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Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Lurse Round Table Pensionskassen – BRSG 2.0 (XVI):

Der Blick auf die Pensionskassen, namentlich …

auf kleinere und mittlere und auf das, was das neue (seit gestern Abend taumelnde) Gesetz für sie bedeutet – dies stand jüngst auf der Tagesordnung eines Branchentreffs. Tenor: Vieles wird begrüßt, aber es scheint zu überwiegen, was vermisst wird. Utta Kuckertz-Wockel dokumentiert Statements von Pensionskassenvorständen aus Münster, Kiel, Darmstadt, Hamburg und Köln am Rhein.

Utta Kuckertz-Wockel, Lurse.

Das BRSG II – das nach dem gestrigen Ampel-Aus (Stichwort „Zitronen“) nun massiv auf der Kippe steht – wurde Mitte September 2024 vom Bundeskabinett beschlossen. Ziel des Gesetzes ist eine Stärkung und größere Verbreitung einer möglichst arbeitgeberfinanzierten bAV. Das Gesetz sieht Verbesserungen im Arbeits-, Finanzaufsichts- und Steuerrecht vor.

Herzstück des Gesetzentwurfs ist die Weiterentwicklung des Sozialpartnermodells. Aber es sind u.a. auch Verbesserungen für Opting out-Systeme, Abfindungszahlungen und die Geringverdienerförderung vorgesehen. Auch für die 122 Pensionskassen in Deutschland (nur die Hälfte davon macht noch Neugeschäft) sind Neuregelungen in der Kapitalanlage, bei den Bedeckungspflichten, den Auszahlungsmöglichkeiten für Betriebsrenten sowie bei der Liquidation vorgesehen.

Was genau wird sich für die Pensionskassen ändern?

Zur Rekapitulation das, was der Entwurf noch enthält:

Geplant ist, die Risikokapitalanlagequote von derzeit 35 auf 40 % des Sicherungsvermögens zu erhöhen. Dieser Spielraum lässt sich je nach Risikotragfähigkeit der Kasse durch ein Anlage- und Risikomanagement nutzen.

Auch soll eine Nutzungsmöglichkeit der Öffnungsklausel für eine Überschreitung der Streuungsgrenze und eine eigene Infrastrukturquote kommen.


Zudem sieht der Entwurf eine Lockerung der Bedeckungsvorschriften vor. Damit lässt sich die Vermögensanlage stärker auf die Endfälligkeit der Leistung ausrichten, anstatt permanent eine Mindesthöhe einzuhalten. Das Vermögen der Pensionskassen kann also innerhalb eines bestimmten Toleranzbereichs zeitweilig auch unter den Mindestumfang des Sicherungsvermögens fallen.

Pensionskassen sollen künftig im Rahmen der Anpassung des § 6 BetrAVG Leistungen bei nur teilweisem Wegfall des Erwerbseinkommens erbringen dürfen. Dazu ist im BRSG II eine Anpassung der versicherungsaufsichtsrechtlichen Definition der Pensionskasse vorgesehen, die den Kassen eine höhere Leistungsauszahlung als bisher bei nur teilweisem Wegfall des Erwerbseinkommens ermöglicht.

Weiterhin soll es den Pensionskassen aufgrund des neuen Hinzuverdienstrechts in der Gesetzlichen Rentenversicherung gestattet werden, höhere Zahlungen bei vorzeitigem Leistungsbezug zu vereinbaren (§ 232 Abs. 1 VAG), wenn

• das Erwerbseinkommen wegfällt oder eine Alters-Vollrente aus der GRV bezogen wird bzw.

• die AVB bereits Leistungen vorsehen, wenn das Erwerbseinkommen teilweise wegfällt oder eine Alters-Teilrente aus der GRV bezogen wird.

Auch soll klargestellt werden, dass Sonderzahlungen an Pensionskassen durch die Trägerunternehmen zwecks Vermeidung von Betriebsrentenkürzungen nicht dem sozialversicherungsrechtlichen Arbeitsentgelt zuzurechnen sind.

