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Lurse Round Table „Frauen in der bAV“ (VI):

Viele offene Türen

Die betriebliche Altersversorgung wollen wir stärken“ steht im Koalitionsvertrag der Ampel-Bundesregierung. Klingt gut, lässt aber Fragen nach dem konkreten Inhalt offen. Utta Kuckertz-Wockel dokumentiert für LEITERbAV die Vorstellungen, die eine Reihe von bAV-Expertinnen jüngst auf einer Tagung geäußert haben.

Berlin, im Haus des GDV am 5. Juli: Die 19 Teilnehmerinnen des Lurse Round Tables Frauen in der bAV diskutieren hybrid aktuelle Trends und Entwicklungen in der betrieblichen Altersversorgung: die Novellierung des Nachweisgesetzes, die Gestaltung moderner Versorgungszusagen, den aktuellen Stand der Digitalen Rentenübersicht, aber auch einen Satz aus dem Koalitionsvertrag der Ampelregierung mit Fokus auf die bAV.

Konkret geht es dort es um folgende Zeile 2515f: „Die betriebliche Altersversorgung wollen wir stärken, unter anderem durch die Erlaubnis von Anlagemöglichkeiten mit höheren Renditen.“ Aus der Politik ist zu hören, dass sich die Koalitionspartner uneinig über den mit dieser Aussage verbundenen Handlungsbedarf sind.Vor diesem Hintergrund formulieren einige Teilnehmerinnen aus Versorgungswerk, Gewerkschaft, Unternehmen und Verbänden Maßnahmen, die zur Stärkung der bAV notwendig sind. Im Folgenden die Wünsche und Botschaften aus der bAV-Praxis an die Politik:

Susanna Adelhardt, Evonik Industries.

Mein Verständnis der Aussage im Koalitionsvertrag ist, dass die Vorgaben für Risikobudgets gelockert werden, so dass kurzfristig volatilere, aber langfristig höher rentierliche Kapitalanlagen möglich sind. Das bedeutet auch die Erlaubnis zu kurzzeitigen Unterdeckungen bei Pensionskassen oder die Anrechenbarkeit der Verlustrücklage für die Risikosteuerung.“

Susanna Adelhardt, Head of Benefits, Evonik Industries AG

 

Martina Baptist, Henkel.

Zunächst finde ich die Kernbotschaft, die bAV stärken zu wollen, sehr begrüßenswert. Die Formulierung im Koalitionsvertrag durch die gewählte Ergänzung ‚unter anderem‘ im zweiten Halbsatz löst Erwartungen auf überzeugende und vor allem nachhaltige Umsetzungskonzepte mit einer größtmöglichen Flexibilität für die einzelnen Durchführungswege in der bAV aus. Das sehe ich für neue und bestehende bAV Systeme. Tatsächlich wird die reale Stärkung der bAV m.E. aber am Ende u.a. davon abhängen, wie konkret und rechtssicher bAV Pläne – ohne Garantie auf die eingezahlten Beiträge – in allen Durchführungswegen umgesetzt werden können“.

Martina Baptist, Head of Total Rewards, Pension & Payroll DE/CH, Henkel AG & Co. KGaA

 

Annika v. Albedyll, BAVC.

Mehr Spielräume bei der Anlage sind überfällig. Die geforderte tägliche Bedeckung und Verfügbarkeit plus Stresstestvorgaben – obwohl im Rahmen der arbeits- und steuerrechtlichen Regulierung überwiegend Renten ausgezahlt werden – behindern attraktive Versorgungen. Chancenreichere Anlagen werden so ausgeschlossen. Notwendig sind vor allem Schwankungskorridore sowie eine Prüfung der Anlageklassen, auch um mehr Investitionen nach ESG-Kriterien und in zukunftsorientierte Infrastruktur zu ermöglichen.“

Annika von Albedyll, Syndikusrechtsanwältin, Soziale Sicherung und Sozialrecht, BAVC

 

 

Samira Demmerich, Vodafone.

