Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Kassandra – Die kommentierte Presseschau zur bAV:

It’s the Politics, Stupid!

Bevor nächste Woche wieder die reguläre Berichterstattung aufPENSIONSINDUSTRIES startet, hier am heutigen Freitag schonmal zum Jahresbeginn eine kommentierte Presseschau: Neuwahlen – wer sie will und wer nicht. Vertrauen – doppeltes für RotGrün. AfD – nun mit Auffangbecken. Union – Ruhe ist nicht erste Pflicht. Alte, dumme Tricks – und wer alles darauf reinfällt. Und alles off topic only …

Auch wenn manches davon die bAV zumindest mittelbar betrifft, firmiert die heutige Presseschau doch unter:

OFF TOPIC – TO WHOM IT MAY CONCERN

Deutschland im Jahres des Herrn 2024: Bauern, Proteste, Bahnstreik, illegaler Haushalt, Rezessionsängste, Insolvenzanstieg, Migrationsdruck, Wohnungsnot, Streit ums Bürgergeld, Irrungen, Wirrungen, Sterben und Werden in der Parteienlandschaft, eine ständig zunehmende Schärfe der politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen – allerorten ist das Land in Bewegung wie lange nicht. Wer es positiv sehen will: Immerhin ist Leben in den Leuten.

Hinzu kommen übergeordnete Entwicklungen, die sich mehr oder weniger dem Einfluss deutscher Politik entziehen, aber stetig deren (nie einfache) Positionierung einfordern: zuvorderst die Kriege im Osten und in Nahost, beide mit erheblichem Eskalationspotential, sowie die Inflation und der überraschend schnell angezogene Zinsdruck. Wie dem auch sei …

ntv (9. Januar 2024): „RTL/ntv-Trendbarometer – FDP rutscht unter 5 Prozent, AfD bleibt obenauf.“

… jedenfalls dominiert in diesen Monaten die (inter-)nationale Politik die Schlagzeilen nahezu allein, und offenkundig wird sie das weiter tun. Daher zum Jahresbeginn erneut ein Blick auf politische Lage und Perspektive im Land, denn es stehen mehrere wichtige Wahlen in Kürze vor der Tür. In diesem Zusammenhang hatte Kassandra schon zweimal den Freitod der FDP diagnostiziert – und hält an dieser Meinung mehr denn je fest. Einer der Dreh- und Angelpunkte dieser Tage: die Frage einer vorgezogenen Bundestagswahl (BTW). Deklinieren wir anhand dieser Kardinalfrage die strategische Interessenlage noch mal teils wiederholend, teils aktualisiert durch – denn sie könnte schneller akut werden, als man denkt:

Gegen Neuwahlen:

– Rot und Grün, weil sie so immerhin noch knapp zwei Jahre im Amt bleiben und wenigstens auf Besserung hoffen können (die natürlich nicht kommt). Beide verfügen über stabile Stammwählerschaften und damit über gewisse strategische Tiefe (die 3%, die jüngst eine Umfrage der SPD in Sachsen noch zubilligte, dürfte allerdings für die alte Tante ein schockierendes Menetekel gewesen sein).

Außerdem nicht zu vergessen: Kommt es erst zum regulären Termin zu den BTW, wird man in zweifacher Weise an Machtoptionen gewinnen: Nach dem absehbaren Exitus der FDP (s.u.) wird mindestens eine der beiden Parteien der für die Union unverzichtbare Koalitionspartner sein (bei einer starken AfD eher sogar beide), zum andern werden sich mit einer Wagenknecht-Partei neue Möglichkeiten von Linksbündnissen eröffnen.

Beide, SPD und Grüne, können also auf zweierlei vertrauen: einerseits darauf, dass sie bei den nächsten Wahlen ordentlich gerupft werden; andererseits darauf, dass man sie trotzdem noch brauchen wird. Für SPD und Grüne gilt es also, vorgezogene BTW unbedingt zu vermeiden – ergo die sterbende FDP bei der Stange zu halten.

