Der neue IDW-Rechnungslegungshinweis IDW RH FAB 1.021 „Handelsrechtliche Bewertung von Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen aus rückgedeckten Direktzusagen“ dürfte spürbare Wirkung auf die Handelsbilanzen von Arbeitgebern haben, welche Rückdeckungsversicherungen einsetzen. Die neue Regelung ist spätestens für Stichtage ab 31. Dezember 2022 anzuwenden. Claudia Veh und Andreas Johannleweling rechnen vor.
Änderungen
Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) hat am 30. April 2021 einen neuen Rechnungslegungshinweis verabschiedet, der die handelsrechtliche Bilanzierung von Ansprüchen aus Rückdeckungsversicherungen (RDV) und den zugehörigen Pensionsverpflichtungen erheblich ändern wird.
„Analyse und Vergleich der Zahlungsströme erfordern neue versicherungsmathematische Bewertungsformen, bei denen oftmals zusätzliche Informationen über den RDV-Vertrag benötigt werden.“
Künftig sind – weit über die bisherigen Regelungen zu wertpapiergebundenen Zusagen hinaus – alle gemeinsamen Zahlungsströme aus der RDV und der Versorgungszusage kongruent zu bewerten. Der aktivierte Anspruch und die passivierte Pensionsrückstellung dürfen dann nur noch hinsichtlich einer echten Über- oder Unterversicherung auseinanderfallen.
Die Analyse und der Vergleich der Zahlungsströme erfordern neue versicherungsmathematische Bewertungsformen, bei denen oftmals zusätzliche Informationen über den RDV-Vertrag benötigt werden. Deutliche Auswirkungen auf die Handelsbilanz aller Arbeitgeber, die Rückdeckungsversicherungen einsetzen, sind zu erwarten. Die neue Regelung ist spätestens für Stichtage ab dem 31. Dezember 2022 anzuwenden.
Optimierungsmöglichkeiten bei Pensionszusagen
Unternehmen mit versicherungsrückgedeckten Direktzusagen sollten die bilanziellen Änderungen infolge der neuen Handhabung im Blick haben.
Bei bestehenden Pensionszusagen bietet sich im Allgemeinen an, den Finanzierungsstand der Zusage einer Prüfung zu unterziehen und danach einzelfallbezogen zu entscheiden, inwieweit eine Anpassung der Zusage an den Stand der RDV möglich ist bzw. ob eine Anpassung der RDV an die Pensionszusage erfolgen soll.
„Die Erstellung versicherungsmathematischer Gutachten dürfte infolge der Neuerung in vielen Fällen aufwändiger werden.“
Oftmals werden bestehende Versicherungen nicht erhöht werden können, so dass in diesen Fällen der Abschluss einer weiteren Versicherung in Frage kommt. Die bilanziellen Effekte, die sich aus der Umstellung der Handhabung ergeben, sollten im Vorfeld ermittelt werden, um diesbezüglich Klarheit zu haben.
Bei neu zu erteilenden Leistungszusagen im Durchführungsweg Direktzusage kann die neue Handhabung ein zusätzliches Argument für eine Finanzierung der Zusage über eine RDV sein, möchte man die bilanziellen Effekte aus der Pensionszusage möglichst gering halten.
Die Erstellung versicherungsmathematischer Gutachten dürfte infolge der Neuerung in vielen Fällen aufwändiger werden; dies vor allem dann, wenn Rückdeckungsversicherungen bei verschiedenen Versicherungsgesellschaften bestehen.
Auch wenn die neue Handhabung erst für Stichtage ab dem 31. Dezember 2022 verpflichtend anzuwenden ist, sollten sich Unternehmen mit versicherungsrückgedeckten Leistungszusagen zeitnah mit der Neuerung auseinandersetzen und mit ihrem versicherungsmathematischen Gutachter die konkrete Umsetzung besprechen.
Beispiel
Das folgende Beispiel soll die bisherige und die neue Handhabung gegenüberstellen:
Mann, beherrschender GGF, geb. 27.7.1956.
