Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Kassandra – Die kommentierte Presseschau zur bAV:

Keine Atempause – Deutschland geht voran

Unregelmäßig freitags bringt LEITERbAV eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: Geo meets Märkte, Upgrade auf 100 Millionen. Willkommen im wahren Leben. Tiefe Taschen hat der Staat. Und: Die Jusos schlagen einen Dreier vor.

Union Investment (16. November): „Studie: Geopolitik rückt für Investoren in den Vordergrund.“

In der Tat: Geopolitik meets Märkte. Die Union Investment beleuchtet die geostrategische Lage und die Folgen für institutionelle Investoren. Im Zentrum steht wenig überraschend der (derzeit zum Glück noch) informelle Konflikt zwischen den USA und China bzw. die Taiwan-Frage.

Aber die Union Investment verweist zurecht auch auf die (hierzulande oft übersehene) substantielle Stärke der USA, hält für Investoren die Peripherie rund um China für interessanter als China selbst, weiß über Europa wenig Gutes zu sagen und hebt hier eigentlich nur Skandinavien und Osteuropa hervor. Deutschland nicht. Explizit wird auf Investitionen außerhalb des Euroraums verwiesen.

Als Fazit würde Kassandra unken: Egal wo man investiert, (fast) alles besser als Deutschland.

Wie dem auch sei, die Geolage ist oft auch Thema in dieser Presseschau, und am Montag wird sie auch Thema auf LEITERbAV sein: Insight Investment und LEITERbAV halten am Dienstag Nachmittag ein Webinar ab zu exakt diesem Thema und den Konsequenzen für institutionelle Pensions-Investoren, u.a. gemeinsam mit Professor Heilmann, Lehrstuhl-Inhaber in Trier und Experte für Geopolitik. Nehmen Sie, liebe Leserschaft, gerne teil, alle weiteren Informationen finden sich in dem LEITERbAV-Beitrag dazu hier.

 

adesso benefit solutions (15. November): Gebündeltes Know-how für neue bAV-Lösung.“

Der Kölner Asset Manager Flossbach von Storch betritt mit einer integrierten Strategie das deutsche Pensionsparkett und hat sich als Partner einen erfahrenen Akteur gesucht.

Kassandra hat hier eine grundsätzliche Meinung: Es gibt viele, sehr gute und sehr professionelle Pensionsdienstleister aus dem Ausland, vor allen Dingen aus den USA, Großbritannien und Frankreich, die in Deutschland operieren, vor allen Dingen natürlich im Asset Management und im Benefits Consulting; meist riesige Akteure. Das ist gut und richtig, und sie tragen zur Stabilität und Entwicklung des deutschen Pensionswesens stets bei.

Gleichwohl: Es ist am Industriestandort Deutschland immer zu begrüßen – und in diesen Zeiten offenkundig mehr denn je – wenn heimische Player sich aufstellen und engagieren. Auch im Pensionswesen gilt das, selbst wenn es in diesem immer noch gute Strukturen gibt; und hier nur eine völlig unvollständige Kurzaufzählung von Großen und Kleinen und ganz Kleinen aus Asset Management, IT und Consulting: Heubeck, Lohoff, Lurse, Funk, ETS, Berenberg, Pensions Solutions, Union, Thurnes-bAV, Rittner, Profion, Faros, Metzler, DWS, ER-AG, Longial, p.c.a.k., concedro, H2B, adesso, Gassner, betavo und und und … und nun also neu ein Asset Manager in Kooperation mit einem Benefits/IT Consultant.

 

OFF TOPIC – TO WHOM IT MAY CONCERN

Focus (2. November): „‘Grunderbe’.“ durch erhöhte Erbschaftssteuer – 60.000 Euro für alle 18-Jährigen? Jusos mit besonderem Geldplan.“

Bevor jetzt alle wieder schimpfen, so etwas verschärfe den Fachkräftemangel etc., muss man das Positive an dem Vorschlag der Jung-SPDler sehen:

Erstens würde die Jugend noch weniger dem gefährlichen Druck des täglichen Arbeitens im kapitalistischen System ausgesetzt. Zweitens könnte man damit die alte volkswirtschaftliche These von den inflationären Zweitrunden-Effekten noch mal ganz neu in der Realität verifizieren.