– die neue Wagenknecht-Partei, denn bei schnellen Neuwahlen wäre die noch zu gründende Partei noch nicht einsatzbereit und stünde danach vier Jahre im bundespolitischen Nirwana. Übrigens wird die Wagenknecht-Partei vermutlich bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland freiwillig nicht antreten. Dafür gibt es mehrere Gründe: Erstens muss man suffiziente Parteistrukturen auch in der Fläche erst mal aufbauen; das ist keine Kleinigkeit und nimmt viel Zeit und Aufwand in Anspruch.

Zweitens kann man davon ausgehen, dass die Protagonisten der Partei zunächst auf die viel lukrativeren Mandate im Europaparlament schielen. Da kann die ostdeutsche Provinz nicht mithalten.

Sahra Wagenknecht, BSW. Foto: DiG Trialon.

Und drittens eine taktische, vielleicht gar strategische Frage: Nehmen wir an (und danach sieht es aus), dass die AfD in einem oder mehreren der ostdeutschen Landtage die stärkste Fraktion stellt, gleichzeitig aber die Wagenknecht-Partei auch substantielle Erfolge erzielt und nur mit ihrer Hilfe in einer Koalition mit rotgrün oder ggf. Duldung einer Union-Minderheitsregierung ein AfD-Politiker als Ministerpräsident verhindert werden kann, dann könnte sich die Wagenknecht-Partei diesem Ansinnen nicht verweigern. Jedoch direkt nach der ersten Wahl mit denen von Sahra Wagenknecht persönlich so scharf kritisierten Parteien in eine Koalition einzusteigen, würde das so schön aufgebaute Image der echten Oppositionellen direkt wieder massiv beschädigen. Das ist eine strategische Gemengelage, deren Perspektive sich Wagenknecht sicher ersparen will. Sich stattdessen auf die viel entspannendere Europawahl zu konzentrieren und dann im EP innerhalb der linken Fraktion eine politisch viel weniger verzwickte Rolle zu spielen und sich lautstark oppositionell zu positionieren, ist die attraktivere Alternative, als in der ostdeutschen Provinz den Notretter für krachende SPD und Grüne spielen zu müssen.

– die neue rechtslibertäre Partei um Hans Georg Maaßen, die aus der Werte-Union entstehen soll. Auch hier gilt, dass diese bei schnellen Neuwahlen nicht antreten könnte und damit im Regen stünde.

Ohnehin kann man Erfolg beider neuen Parteien zweifeln. Wagenknecht – die allen Ernstes an der peinlich-eitlen Namensgebung festhalten will – wird zwar anfangs Erfolg haben, beizeiten jedoch von Neueintritten der untergehenden Linkspartei wie gehabt ins Abseits gedrängt werden. Außerdem hat sie schon bewiesen, dass sie mit viel TamTam aufgestellte Bewegungen schnell ins Scheitern führen kann.

Und die neue Maaßen-Partei ist schon jetzt ein Projekt „1 Prozent“. Die Führungsfigur ist frei von jedem Charisma, und wer die Entwicklung dort verfolgt, der stellt schon jetzt erhebliche Risse unter den Protagonisten fest (Einzelheiten führten hier viel zu weit). Und auch Maaßen hat bei der letzten BTW schon bewiesen, dass er Wahlen verlieren kann.

Bemerkenswert an der neuen Maaßen-Partei ist eigentlich nur eines: Sie macht ein AfD-Verbot – das ohnehin ein äußert waghalsiges Unterfangen wäre – endgültig sinnlos. Denn für den Fall hätten deren Protagonisten und Anhänger nun ein Auffangbecken, das sie schnell kapern könnten und vermutlich auch würden.

Für Neuwahlen:

– nach wie vor zuvorderst die FDP, um wenigstens überhaupt eine minimale Chance zu haben, um besagten angekündigten Selbstmord noch abzuwenden; allerdings scheint der Parteispitze die Chuzpe zu fehlen (alles hier schon im vergangenen November durchexerziert).

Kassandra legt sich für den Fall einer linearen Weiterentwicklung im Land bis 2025 fest: Die FDP, wenn sie die Koalition nicht platzen lässt, wird die Entwicklung nicht überleben. Sie wird bei den drei Landtagswahlen im Osten vermutlich drei Mal den Einzug verpassen, bei der EP-Wahl katastrophal abschneiden und bei der dann anstehenden BTW – selbstverständlich – scheitern. Danach ist sie Geschichte.

