… aber bitte rechtssicher: Derzeit ist die automatische Entgeltumwandlung ausschließlich tarifvertraglich möglich – und findet eben deswegen in der Praxis faktisch nicht statt. Das will der Gesetzgeber nun ändern. Sebastian Kiening erläutert Details, bewertet Lage und Perspektive, mahnt dazu, die möglichen Gestaltungsoptionen auch zu nutzen – und macht eine interessante Rechnung auf, die ein bezeichnendes Bild auf die Komplexität der deutschen bAV wirft.
Vielfach wird der Auswuchs an Bürokratie beklagt, aber es gibt ein Dokument, das jeder Arbeitgeber haben sollte. Wer eine betriebliche Altersversorgung für seine Belegschaft anbietet, kommt an diesem Schriftstück nicht vorbei. Es kann viele Namen und Bezeichnungen tragen, hat aber immer die gleichen Zwecke: Rechtssicherheit und Information.

Gemeint ist die Versorgungsordnung, das Dokument, das die Regeln der bAV im Betrieb vorgibt und zusammenfasst.
Im Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) begegnet uns die Versorgungsordnung als Betriebsvereinbarung. Hier kann sie das Gestaltungsmittel für exklusive Optionen des BetrAVG sein, wie etwa die automatische Entgeltumwandlung (§ 20 Abs. 2 BetrAVG).
Weniger Aufwand, mehr Quote
Nur ein sog. Optionssystem (oder auch „Opting out“) kann der gesamten Belegschaft eines Betriebes mit einem Schlag zu einer arbeitnehmerfinanzierten bAV verhelfen, ohne dass jeder einzelne Arbeitnehmer von den Vorteilen der Entgeltumwandlung überzeugt werden und eine Entgeltumwandlungsvereinbarung unterzeichnen muss. Das spart erheblichen Verwaltungsaufwand und führt zu einer vorbildlichen Teilnahmequote, die einen wichtigen Beitrag zur Alterssicherung der Belegschaft leistet.
Die Betriebsparteien sollten den Arbeitnehmerbeitrag für die automatische Entgeltumwandlung nicht zu hoch ansetzen. Nur so ist genügend Luft für zusätzliche Arbeitnehmerbeiträge nach dem individuellen Vorsorgebedarf, und die Widerspruchsquote bleibt gering.
Der Zurückhaltung der Tarifvertragsparteien begegnen
In der aktuellen Fassung gestattet das BetrAVG eine automatische Entgeltumwandlung ausschließlich durch oder auf Basis eines Tarifvertrags. Dem Autor sind keine entsprechenden Tarifverträge bekannt. Das Mittel des Opting out bleibt weitgehend ungenutzt.
Dem möchte der Gesetzgeber durch eine weitere Öffnung der Optionssysteme auf betrieblicher Ebene begegnen. Der Regierungsentwurf des zweiten BRSG vom 18. September 2024 sieht in einem neuen Absatz 3 zu § 20 BetrAVG vor, dass auch ohne tarifvertragliche Grundlage allein durch eine Betriebsvereinbarung die automatische Entgeltumwandlung im Betrieb eingeführt werden kann. Damit wäre den Betriebsparteien vor Ort ein gutes Werkzeug zur Verbreitung der bAV an die Hand gegeben.
Allerdings wurde im Vergleich zum Referentenentwurf vom 24. Juni 2024 der Anwendungsbereich für ein Opting out auf Betriebsebene empfindlich eingeschränkt, da nur noch Bereiche erfasst sein sollen, in denen keine Entgelt-Tarifverträge bestehen und auch nicht üblich sind. Sollte der Entwurf in dieser Form Gesetzeskraft erhalten, wäre es dringend an der Zeit, in jeden Entgelt-Tarifvertrag zusätzlich zur allgemeinen Öffnung für die Entgeltumwandlung auch eine Öffnungsklausel für betrieblichen Optionssysteme aufzunehmen, damit das Instrument nicht weiter völlig leerläuft. Denn augenscheinlich haben die Tarifparteien kein Interesse, das Opting out selbst direkt im Tarifvertrag zu gestalten. Und der „tariflose“ Bereich allein kann hier nicht den nötigen Schub in die bAV bringen.
Eine Frage des Gesetzgebungsverfahrens
Der Gesetzentwurf sieht für die Optionssysteme auf betrieblicher Ebene einen zwingenden Arbeitgeberzuschuss von 20% des Entgeltumwandlungsbetrags vor, womit aber im gleichen Atemzug der weitere Zuschussanspruch nach § 1a Abs. 1a BetrAVG für diesen Beitrag entfällt.
Ob diese Differenzierung (20% vs. 15% Arbeitgeberzuschuss) das Gesetzgebungsverfahren übersteht, bleibt abzuwarten.
Die üblichen Formalien einhalten …
Für alle Optionssysteme gilt, dass sie die Bedingungen der Entgeltumwandlung und die Formalien zu Angebot und Widerspruchsfrist regeln müssen. Das sind bereits jetzt die gesetzlichen Vorgaben in § 20 Abs. 2 BetrAVG.
Eine Versorgungsordnung, in Gestalt einer Betriebsvereinbarung, ist also unumgänglich.
