-bAV-Steuer ist regelmäßig Gast vor deutschen Finanzgerichten und damit in der Folge auch auf PENSIONS●INDUSTRIES. Meist zeigt sich die Finanzverwaltung kreativ, wenn sie eine vGA meint nachweisen zu können. Doch auch beim Thema Versorgungsausgleich hat sie offenbar „gute“ Ideen – denen die Gerichte offenbar nicht immer folgen können, wie Claudia Veh erläutert.
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Führt die Rückabwicklung eines Versorgungsausgleichs und die damit verbundene Aufgabe eines Pensionsanrechts zu steuerlichem Zufluss? Die Finanzverwaltung meinte ja. Die Geschiedene nein. Und der BFH? Doch eins nach dem andern:
Scheidung mit nachträglichen Änderungen
Der Fall: Ein GGF und seine Ehefrau lassen sich scheiden. Im Verfahren zum Versorgungsausgleich wird die Pensionszusage des Ehemanns intern geteilt; d.h. die Ehefrau erhält ein Anrecht aus der geteilten Pensionszusage des Ehemanns, dessen Anrecht aus der Zusage entsprechend gekürzt wird. Dieser Vorgang bleibt bei der Ehefrau gem. § 3 Nr. 55a Satz 1 EStG steuerfrei.
Danach entscheiden sich die Eheleute anders und schließen über einen notariellen Vertrag den Versorgungsausgleich aus. Die Ehefrau verzichtet mithin auf die Pensionszusage, die damit in ungekürzter Höhe zugunsten des Ehemanns bestehen bleibt. Im Gegenzug erhält sie ein Miteigentum an zwei Grundstücken.
Verzicht auf Pensionszusage mit steuerlichem Zufluss?
Die Finanzverwaltung sah in der Rückabwicklung der Teilung der Pensionszusage einen Verzicht der Ehefrau auf die ihr im Zuge der internen Teilung erteilte Pensionszusage, welcher zu steuerlichem Zufluss in Höhe des Barwerts der Anwartschaft führt und erließ einen entsprechenden Einkommensteuerbescheid.
„Der Sachverhalt erinnert unweigerlich an die Regelungen zum Verzicht eines GGF auf Anwartschaften.“
Nach Wertung der Finanzverwaltung habe die Ehefrau mit der Rückübertragung des Anrechts an den Ehemann über ihren Versorgungsanspruch verfügt.
Analogie zum Verzicht beim GGF
Der Sachverhalt erinnert unweigerlich an die Regelungen zum Verzicht eines GGF auf Anwartschaften aus seiner Pensionszusage. Der Verzicht auf erdiente Anwartschaften führt dort zu lohnsteuerlichem Zufluss in Höhe des Wiederbeschaffungswerts der Forderung aus der Pensionszusage und auf Seiten der GmbH zu einer verdeckten Einlage des GGF, sofern die erdienten Anwartschaften werthaltig sind (vgl. BFH vom 9. Juni 1997 – GrS 1/94; BMF-Schreiben vom 14. August 2012).
Von Stuttgart nach München
Im vorliegenden Fall war die Ehefrau mit der Behandlung durch die Finanzverwaltung verständlicherweise nicht einverstanden. Sie legte vergeblich Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid ein und klagte schließlich vor dem FG Stuttgart (12 K 2861/19) – mit Erfolg. Die Finanzverwaltung ging prompt in Revision. Nun liegt die Entscheidung des BFH vor (Urteil vom 10. Oktober 2023 – IX R 15/22):
BFH sieht keinen Lohnzufluss
Der BFH konnte sich der Finanzverwaltung nicht anschließen. Für seine Entscheidungsfindung dekliniert der BFH die maßgeblichen steuerlichen Rahmenbedingungen und Grundsätze durch:
Das bloße Innehaben von Ansprüchen oder Rechten führt noch nicht zum Zufluss von Einnahmen. Verzichtet etwa ein Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber ohne jegliche Gegenleistung auf einen fälligen Lohnanspruch, handelt es ich beim Arbeitnehmer um einen steuerneutralen Vorgang. Anders ist dies nur, wenn der Arbeitnehmer mit dem Gehaltsverzicht eine Verwendungsabrede verbindet, die der Arbeitgeber erfüllt. In diesem Fall würde der Arbeitnehmer über die Verwendung des Gehalts entscheiden. Das lag vorliegend nach Sicht des BFH jedoch nicht vor.
Weiter unterliegen bei einer Pensionszusage erst die Pensionsleistungen der Lohnsteuer, nicht jedoch bereits eine Anwartschaft auf Versorgungsleistungen. Gleiches gilt für ein Anrecht auf eine Pensionszusage aufgrund einer internen Teilung.
Zudem führt der BFH aus, dass weder Zahlungen der GmbH noch des Ehemanns an die Ehefrau erfolgt sind, um das übertragene Anrecht aus der Pensionszusage zu erfüllen, d.h. es war nicht zu einem Geldzufluss bei ihr gekommen.