Erinnert sei auch daran, dass es schon reicht, wenn die zunehmende Polarisierung der Gesellschaft sowie die neuen Parteigründungen von rechts bis links noch nicht einmal substantiell Stimmen bei der FDP abziehen, sondern lediglich die Wahlbeteiligung erhöhen (je stärker die AfD, desto mehr wird auch links zur Wahl gegangen). Selbst das kann für eine Partei ohne strategische Tiefe katastrophale Folgen haben, denn man bedenke: Die 5%-Hürde wird auf alle gültigen Stimmen berechnet, nicht nur auf die der Parteien, die es in den BT schaffen.

Ihr Problem ist nicht nur, dass sie mit ihrer Lindner-Performance schlicht nicht mehr gebraucht wird, sondern auch, dass sie mangels strategischer Tiefe ab 5% Zustimmung schnell eine Eigendynamik nach unten entwickelt, weil die Wähler ihre Stimme nicht an der 5%-Hürde scheitern sehen wollen, sich umso mehr von der FDP abwenden, diese sich noch weiter von der 5%-Hürde entfernt, die Wähler noch skeptischer werden usw. usf. (das Problem haben Grüne und SPD nicht).

Christian Lindner BMF. Foto: BMF.

Und für alle, die sich das Verschwinden der FDP, die ja zeitlebens schon immer da war, nicht vorstellen können: Es sei erneut betont, dass es in Demokratien für Parteien – und seien sie noch so traditionsreich und noch so verdienstvoll für das Land – keine Ewigkeitsgarantie gibt. Es sei als tragisches Beispiel hierfür nochmal erinnert an nicht weniger als die einst ruhmreiche Democrazia Cristiana, immerhin der Partei (die Älteren werden sich erinnern) Aldo Moros. 1993 hörte sie auf zu existieren.

Übrigens: Für Christian Lindner als personifizierter FDP-Totengräber wird dies das Ende auf dem politischen Parkett bedeuten. Nochmal wird es kein Comeback geben. Einen Florian Toncar wird man in der deutschen Assekuranz, vielleicht im Asset Management noch standesgemäß unterbringen können, für Lindner jedoch dürfte dieser Weg nach dem von ihm zu verantwortenden Ende seiner Partei verschlossen sein. Man darf gespannt sein, welcher Aufgabe er sich danach zuwenden wird. Einfach dürfte es nicht werden. Wenn es gut für ihn läuft, dann vielleicht Brüssel.

– die CDU/CSU, weil sie derzeit einen guten Lauf hat, dessen Andauern nicht sicher ist. Und weil sie jetzt mit einer möglicherweise doch noch überlebenden FDP wenigstens einen Koalitionspartner im bürgerlichen Lager hätte. In zwei Jahren wird sie nach dem Tod der FDP mutterseelenallein eingeklemmt sein zwischen einer AfD rechts und Rot-Grün-Wagenknecht links – und damit nur noch Koalitionen mit Linksparteien bilden können (was die AfD ihr in jedem Wahlkampf vorwerfen wird: „Wer Union wählt, bekommt SPD oder Grüne“). Neue Mini-Rechtsparteien werden außerdem auch die Union ein paar Punkte kosten. Und vielleicht verliert die CDU mit dem neuen Wahlrecht sogar noch die CSU im Bundestag.

Außerdem sind bald im Osten besagte drei Landtagswahlen. Wenn es schlecht läuft für die Union, dann geht die AfD danach mit einem oder mehreren Ministerpräsidenten im Amt dann in die Bundestagswahl Ende 2025. Drei mal Amtsbonus: Das würde die hier schon früh prognostizierte Eigendynamik der AfD-Zustimmung weiter befeuern.