… und die Gestaltungsoptionen nutzen
Auch jenseits der Bestrebungen, eine automatische Entgeltumwandlung im Betrieb zu ermöglichen, um die Beteiligungsquote und damit die Alterssicherung der Belegschaft zu verbessern, macht das BetrAVG viele Vorgaben. Gleichzeitig bietet es viele Gestaltungsoptionen, die nicht ungenutzt bleiben sollten.
Nutzt man als Arbeitgeber das Potential nicht, fällt man auf das Mindestniveau der arbeitsrechtlichen Bestimmungen zurück. Das ist sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer nicht immer die beste Lösung. Je mehr Fragen in Bezug auf die bAV in einer Versorgungsordnung beantwortet werden, umso weniger Lücken oder Auslegungsbedarf ergeben sich. Das sichert die einheitliche Handhabung und Transparenz.
5 x 4 x 3 x 3 x 2 x 2 x 2 = maximale Komplexität
Zur Verdeutlichung soll eine kleine Zahlenreihe dienen, deren Komplexität nur durch eine kollektive Regelung der bAV im Betrieb begegnet werden kann. Das BetrAVG kennt z.B. fünf Durchführungswege (mit einer dahinter liegenden zweiten Ebene der Finanzierungsvarianten), vier Zusagearten, mindestens drei Leistungsformen (ungeachtet der Sachleistungen), drei Finanzierungsarten, jeweils zwei Varianten der Unverfallbarkeit dem Grunde und der Höhe nach und zwei Arten der Übertragung einer Versorgungsverpflichtung auf den Folgearbeitgeber.
In den seltensten Fällen finden wir all das zusammen in einem Unternehmen. Doch welche Kombinationen dieser Vielfalt sollen gelten, wenn uns keine Versorgungsordnung verrät, was bei Einführung der bAV gewollt war?
Auch ohne die Initiative des Arbeitgebers hat jeder Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung und trägt so alle Entscheidungsbereiche in das Unternehmen.
„Offene Punkte führen zu Rechtsunsicherheit und potenziellen Haftungsrisiken.“
Kann man einer Entgeltumwandlungserklärung alle relevanten Punkte entnehmen, und ist diese überhaupt der geeignete Platz für sämtliche Festlegungen zur bAV? Kein „Durchführungsvertrag“ zur bAV mit einem Versorgungsträger gibt hierauf eine aus arbeitsrechtlicher Sicht ausreichende Antwort. Und auch im Rahmen eines Optionssystems müssten alle Aspekte geklärt sein. Offene Punkte führen hier wie da zu Rechtsunsicherheit und potenziellen Haftungsrisiken.
Die Gestaltung der Versorgungsordnung oder Betriebsvereinbarung zum Opting out durch einen zugelassenen bAV-Berater oder Rechtsanwalt stellt sicher, dass der rechtlich gebotene Inhalt interessengerecht und zielgerichtet umgesetzt wird. Damit wird jedes individuelle Vorsorgekonzept rechtssicher und praktikabel in die Sprache des BetrAVG übersetzt.
Die SLPM Schweizer Leben PensionsManagement GmbH bietet mit einem bAV-Leistungsportfolio aus versicherungsmathematischen Gutachten, Beratungsdienstleistungen und verwaltungstechnischen Angeboten für jede Anforderung eine zielgenaue und professionelle Lösung.
Zur Jahrtausendwende als 100%ige Tochter der Swiss Life gegründet, betreuen heute rund 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – bestehend aus Mathematikern, Volks- und Betriebswirten, Juristen und Versicherungskaufleuten – mit ausgewiesener Expertise Kunden in allen Facetten der betrieblichen Vorsorge.
Der Autor ist Ass. Iur. und Leiter bAV Beratung der SLPM Schweizer Leben PensionsManagement GmbH
Kontakt:
Sebastian Kiening
Ass. iur. – Teamleiter Firmenkunden Beratung
SLPM Schweizer Leben PensionsManagement GmbH
Zeppelinstraße 1
85748 Garching b. München
Tel.: +49 89 38109-1104
Email: Sebastian.Kiening@swisslife.de
Advertorial mit freundlicher Unterstützung von:
Von Autorinnen und Autoren der Swiss Life-Gruppe sind zwischenzeitlich bereits auf PENSIONS●INDUSTRIES erschienen:
Vom Feigenblatt der Freiwilligkeit und… BRSG 2.0-E (XIV): Mit Swiss Life Asset Managers in deutsche Energieinfrastruktur investieren: Ausfinanzierung mit Gruppen-CTA: Impact Investing: Life-Cycle in der bAV: Liquidity Solutions: Win-Win für alle: Clean Energy-Infrastruktur: Ein Praxisbeispiel: Pensionsfonds und CTA: Handlungsvorschläge für institutionelle Multi Asset-Portfolios: Neue Impulse für institutionelle Immobilienportfolios in und nach der Pandemie: Infrastrukturanlagen im Rahmen von Pensionsvermögen: Aktienrisiken zwischen Minimum Volatility und Overlay: Eher Bilanzhelfer als Renditeturbo Auslagerung von Pensionszusagen auf Pensionsfonds (II): PSV setzt BGH-Urteil um: 6a mal anders (II): Auslagerung von Pensionszusagen auf Pensionsfonds: Von BFH, GGF, bAV und vGA:
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