Aus meiner Sicht bezieht sich das Statement hauptsächlich auf die versicherungsförmigen Durchführungswege da es bei der Direktzusage, welche wir z.B. im Unternehmen haben, keine Einschränkungen bezüglich des Investments gibt. Das Absenken der Garantien und Lockerungen bezüglich der Investments in Aktien wären da denkbare Schritte zur Ermöglichung höherer Renditen. Ob sich dann aber wirklich am Ende eine Auszahlung von mindestens 100% ergibt, wird nur die Zukunft zeigen.“

Samira Demmerich, Senior Expert Pensions, Vodafone GmbH

 

Ilka Houben, GDV.

Wir brauchen eine neue Balance aus Sicherheit und Ertragschancen in der ergänzenden Altersvorsorge. Das gilt für die bAV jenseits von Sozialpartnermodellen genauso wie für die private Altersvorsorge, damit diese für die Vorsorgenden attraktiv und ein vielfältiges Angebot bestehen bleibt. Im aktuellen Kapitalmarktumfeld heißt das, die 100%-Garantie der Brutto-Beiträge maßvoll zu lockern. Daran ändern leicht steigende Zinsen nichts. Der Koalitionsvertrag weist hier den richtigen Weg!“

Ilka Houben, Leiterin Alterssicherungspolitik, GDV

 

 

Judith Kerschbaumer. ver.di.

 Die Stärkung der bAV ist ein positives Signal. Es ist zu vermuten, dass sich hinter der ‚Erlaubnis von Anlagemöglichkeiten mit höheren Renditen‘ die Eröffnung zur Absenkung von Garantien verbirgt. Dann muss aber im Interesse der Beschäftigten dafür Sorge getragen werden, dass die Absenkung der Garantien nicht in erster Linie zu einer Absenkung der Leistungen führt, sondern vielmehr die Renditechancen der künftigen Betriebsrentner*innen erhöht.“

Judith Kerschbaumer, Leiterin des Bereichs Sozialpolitik, ver.di Bundesverwaltung

 

 

Vera Schieferecke, Altana.

Unklar dabei ist, welche Durchführungswege und Zusagearten damit gemeint sind. Unabhängig davon gibt es bereits heute attraktive Möglichkeiten für die bAV, wenn in ein professionelles Anlagemanagement investiert wird. Denn klar ist auch: Mehr Ertrag in der bAV ist grundsätzlich mit einem höheren Risiko verbunden. Dieses können Arbeitgeber und Anlageinstitute managen, aber letztlich nicht tragen. Somit geht mit den Anlagemöglichkeiten mit höheren Renditen auch die Risikobeteiligung der begünstigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einher.“

Vera Schieferecke, Head of CoE Total Rewards, Altana AG

 

 

Kerstin Schminke, Metallrente.

Aus meiner Sicht halten sich die Koalitionsparteien mit dieser Aussage die Türen in viele Richtungen offen, um Hemmnisse für eine flexible und rentierliche Kapitalanlage abbauen zu können. Sie könnten durch Änderung im Betriebsrentengesetz die Mindestanforderungen in den Zusageformen gesetzlich neu definieren, aber auch die Kapitalanlagevorschriften für versicherungsförmigen Durchführungswege und für private Produkte auflockern. Alle Handlungen der Regierung sollten aber letztlich dem Ziel dienen, höhere Versorgungsansprüche zu generieren und hierbei die Ausgewogenheit zwischen Sicherheit und Rendite zu gewährleisten.“

Kerstin Schminke, Geschäftsführerin, MetallRente

 

 

Tamara Voigt, Bayer AG.