Schließlich soll künftig die Schließung einer Pensionskasse ohne Rechtsunsicherheit möglich sein. In § 3 BetrAVG soll es heißen:

Für den Fall der Liquidation einer Pensionskasse und der Auszahlung des gebildeten Kapitals an die Versorgungsberechtigten wird eine entsprechende Abfindung durch den Arbeitgeber fingiert.“

Aus fast allen Ecken der Republik

Bei dem virtuellen Lurse Round Table Pensionskassen im August 2024 (also als noch mit uneingeschränkter Verabschiedung des Gesetzes zu rechnen war) wurden die geplanten Neuregelungen für Pensionskassen diskutiert und bewertet. Folgende Zitate vermitteln einen Eindruck von der Diskussion:

Münster: Früher wäre nützlicher gewesen

Nicole Möbs, PK Deutscher Genossenschaften VVaG.

Als eine lang etablierte Pensionskasse mit einem Bestand an hohen Garantien begrüßen wir die Neuerungen des BRSG II. Die Lockerung der Bedeckungspflichten können wir jedoch nur teilweise nutzen, sie wären für uns zu einem früheren Zeitpunkt sehr nützlich gewesen.

Für unsere Mitglieder und den wachsenden Rentenbestand hätten wir uns zusätzlich Vereinfachungen bei der Beitragszahlung, insb. in Bezug auf Steuern, Sozialabgaben und die Krankenversicherungspflicht im Rentenbezug gewünscht.

Wir hoffen, dass künftige Reformen diese Punkte berücksichtigen werden, um die Verwaltung und den Nutzen für alle Beteiligten weiter zu verbessern und vor allem, um die Komplexität der bAV nicht weiter zu erhöhen.“

Nicole Möbs
Geschäftsführender Vorstand der Pensionskasse Deutscher Genossenschaften in Münster

Kiel: Förderung bleibt zu gering – Klarstellungen nötig

Heike Pohl, Versorgungskasse Deutscher Unternehmen VVaG.

Insgesamt ist einiges erreicht, für eine wirkliche Stärkung der bAV ist jedoch weiterhin viel zu tun. Die Förderung der bAV bleibt insgesamt zu gering. Die erfreulichen Regelungen zur Infrastrukturquote bedürfen noch einiger Klarstellungen.

Die Regelungen zur vorübergehenden Unterdeckung im Sicherungsvermögen sind ein wichtiger erster Schritt für eine Flexibilisierung, allerdings dürften die vorliegenden Bestimmungen für Kassen mit vielen Trägerunternehmen nicht nutzbar sein.“

Heike Pohl
Vorstand der Versorgungskasse Deutscher Unternehmen in Kiel

Darmstadt: auf die Praxis achten

Thomas Bäuml, HEAG.

„Wir begrüßen die Verbesserungen des BRSG II für die Kapitalanlagemöglichkeiten von regulierten Pensionskassen, insb. die Ausweitung der Risikoquote, die Einführung einer Infrastrukturquote und die Erleichterungen bei der Öffnungsquote.

In der gesetzlichen Ausgestaltung und aufsichtsrechtlichen Begleitung muss jedoch darauf geachtet werden, dass diese Verbesserungen ihre Wirkung in der Praxis auch tatsächlich entfalten können.“

Thomas Bäuml
Vorstandsvorsitzender der HEAG Pensionszuschusskasse in Darmstadt

Hamburg: Komplexität wird weiter erhöht

Frank Oliver Paschen, PKH.

Nicht der große Wurf, da die Komplexität als größtes Hemmnis zur Verbreitung der bAV, weiter erhöht wird. Zu viel Sozialpartnermodell. Positiv: Erhöhung Risikoquote, eigene Infrastrukturquote und die Erkenntnis, dass langfristige Garantien nicht der durchgängigen vollen Bedeckung bedürfen. Umsetzung aber so heikel, dass nur wenige Kassen davon Gebrauch machen werden, um sich Risikopuffer zu verschaffen.

Was fehlt? Vereinheitlichte Dotierung von Steuer und Sozialversicherung, Bürokratieabbau uvm.“

Frank Oliver Paschen
Vorstand Pensionskasse der Hamburger Hochbahn in Hamburg

Köln: Einheitliche Erweiterung hätte bAV stark vereinfachen können

Bernd Wilhelm-Werkle, PK der Deutschen Eisen- und Straßenbahnen.

Leider bleiben einige Themen offen. Eine einheitliche Erweiterung der Dotierungshöchstgrenzen im Steuer- und Sozialversicherungsrecht hätte die bAV stark vereinfachen können, da man nur einen verwaltungsarmen Durchführungsweg zur Versorgung der gesamten Belegschaft bräuchte.

