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Neulich in Westfalen:

Für gewöhnlich nicht außerordentlich

Take 5 or not to take 5“: Die Besteuerung einer Kapitalleistung aus den 3.63er-Durchführungswegen Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds beschäftigt immer wieder die Gerichte. Jüngst war mal wieder das FG Münster an der Reihe, sich mit der Materie auseinanderzusetzen. Claudia Veh weiß die Details auch von einem analogen und gleichwohl anders gelagertem  Fall.

Zuletzt hatte der BFH in zwei vergleichbaren Verfahren, bei denen es um die vorzeitige Auszahlung des Rückkaufswerts aus einer Direktversicherung bzw. Pensionskassenversorgung ging, die Entscheidung an die Vorinstanzen (FG Berlin-Brandenburg und FG Köln) zurückverwiesen, die anhand statistischer Materialen prüfen sollten, ob die Kapitalauszahlung als atypisch anzusehen ist (BFH-Urteile vom 6. Mai 2020 – X R 24/19 und X R 7/19). Ausreichendes auswertbares Material konnte jedoch nicht beschafft werden.

Claudia Veh, KPMG.

Wie bereits berichtet, hatte das FG Köln in dem von ihm zu entscheidenden Fall die Anwendung der Fünftelungsregelung abgelehnt (Urteil vom 30. September 2021 – 15 K 855/18). Inzwischen ist bekannt, dass das FG Berlin-Brandenburg in dem an ihn zurück verwiesenen Fall ebenso entschieden hat (Urteil vom 14. September 2022 – 3 K 3058/19).

Nun war die Anwendung der Fünftelungsregelung bei Bezug einer Kapitalleistung aus einer Direktversicherung erneut Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzung; dieses Mal vor dem FG Münster (Urteil vom 24. Oktober 2023 – 1 K 1990/22 E).

Kapitalleistung aus einer Direktversicherung…

Eine Arbeitnehmerin hatte ab dem 1. April 2005 Entgelt in Höhe von 208 Euro monatlich in eine Anwartschaft auf bAV unter Nutzung der steuerlichen Förderung nach § 3 Nr. 63 EStG umgewandelt.

Die von ihrem Arbeitgeber abgeschlossene Direktversicherung mit Ablauf zum 1. April 2019 sah eine lebenslange monatliche Rente vor – wobei auf Antrag auch eine Kapitalauszahlung möglich sein sollte.

Bei Ablauf des Vertrages optierte die Arbeitnehmerin für die Kapitalzahlung. Zur Auszahlung kam ein Betrag in Höhe von 44.529 Euro.

In ihrem Einkommensteuerbescheid wurde der Betrag als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 5 EStG mit dem regulären Steuersatz besteuert. Die von ihr begehrte Anwendung der Fünftelungsregelung nach § 34 EStG wurde abgelehnt.

Die Klägerin war jedoch der Meinung, die Voraussetzung für die Anwendung der Steuerbegünstigung nach § 34 EStG gegeben seien. Es handele sich bei der Kapitalleistung um Einkünfte für mehrjährige Tätigkeit. Weitere Voraussetzungen müssen ihres Erachtens nicht erfüllt sein. Sie klagte vor dem FG Münster.

erfüllt nicht die Voraussetzungen für Fünftelungsregelung

Das Gericht bestätigte zwar, dass eindeutig Einkünfte für mehrjährige Tätigkeit vorliegen. Denn dies ist der Fall, wenn die Zahlung sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als 12 Monaten umfasst, was vorliegend unstreitig erfüllt war.

 

Die konkrete Wahl einer vertraglich eingeräumten

Auszahlungsoption spricht für die

‚Gewöhnlichkeit‘ der Leistung.”

 


Allerdings fehlte es vorliegend an der Außerordentlichkeit der Einkünfte, die – nach allgemein herrschender Meinung und Bezug nehmend auf die beiden oben zitierten Verfahren des FG Berlin-Brandenburg und des FG Köln – nicht allein per se dann vorliegt, wenn Einkünfte für mehrjährige Tätigkeit bezogen werden.

Da vorliegend von Vertragsbeginn an ein Kapitalwahlrecht vereinbart und der Vertrag nicht während der Laufzeit geändert worden war, was ggf. für eine gewisse Atypik sprechen könnte, konnte keine „Außerordentlichkeit“ beim Bezug der Kapitalleistung festgestellt werden; die Klägerin hätte ebenso für die Rente optieren können. Die konkrete Wahl einer vertraglich eingeräumten Auszahlungsoption spricht nach Auffassung des Gerichts eher für die „Gewöhnlichkeit“ der Kapitalleistung.

Auf dem Weg nach München

Die Revision wurde zugelassen, wovon die Klägerin Gebrauch gemacht hat (X R 25/23). Damit hat der BFH nun Gelegenheit, die Erkenntnis über mangelnde statistische Daten zur Beurteilung einer möglichen Atypik bei Wahl der Kapitalleistung in seiner Entscheidungsfindung zu berücksichtigen.

Der Bundesfinanzhof in München.

21 statt 5: Ähnliche Klage mit anderem Ansatz

Dass die Besteuerung einer Kapitalzahlung aus einem nach § 3 Nr. 63 EStG geförderten Durchführungsweg immer wieder bei den Beziehern der Leistung zu Unverständnis führt, zeigt auch ein weiterer Fall. Denn zwischenzeitlich hatte sich auch das FG Düsseldorf mit Urteil vom 14. Juli 2023 (13 K 2452/22 E) mit einer ähnlichen Materie zu befassen, bei der die Klägerin allerdings anders argumentierte – und ihre Leistung nicht über 5, sondern gleich über 21 Jahre verteilt besteuert sehen wollte.

In dem Fall hatte die Bezieherin einer Kapitalzahlung aus einer Pensionskasse gegen die volle Besteuerung der Leistung nach § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG geklagt. Sie war der Meinung, in analoger Anwendung des § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG wäre die Besteuerung der Kapitalzahlung über den Zeitraum der Nutzungsmöglichkeit, hier ihrer Restlebenserwartung von 21,12 Jahren, zu verteilen. Denn die Auszahlung diene ihrer Versorgung bis zum Lebensende. Eine sofortige volle Besteuerung der Leistung würde die Altersversorgung empfindlich mindern; es ergäbe sich eine Übermaßbesteuerung.

Das FG Düsseldorf wies die Klage jedoch als unbegründet ab: Die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG liegen bei einer Kapitalzahlung aus einer Pensionskasse nach Auffassung des Gerichts nicht vor. Zum einen hat die Pensionskasse keine Vorauszahlung geleistet, die Kapitalleistung wurde schließlich nicht bei Abschluss des Vertrags, sondern erst bei Fälligkeit ausgezahlt.

Zum anderen beruhen die Einnahmen der Rentnerin nicht auf einer Nutzungsüberlassung, vielmehr handelt es sich um die Rückzahlung der angesparten Altersvorsorgebeiträge zuzüglich Zinsen. Eine analoge Anwendung der des § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG scheidet aus. Das Gericht konnte keine planwidrige Regelungslücke identifizieren, was Voraussetzung für eine Analogie wäre. Die Revision wurde nicht zugelassen, wogegen die Klägerin Beschwerde beim BFH eingelegt hat (X B 86/23).

Die Autorin ist Aktuarin und 
Director 
Deal Advisory Pensions
 in der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
.

Von Autorinnen und Autoren der KPMG sind zwischenzeitlich bereits auf PENSIONSINDUSTRIES erschienen:

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#womeninpensions zum Weltfrauentag:
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Neulich von Köln nach München und zurück:
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Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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