Doch nach wie vor agiert die Union hier enttäuschend handzahm. Lediglich von Markus Söder – dessen CSU ja auch noch wegen des neue Wahlrechts das Ausscheiden aus dem Bundestag droht und der deshalb ein vitales Interesse haben muss, das gegenwärtige Unions-Momentum zu nutzen – sind entsprechende Forderungen zu vernehmen. Und auch für die CSU gilt: Je höher die Wahlbeteiligung, desto eher wird sie an der 5%-Hürde scheitern. Freilich, allein kann die Union keine Neuwahlen erzwingen, hier kommt es auf die FDP an. Aber sie könnte durchaus schärfer an die Sache herangehen. Man kann streiten, ob Ruhe erste Bürgerpflicht ist; erste Oppositionspflicht ist sie jedenfalls nicht.

Indifferent zu Neuwahlen:

Indifferent kann nach wie vor die AfD sein. Wird erst in zwei Jahren gewählt, wird sie einerseits davon profitieren, dass bis dahin der Druck im realpolitischen Kessel massiv weiter ansteigen wird, andererseits werden die oben erwähnten Partei-Neugründungen sie sicher auch einige Prozentpunkte kosten – aber nicht nur sie. Ihr kann es also eigentlich egal sein, ob jetzt oder in zwei Jahren gewählt wird, für sie hätte beides Vor- und Nachteile. Man hört wenig von ihr dazu, vermutlich setzt sie aber eher darauf, dass mit besagtem Druck im Kessel die Zeit für sie läuft und sie außerdem im Osten abräumt. Sie muss eigentlich gar nichts tun, sondern nur abwarten.

Klar ist aber auch: Die Auseinandersetzungen nehmen massiv an Schärfe zu, was bei der aktuellen Diskussion um ihre Remigrations-Ideen gerade wieder deutlich wird.

Ebenso indifferent die „alte“ Linkspartei. Sie muss im Bund und im Westen eigentlich gar nicht mehr antreten, sei es jetzt oder in zwei Jahren. Zahlreiche ihrer alten Kader werden ohnehin schnell in die Wagenknecht-Partei drängen und die Frau und Gründerin, die, wie es zuweilen zumindest scheint, glaubt, Parteien könne man nach eigenem Gusto stricken und führen, beizeiten zur Seite drängen. Aber das ist sie ja gewohnt.

Und inwiefern hat all das mit der bAV zu tun? Nun, angesichts der ministerialen Fachdialoge zur zweiten und dritten Säule der Vorsorge wurde an dieser Stelle schon seit Dezember 2022 und seitdem beständig die Frage aufgeworfen, ob angesichts ihrer „Multi-Problemlage“ die Bundesregierung „noch politische und fiskalische Ressourcen frei haben wird, in der Rente, namentlich in der bAV kleine Baustellen anzufassen – von großen ganz zu schweigen. Das vollmundige Projekt ‚Aktienrente‘ ist ja als die pure Chimäre wie von LEITERbAV früh prognostiziert bereits beerdigt (und durch ein einfaches Hebelgeschäft ersetzt, wobei auch dessen Realisierung völlig unklar bleibt). Und stets bedenke man: Wir stehen erst am Anfang der Entwicklung in dieser Problemlage; das, was wir heute sehen, sind die guten Jahre. Die schlechten kommen erst noch.“

Knapp 14 Monate sind seit dieser Skepsis vergangen. Nun, man wird sehen.

Merkur (7. Dezember): „Trotz Schuldenbremse: Zahlreiche Beamte in Berlin werden befördert – vor allem in FDP-Ministerien.“

Noch ein Nachschlag zur FDP: Offenbar wurde in zwei FDP-geführten Ministerien eine ordentliche Beförderungswelle von Beamten aufs Gleis gesetzt, vermeldeten Anfang Dezember verschiedene Medien.

Kurz hatte der Chronist das als Indiz gewertet, dass die FDP die Koalition nun doch, so wie von Kassandra empfohlen, platzen lässt.