Auch in der Leistungsphase brauchen wir Vereinfachungen. Hier sollte die Freibetragsregelung für Krankenversicherungsbeiträge auch für die Pflegeversicherung gelten.“

Bernd Wilhelm-Werkle
Vorstand Pensionskasse Deutscher Eisenbahnen und Straßenbahnen in Köln

München: bedingt gestärkt

Stefan Birkel, Lurse.

Die Neuerungen des BRSG II dürften die kleineren und mittleren Pensionskassen in der Breite nur bedingt ‚stärken‘. Viele Kassen werden sicherlich von der Flexibilisierung der Anlageverordnung profitieren. Gerade die grundsätzliche Möglichkeit einer vorübergehenden Unterdeckung des Sicherungsvermögens ist zwar zu begrüßen. Jedoch wird diese von Pensionskassen mit einer Vielzahl von unabhängigen Träger-/Beteiligungsunternehmen aufgrund des erforderlichen Sicherungsvermögensplans in der Praxis nur selten nutzbar sein.“

Stefan Birkel
Leiter des Legal Teams, Lurse

Die Autorin ist Senior Managerin bei Lurse.

Von ihr und anderen Autorinnen und Autoren der Lurse sind zwischenzeitlich bereits auf PENSIONSINDUSTRIES erschienen:

Zeitgemäße Benefits:
Die Betriebsrente gehört immer dazu
von Sandra Mekler und Philipp Dienstbühl, 11. Dezember 2024

Lurse Round Table Pensionskassen – BRSG 2.0 (VI):
Der Blick auf die Pensionskassen, namentlich ...
von Utta Kuckertz-Wockel, 7. November 2024

Kommunikation und Mitarbeiterportale:
Tue bAV – und rede darüber!
von Anika Krist und Carsten Ganz, 24. April 2024

Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz:
Von der Übergangszeit zur Automatisierung
von Dr. Stefan Birkel, 16. Februar 2024

Lurse Round Table:
Wenn drei Große gleichzeitig schwächeln …
von Utta Kuckertz-Wockel, 23. Januar 2024

Lurse-Webinar am 7. Dezember:
Neugestaltung einer bAV nach Konzernausgliederung
von Utta Kuckertz-Wockel, 21. November 2023

Lurse Round Table „Frauen in der bAV“:
Update aus der Wilhelmstraße
von Utta Kuckertz-Wockel, 26. Juli 2023

Betriebliche Altersversorgung:
Ordnung ist das halbe ...
von Miroslaw Staniek. 5. Juli 2023

Lurse Round Table „Frauen in der bAV“:
Munter“ in das Jahr
von Utta Kuckertz-Wockel, 6. Februar 2023

Lurse Round Table „Pension Asset Management“:
In dieser Form noch nicht erlebt“
von Utta Kuckertz-Wockel, 12. Dezember 2022

Kostenloses Webinar zu Zeitwertkonten:
Viele Wege, keine Blaupause ...
von Utta Kuckertz-Wockel, 1. September 2022

Lurse Round Table Frauen in der bAV:
Viele offene Türen
von Utta Kuckertz-Wockel, 1. August 2022

Das BMAS zu Perspektiven in der Altersversorgung:
Es hat nicht an dem Gesetz gelegen“
von Utta Kuckertz-Wockel, 20. Juni 2022

In den Zeiten des Fachkräftemangels:
Multimediale bAV-Kommunikation stärkt Mitarbeiterbindung
von Adelheid Lanz, 24. März 2022

Rethinking Pension:
Inflation enteignet
von Utta Kuckertz-Wockel, 17. Februar 2022

Round Table Frauen in der bAV (II):Covid, Frauen, bAV ...
Corona vertieft Pension Gap
von Utta Kuckertz-Wockel, 12. Juli 2021

Round Table Frauen in der bAV (I):
Zwischen Eis und Pipeline
von Utta Kuckertz-Wockel und Isabel Noe, 8. Juni 2021

REthinking Pensions:
auch außerhalb eines Sozialpartnermodells
von Utta Kuckertz-Wockel und Matthias Edelmann, 8. Januar 2021

Studie: Das BRSG …
und der Verlauf der Entgeltumwandlung
von Miroslaw Staniek und Björn-Schütt-Alpen, 9. November 2020

 

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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