Rückdeckungsversicherung mit folgenden Daten:
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Versicherungsbeginn: 1.8.1997 (garantierter Rechnungszins 4,00%)
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Versicherungsablauf: 1.8.2021
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Garantierte AR: 30.037,44 Euro p.a. (= 2.503 Euro p.m.)
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Garantierte AR bei Beitragsfreistellung ab dem 1.1.2020: 27.600 Euro p.a. (= 2.300 Euro p.m.)
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Keine Hinterbliebenenversorgung
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Keine Invalidenversorgung
Aktivwert per 31.12.2019: 406.122 Euro.
Direktzusage:
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Zusagezeitpunkt: 1.8.1997
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Altersrente ab Alter 65 in Höhe von Euro 2.556 Euro p.m.
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Zum Stichtag 31.12.2019 nach handelsrechtlichen Grundsätzen erdiente Altersrente: 2.347 Euro p.m.
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Keine Rentenanpassung
Handelsbilanz Erfüllungsbetrag 31.12.2019: 391.204 Euro.
Unterschied zwischen Aktiv- und Passivwert zum Stichtag bislang: 14.918 Euro.
Unterschied in der Höhe der zum Stichtag versicherungsseitig finanzierten bzw. handelsrechtlich erdienten Leistung: 47 Euro monatlich ohne Berücksichtigung von Überschüssen.
Annahmegemäß wird erwartet, dass unter Ausblendung von Stornoabzügen und zzgl. der künftigen Überschüsse die Zusage zum Stichtag 31.12.2019 voll ausfinanziert ist; d.h. der erwartete Zahlungsstrom der zum Stichtag finanzierten Versicherungsleistung unter Berücksichtigung der zu erwartenden Überschüsse entspricht in der Höhe und dem zeitlichen Verlauf exakt dem Zahlungsstrom der zum Stichtag erdienten Leistungen aus der Pensionszusage
Alte Handhabung (zum 31. Dezember 2019):
Sofern RDV ordnungsgemäß verpfändet: Saldierungspflicht nach § 246 HGB, Passivseite = 0 (Pensionsrückstellung), Aktivseite = 406.122 Euro – 391.204 Euro = 14.918 Euro (Aktiver Unterschiedsbetrag aus Vermögensverrechnung).
Sofern RDV nicht verpfändet: Aktivseite = 406.122 Euro, Passivseite = 391.204 Euro.
Neue Handhabung (fingiert zum 31. Dezember 2019):
Primat der Aktivseite: Aktivseite = Aktivwert der Versicherung = 406.122 Euro = Passivseite.
oder
Primat der Passivseite: Passivseite = Handelsrechtlicher Erfüllungsbetrag = 391.204 Euro = Aktivseite.
Sofern die RDV ordnungsgemäß verpfändet ist, ergibt sich in der Folge sowohl beim Aktivprimat als auch beim Passivprimat durch die Saldierung ein Bilanzausweis in Höhe von 0 auf der Aktiv- und der Passivseite.
Die neue Handhabung führt im Falle der nicht verpfändeten RDV zu zusätzlichem Aufwand (Anheben Passivseite bzw. Absenken Aktivseite). Im Falle einer Verpfändung führt die neue Handhabung zu einem Absenken der Aktivseite. Danach ist die bilanzielle Verzerrung beseitigt.
Die Autoren:
Andreas Johannleweling ist Aktuar und Senior Manager Financial Services in der Pension Assessment Group der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.
Dr. Claudia Veh ist Aktuarin und Director Deal Advisory Pensions in der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft .
Von Autorinnen und Autoren der KPMG sind zwischenzeitlich bereits auf LEITERbAV erschienen:
GGF-Pensionszusage, 6a und vGA:
von Dr. Claudia Veh, 25. Oktober 2021
Zahlungsströme aus RDV und Zusage:
von Andreas Johannleweling und Dr. Claudia Veh, 11. August 2021
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Insolvenzverwalter versus PSV:
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