Warum? Nun, mit Beförderungen Fakten schaffen und Loyalitäten bedienen: Das ist ein Verhalten, welches Minister in ihren Häusern normalerweise dann an den Tag legen, wenn sie wissen, dass ihre Amtszeit in Kürze zu Ende geht. Insofern schien das Verhalten der Minister Buschmann und Lindner durchaus ein darauf hinzudeuten, dass sie jetzt doch die letzte Reissleine ziehen. Nun, dem war offenbar nicht so.

tagesschau.de (11. Januar 24): „Staatsschulden steigen – Zinsausgaben verdreifacht.“

Das Statistische Bundesamt vermeldet, dass sich beim Bund der Trend zum stark anziehenden Zinsaufwand fortsetzt. 39,4 Mrd. Euro in Q1-3 2023 seien fast dreimal mehr Zinszahlungen als im Vorjahreszeitraum, so das Amt.

Was soll man dazu sagen? An dieser Stelle ist wie wohl sonst kaum so energisch behauptet worden, dass die EZB nicht in der Lage sei, die Zinsen auch nur minimal zu erhöhen, weil Staatshaushalte, Real- und Fiskalwirtschaft von der Dekade des billigen Geldes längst viel zu drogenabhängig seien. Das Gegenteil ist Realität geworden – und noch hält die EZB ihren Kurs durch. So kann man sich irren.

Aber in anderen Punkten hatte die Kassandra recht: Erstens mit der steten Kritik, dass Deutschland und Europa die Jahre der billigen Geldschwemme zu allem möglichen genutzt haben – nur nicht, um sich wetterfest zu machen.

Zweitens mit der andauernden Mahnung (noch zu Zeiten des jüngst verstorbenen Wolfgang Schäuble als Finanzminister), in einer ordnungspolitisch unheilen Welt nicht mit Schwarzer Null den ordnungspolitischen Musterknaben geben zu wollen – sondern stattdessen den Nullzins zu nutzen, um Methusalems zu emittieren und mit dem faktisch „geschenkten“ Geld das zu tun, was nötig ist, eben um sich wetterfest zu machen. Mangel an Raffinesse warf Kassandra damals der deutschen Politik vor.

Und jetzt? Wird es eben teuer.

DRV Bund (9. Januar): „Kabinettsbeschluss zum Bundeshaushalt 2024 – Bruch von Finanzierungszusagen führt zu Vertrauensverlust.“

Die Bundesregierung hat dieser Tage flugs die Einschnitte aus dem Sparpaket zum Haushalt 2024 aufs Gleis gesetzt – und dabei auch den Bundeszuschusses zur gRV um weitere 600 Millionen Euro gekürzt. Mit der nochmaligen Kürzung des Bundeszuschusses in dreistelliger Millionenhöhe breche der Bund wiederholt feste Finanzierungszusagen gegenüber der Rentenversicherung, beklagt sich die DRV in einer Mitteilung.

Was sie in ihrer Meldung sicher nur vergessen zu erwähnen hat, hier auf PENSIONSINDUSTRIES aber nie vergessen wird, ist die Tatsache, dass der Bundeszuschuss zur DRV schon 2022 insgesamt 109 Mrd. Euro betragen hat, also 109.000 Millionen Euro (wie die DRV zugegebenerweise im September 2022 vermeldet hat).

RND (11. September 23): „Erhebung des Arbeitsministeriums – ‚Sozialer Sprengsatz‘: Über neun Millionen Vollzeitbeschäftigte erhalten künftig unter 1500 Euro Rente.“

Wo wir schon dabei sind, soll dies hier noch mal betont werden:

Nahezu die Hälfte aller ca. 22 Mio. heute sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten können sich im Alter auf eine monatliche Rente von unter 1.500 Euro freuen.

Auch hier bei der 1. Säule gilt angesichts der stärksten deutschen Alterskohorten auf dem Höhepunkt ihrer Steuer- und Abgabenkraft und am Vorabend des demographischen Zusammenbruchs dieses Landes: Das hier sind die guten Zeiten. Sie wissen schon, Flaschenpfand und so.

Deutschlandfunk (11. Januar 24): „Migrationsbericht – 2022 höchste Nettozuwanderung in Deutschland.“

Politisch soll das jeder bewerten, wie er will, mag man es begrüßen („Fachkräfte“) oder kritisieren („Überforderung“).