Hilfreicher für die Werthaltigkeit der bAV in Deutschland als eine weitere neue Zusageformen oder noch freiere Anlagemöglichkeiten im regulierten Bereich wäre aus unserer heutigen Sicht ein flexibleres System der Bedeckungsvorschriften für Einrichtungen der bAV in Deutschland. Wichtig ist, dass aus allen künftigen Änderungen im Bereich der bAV keine Nachteile für bereits bestehende Systeme der betrieblichen Altersversorgung entstehen.“

Tamara Voigt, Head of Pensions (HR Germany), Bayer AG

 

Der Präsenz-Anteil des Lurse-RT Frauen in der bAV im Juli in Berlin.

 

Die Perspektive der Autorin: „Reduzierte Garantien ermöglichen attraktive Renditechancen und eine verlässliche, effiziente bAV. Eine rechtliche Flankierung des reduzierten Garantieniveaus durch den Gesetzgeber wäre wünschenswert und würde das Vertrauen in die betriebliche Altersversorgung fördern.“

Utta Kuckertz-Wockel, Lurse.

Die Autorin ist Senior Managerin bei Lurse.

 Von ihr und anderen Autorinnen und Autoren der Lurse sind zwischenzeitlich bereits auf LEITERbAV erschienen:

Lurse Round Table Pensionskassen – BRSG 2.0 (VI):
Der Blick auf die Pensionskassen, namentlich ...
von Utta Kuckertz-Wockel, 7. November 2024

Kommunikation und Mitarbeiterportale:
Tue bAV – und rede darüber!
von Anika Krist und Carsten Ganz, 24. April 2024

Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz:
Von der Übergangszeit zur Automatisierung
von Dr. Stefan Birkel, 16. Februar 2024

Lurse Round Table:
Wenn drei Große gleichzeitig schwächeln …
von Utta Kuckertz-Wockel, 23. Januar 2024

Lurse-Webinar am 7. Dezember:
Neugestaltung einer bAV nach Konzernausgliederung
von Utta Kuckertz-Wockel, 21. November 2023

Lurse Round Table „Frauen in der bAV“:
Update aus der Wilhelmstraße
von Utta Kuckertz-Wockel, 26. Juli 2023

Betriebliche Altersversorgung:
Ordnung ist das halbe ...
von Miroslaw Staniek. 5. Juli 2023

Lurse Round Table „Frauen in der bAV“:
Munter“ in das Jahr
von Utta Kuckertz-Wockel, 6. Februar 2023

Lurse Round Table „Pension Asset Management“:
In dieser Form noch nicht erlebt“
von Utta Kuckertz-Wockel, 12. Dezember 2022

Kostenloses Webinar zu Zeitwertkonten:
Viele Wege, keine Blaupause ...
von Utta Kuckertz-Wockel, 1. September 2022

Lurse Round Table Frauen in der bAV:
Viele offene Türen
von Utta Kuckertz-Wockel, 1. August 2022

Das BMAS zu Perspektiven in der Altersversorgung:
Es hat nicht an dem Gesetz gelegen“
von Utta Kuckertz-Wockel, 20. Juni 2022

In den Zeiten des Fachkräftemangels:
Multimediale bAV-Kommunikation stärkt Mitarbeiterbindung
von Adelheid Lanz, 24. März 2022

Rethinking Pension:
Inflation enteignet
von Utta Kuckertz-Wockel, 17. Februar 2022

Round Table Frauen in der bAV (II):Covid, Frauen, bAV ...
Corona vertieft Pension Gap
von Utta Kuckertz-Wockel, 12. Juli 2021

Round Table Frauen in der bAV (I):
Zwischen Eis und Pipeline
von Utta Kuckertz-Wockel und Isabel Noe, 8. Juni 2021

REthinking Pensions:
auch außerhalb eines Sozialpartnermodells
von Utta Kuckertz-Wockel und Matthias Edelmann, 8. Januar 2021

Studie: Das BRSG …
und der Verlauf der Entgeltumwandlung
von Miroslaw Staniek und Björn-Schütt-Alpen, 9. November 2020

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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