Zwar hat die Ehefrau den Wert des auf sie im Versorgungsausgleich übertragenen Anrechts dadurch realisiert, dass sie im Gegenzug für die Aufgabe des Rechts vom Ehemann das ideelle Miteigentum an zwei Grundstücken erhalten hat. Dadurch ergibt sich aber kein Lohnzufluss.
Bezüglich eines etwaigen Verzichts war weiter festzuhalten, dass man keineswegs die GmbH von der Pensionszusage befreien wollte; vielmehr sollte sie in ungekürzter Höhe an den Ehemann geleistet werden.
Weiter hat die Ehefrau auch nicht über einen fälligen Anspruch verfügt, sondern nur über eine Anwartschaft.
Unabhängig davon kann man in der Rückabwicklung keinen Verzicht auf das Anrecht sehen, denn die Ehefrau hat nicht ohne Gegenleistung verzichtet. Eigentlich hat sie – wirtschaftlich betrachtet – auch nicht gegenüber der GmbH auf die Zusage verzichtet, sondern gegenüber dem Ehemann.
Zuletzt stellt der BFH fest, dass auch keine außerordentlichen Einkünfte im Sinne des § 24 Nr. 1 lit. a EStG vorliegen. Die Ehefrau hat keine Entschädigungen für entgangene Einnahmen erhalten, sondern im Rahmen eines entgeltlichen Austauschvertrags eine Gegenleistung für die freiwillige Aufgabe einer werthaltigen Rechtsposition.

Entsprechend der Leitsatz des Urteils::
„Vereinbaren geschiedene Eheleute in einer notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung, dass der in Bezug auf eine Versorgungszusage des Ehemanns zugunsten der Ehefrau durchgeführte interne Versorgungsausgleich in der Weise rückgängig gemacht werden soll, dass die Versorgungszusage wieder in voller Höhe gegenüber dem Ehemann zu erfüllen ist, und erhält die Ehefrau im Gegenzug dafür eine werthaltige Gegenleistung, erzielt sie keine steuerbaren Einkünfte, wenn ihr aus dem übertragenen Anrecht noch kein fälliger Anspruch zustand.“
Damit ist die Finanzverwaltung mit ihrem Begehren, die Rückabwicklung des internen Versorgungsausgleichs mit steuerlichem Zufluss infolge eines Verzichts zu belegen, gescheitert. Das Urteil ist absolut sachrichtig.
Das Urteil weitergedacht: die Anwendung beim GGF?
Wünschenswert wäre, dass der BFH das oben angeführte Argument bzgl. der Gegenleistung für die Aufgabe der Pensionszusage auch auf die Fälle anwendet, in denen die Pensionszusage eines GGF vor Eintritt eines Versorgungsfalls abgefunden wird. Denn auch hier erhält der GGF für die Aufgabe der werthaltigen Pensionszusage eine Gegenleistung in Form der Kapitalzahlung.
Ein Verzicht mit den bekannten Folgen lohnsteuerlichen Zuflusses und einer verdeckten Einlage kann hier also (eigentlich) nicht vorliegen. Diese Handhabung wird allerdings teilweise von der Finanzverwaltung so verfolgt.
Nicht zu entscheiden war durch den BFH, ob ein rechtskräftiger gerichtlicher Beschluss zum Versorgungsausgleich durch eine nachfolgende Vereinbarung der Beteiligten überhaupt zivilrechtlich rückgängig gemacht werden kann. Sollte dies nicht möglich sein, würde sich jedoch an den steuerlichen Folgen gem. § 41 Abs. 1 Satz 1 AO nichts ändern.
Das Urteil IX R 15/22 des BFH vom 10. Oktober 2023 findet sich hier.
Die Autorin ist Aktuarin und Director Deal Advisory Pensions in der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft .
Von ihr und anderen Autorinnen und Autoren der KPMG sind zwischenzeitlich bereits auf PENSIONS●INDUSTRIES erschienen:
Neulich in Nürnberg – die Frage der Erdienbarkeit: #womeninpensions zum Weltfrauentag: Neulich in München: Neulich in Westfalen: Neulich in Nürnberg: Neulich in Münster: Schuldbeitritt zu Pensionsverpflichtungen und der § 4f EStG: Neulich in München: FG Hamburg: #womeninpensions-Kommentar – mit Wirkung auf die bAV (I): Die Effekte der Inflation außerhalb der Direktzusage: Vergangenen September in München (II): Neulich von Köln nach München und zurück: GGF-Pensionszusage, 6a und vGA: Zahlungsströme aus RDV und Zusage: Neulich in München: Insolvenzverwalter versus PSV: Wertgleiche Teilung beim Versorgungsausgleich? Der Chef und seine bAV …
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