Aber 1,2 Mio netto! Wow! Das ist schon eine satte Größenordnung. Erst hatte Kassandra, ein paar Monate später auch Kanzler Olaf Scholz prognostiziert, dass dieses Land vor Ende des Jahrzehnts 90. Mio. Einwohner haben wird – mit allen Konsequenzen. Besieht man sich die Zahlen, kann es auch deutlich schneller gehen. Ob dieses Jahr die 86-Mio.-Marke geknackt wird? Zu schaffen wäre das.

Hier auf diesem Parkett vor allem interessiert weiter v.a. eine wirklich spannende Frage: Wie werden die Immobilienmärkte – eingeklemmt zwischen drei Hemmern (Zinsanstieg, Rezessionsängste, anziehende, aber unklare Regulierung) und zwei Treibern (einstürzende Neubauten-Zahlen und enorme Knappheit) auf diese Gemengelage reagieren? Auf dem Parkett ist zu hören, dass es in diversen EbAV-Bilanzen bereits zu einigen, teils substantiellen Abschreibungen v.a. bei Gewerbeimmobilien gekommen sei (hier sollte jeder eine mögliche Umwidmung in Wohnen prüfen und den Staat als Nachfrager ins Auge fassen). Nicht überraschend wäre aber auch eine schnelle Wende – nämlich dann, wenn die Regulierung kalkulierbarer, die Leitzinsen gesenkt und die Nachfrage weiter anziehen sollte – Wahrscheinlichkeit des Eintretens: völlig unklar!

Die Welt (29. Dezember 23): Woidke: ‚Zu Tode gespartes Land – mit der Schuldenbremse passiert genau das‘.“

Dieses Land ist nicht zu Tode gespart. Das Bürgergeld ist nur eines unter endlos vielen Beispielen, die Leier vom totgesparten Staat ist alt, dürfte bei den daran gewöhnten Menschen im Land aber verfangen – auch wenn das Gegenteil richtig ist.

Außerdem ist das alte Super-PIG Deutschland am Vorabend seines demographischen Zusammenbruchs faktisch längst pleite. Wie hier seit über zehn Jahren nie vergessen wird zu betonen, sollen die impliziten Schulden Deutschlands Ex-BP Horst Köhler, immerhin gelernter Banker, zufolge bereits 2005 für die gesamte Bundesrepublik 5,7 Bio. Euro ausgemacht haben (mit einer dementsprechenden damalige Gesamtstaatsverschuldung von 7,1 Bio Euro). Seitdem dürfte das ein oder andere Billiönchen implizit hinzugekommen sein, v.a. wenn man die ab 2007 eingegangenen Garantien für andere Euro-Staaten einbezieht (und die Kostenblöcke werden nicht geringer: Der auf unserem Parkett bekannte Prof. Bernd Raffelhüschen hat sich hier just zu den Kosten der Migration geäußert.).

Zweitens schwankt die Staatsquote in Deutschland immer um rund 50% (in der EU ist das nur Mittelfeld), aber auch hier kann von Totsparen keine Rede sein.

Drittens (und das läuft in nicht wenigen Ländern wirklich besser), sei das ebenfalls uralte kassandrische Axiom wiederholt, dass Deutschland im jahrelangen, EZB-geldschöpfungsgetriebenen Rekord-Boom (spätestens seit 2012) Side-Effects wie Rekord-Steueraufkommen, Rekord-Beschäftigung, Rekord-Sozialabgaben und Rekord-Haushalte sowie den Rekord-Minizins (zur faktisch kostenlosen Refinanzierung) vor allem umgesetzt hat in Rekord-Staatsquote, Rekord-Defizite, Rekord-Verschuldungen und gleichzeitigen Rekord-Verfall der öffentlichen Infrastruktur (Universitäten, Schwimmbäder, Bundeswehr etc.), Rekord-Target-II-Salden, Rekord-Mini-Median-Vermögen, Rekord-Renteneintrittsalter, gepaart mit Rekord-Mini-gRV-Renten, Rekord-Sozialleistungen, Rekord-Defiziten der großen Sozialsysteme und Rekord-Wahrscheinlichkeit an Altersarmut.

Deutschland Problem heißt nicht Totsparen. Deutschlands Problem heißt Miss Management.

Der Tagesspiegel (7. Januar 2024): „Migration, Heizen, Bürgergeld: Diese Ampel-Projekte will die CSU direkt wieder rückabwickeln.“

Markus Söder, MP Bayern. Foto: Bayer. Staatsreg.

Das Bürgergeld deformiert nicht nur den Arbeitsmarkt, es deformiert nach Meinung Kassandras gar die ganze Gesellschaft. Es ist eines der mehreren rein hausgemachten Probleme, die das Land in einer ohnehin sehr schweren Zeit massiv zusätzlich belasten. Zweifelsohne stellt es eine der bedeutendsten gegenwärtigen Fehlentwicklungen dar. Der oben schon erwähnte bayerische Ministerpräsident fordert daher einen Kurswechsel.

Recht hat er. Aber angesichts dessen lohnt eine kleine Recherche des Abstimmungsverhaltens im Bundesrat. Und was findet man in der Dokumentation zur 1037. Sitzung des Bundesrates vom 20. Oktober 2023, TOP 39, unter dem beschaulichen Titel:

Verordnung zur Bestimmung der für die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach § 28a und für die Fortschreibung des Teilbetrags nach § 34 Absatz 3a Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch maßgeblichen Prozentsätze sowie zur Ergänzung der Anlage zu §§ 28 und 34 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch für das Jahr 2024.“

vulgo „Erhöhung des Bürgergeldes ab 2024“ zum Abstimmungsverhalten Bayerns?

Richtig: Zustimmung.

Die Welt (7. Dezember 23): „Robert Habeck fällt auf Fake-Anruf von russischen YouTubern rein.“

Irgendwie passt das zum Zustand dieses Landes: Man kann nur erstaunt sein, wem so manche Ministerien und manche Minister selbst größerer Industriestaaten heute noch auf den (derzeit noch recht analogen) Leim gehen. Das ist ja nun beileibe nicht das erste Mal, dass sich irgendwelche Anrufer derartige Scherze erlauben (und nicht immer sind es nur Scherze), sondern das gab es schon zu Zeiten des jungen Stefan Raab in den 90ern.

Dass es also immer noch Regierungseinrichtungen in Deutschland gibt, die auf so etwas reinfallen, das hat schon etwas Befremdliches an sich.

Wie muss man sich das eigentlich vorstellen? Kann jeder im Ministerium anrufen, sich als irgendjemand ausgeben und dann den Minister an die Strippe bekommen, der dann auch noch freimütig Auskunft zu allen möglichen Themen erteilt? Das ist schon wirklich erstaunlich.

Robert Habeck, BMWK. Foto: Grüne im Bundestag, S. Kaminski.

Wie dem auch sei, wir bewegen uns ja hier noch einigermaßen in der analogen Welt. Kassandra hatte schon mehrfach darauf hingewiesen, dass i.A. die KI ALLES verändern wird und konkret Authentizität mit KI in wenigen Monaten, und wenige Monate ist nahezu schon jetzt, eines der brennenden und dringendsten Probleme in jedem zwischenmenschlichen Umgang werden wird – bei Bildern und (Erotik-)Filmen, bei Aussagen, bei Dokumenten, bei Beweisen, bei Gesprächspartnern, bei der wahrgenommenen „Realität“ aller Art. Gab es früher den Enkeltrick, sei wiederholt, dass wir demnächst mit ganz anderen Herausforderungen zu tun haben werden und keineswegs nur alte Leute betroffen sind. Und wenn heute noch ja selbst deutsche Minister immer noch auf die dümmsten analogen Tricks reinfallen, wie soll das dann erst werden, wenn hier bald fortschrittliche KI zum Einsatz kommt? Genaus das fängt nämlich schon an, wie die Zeitschrift Öko-test hier berichtet.

Übrigens könnte dieser technische Fortschritt der KI zu dem paradoxen Effekt führen, dass am Ende des Tages die Menschen wieder weniger Elektronik nutzen und mehr die unmittelbare, direkte Kommunikation mit ihrem Gegenüber suchen, weil es nur dort noch Authentizität gibt. Abzuwarten, ob die Entwicklung wirklich in diese Richtung geht, aber wer will, der kann darin etwas positives sehen.

Betrifft all das auch Pensions und Asset Management, so dass es hier überhaupt zur Sprache kommen muss? Ja, sehr sogar, und nicht nur als Investment-Thema. Denn die erwähnte Frage der Authentizität wird bes. im Zusammenhang mit Fraud Prevention auch im Asset Management, bspw. für KVG und Custodians wichtiger, komplexer und v.a. herausfordernder werden. An deutschen Ministerien sollte man sich jedenfalls kein Beispiel nehmen.

MDR (9. Juli 23): „Sachsens Sozialministerium fällt auf Internetbetrüger rein.“

Doch soll sich hier nicht auf Habeck fokussiert werden. Auch andere fallen auf dumme Tricks rein. Beispiel sächsisches Sozialministerium: Satte 225.000 Euro hat man auf ein Konto Krimineller überwiesen. Diese hatten offenbar die Rechnungs-E-Mail einer Firma abgefangen, bei der das Ministerium Schutzzäune zur Eindämmung der Schweinepest gekauft hatte.

Was den unterbezahlten – aber vermutlich völlig überarbeiteten – Beamten nicht auffiel: Die Kriminellen hatten einfach die Kontodaten ausgetauscht. Ob es sich um ein deutsches Konto (was bei Ermittlung bzw. Rückholung helfen sollte) oder ein exotisches Konto (was die Beamten aber hätte stutzig machen müssen) handelte, ist nicht bekannt – ebensowenig, ob der Abfluss von Steuergeld in sechsstelliger Höhe in dem Ministerium für die Verantwortlichen mehr als ein „Hoppla“ zur Konsequenz hatte.

Auch die Masche mit „falschen“ Kontodaten auf „richtigen“ Rechnungen ist nicht neu. Der Chronist hat schon vor rund 15 Jahren im Bekanntenkreis selbst erlebt, dass ein nahezu insolventer Bauunternehmer vom Bauherren die Rechnungen nach Baufortschritt bezahlen ließ, dabei aber bei der kreditgebenden Bank ein zweites Privatkonto unterhielt und sich den Baufortschritt immer auf das Privatkonto statt auf das der Haftung unterliegende Geschaftskonto überweisen ließ. Dies fiel erst auf, als die kreditgebende Bank beim Bauherren nachfragte, wo denn die Überweisungen blieben. Der Bauunternehmer hatte mit dem Geld verzweifelt versucht, durch ständiges Verschieben von Liquidität seine Insolvenz zu verschleppen bzw. ganz zu vermeiden. Übrigens ist ihm dies bezeichnenderweise am Ende auch gelungen. Die Sache blieb ohne Folgen für alle.

Hat auch das alles mit der bAV zu tun? Ja, irgendwie schon. Ob mit oder ohne KI: Alle bAV-Zahlstellen – Arbeitgeber wie EbAV – müssen stets wachsam sein und sich immer vor Augen halten, dass Leistungen nur dann Leistungen sind, wenn sie auf das richtige Konto geleistet werden, nicht auf das falsche. Schließlich können die Summen, um die es in der bAV geht, schnell sehr erheblich werden. Dass das gegenwärtig ein Problem sein könnte, ist nicht bekannt. Es sieht aber mit dem technischen Fortschritt alles danach aus, dass es eines werden könnte.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

© Pascal Bazzazi – LEITERbAV – Die auf LEITERbAV veröffentlichten Inhalte und Werke unterliegen dem deutschen Urheberrecht. Keine Nutzung, Veränderung, Vervielfältigung oder Veröffentlichung (auch auszugsweise, auch in Pressespiegeln) außerhalb der Grenzen des Urheberrechts für eigene oder fremde Zwecke ohne vorherige schriftliche Genehmigung. Die Inhalte einschließlich der über Links gelieferten Inhalte stellen keinerlei Beratung dar, insbesondere keine Rechtsberatung, keine Steuerberatung und keine Anlageberatung. Alle Meinungsäußerungen geben ausschließlich die Meinung des verfassenden Redakteurs, freien Mitarbeiters oder externen Autors wieder.