Und drittens wollen die Jusos die Zahlung von 60.000 Euro unabhängig von Nationalität, Aufenthaltsstatus etc. zahlen lassen. Eine bekanntes kassandrisches Axiom, dass dieses Land vor Ende des Jahrzehnts 90 Mio. Einwohner haben wird (eine These, die zwischenzeitlich auch Bundeskanzler Olaf Scholz vertrat), muss dann entsprechend upgegraded werden:

Dieses Land, sollte so ein Vorschlag je Realität werden, würde vor Ende des Jahrzehnts nicht 90, sondern nicht weniger als 100 Mio. Einwohner haben – mit allen Konsequenzen. Positiv: Das wiederum würde den Fachkräftemangel wieder massiv entschärfen. Und: Endlich dreistellig, was kann es schöneres geben!? Im Bevölkerungswachstum (allein von 2012 bis heute von 80,3 auf ca. 85 Mio. Einwohner) geht Deutschland voran wie kein anderes westliches Land – und gönnt sich keine Atempause!

Wichtig wäre allerdings, so Kassandras Rat, dass der Bezug dieser 60.000 Euro in keinster Weise auf das Bürgergeld angerechnet wird. Nur dann kann die Maßnahme volle Wirkung entfalten!

Also, wenn Kassandra dieses Land und seine Arbeitsmarktpolitik vor einer Woche erst dafür gelobt hat, dass es in der Lage ist, sich selbst mit Bürgergeld und Rente mit 63 gleich einen doppelten Tritt in den agonisch taumelnden Allerwertesten zu geben, zeigen die Jusos, dass durchaus noch mehr ginge – ein echter Dreier sozusagen.

 

Welt (10 November): „Bürgergeld wird 2,1 Milliarden Euro teurer als geplant.“

Das passt zu dem eben Kommentierten. Aber warum soll gute Politik nicht auch Geld kosten dürfen?

 

MDR (16. November): „Sorge um Finanzierung der geplanten Chipfabriken von Intel und TSMC.“

Tja, irgendwie ja schon blöd, wenn man auf einmal mit dem Geld auskommen muss, das man zur Verfügung hat. Dann mal willkommen im wahren Leben.

Positiv zu bewerten an der Karlsruher Entscheidung zum Haushalt ist vieles, u.a., dass auch die Milliardensubventionen für die Halbleiteransiedlungen vermutlich nicht mehr möglich sein werden. Abseits der nun aufschreienden lokalen Partikularinteressen:

Eine Regierung, deren Politik den Industriestandort Deutschland unstrittig derart massiv schädigt, sollte nicht die Steuer- oder Schuldenmittel haben, die von ihr angerichtete Malaise mit Subventionen und Milliarden-Geschenken zu kaschieren.

Falls es in Berlin in Vergessenheit geraten sollte: Die Aufgabe einer Regierung ist es, einen Industriestandort so zu gestalten in seinen Rahmenbedingungen, dass sich Industrie und Technologie aus ökonomischen Gründen und freien Stücken ansiedeln und entwickeln können. Es ist nicht ihre Aufgabe und schon gar nicht ihr Recht, diese Ansiedlungen mit Steuerzahlergeld zu kaufen. Alle reden von Nachhaltigkeit, und viel zu oft weiß man nicht genau, was gemeint ist. Dafür weiß man, was Nachhaltigkeit auf keinen Fall ist: Subventionen.

Staatsgeld an sich ist erstmal keine Tugend. Und nochmal grundsätzlich ein altes Kassandrisches Axiom (aus den Zeiten des Nullzinses, das aber nichts von seiner Gültigkeit verloren hat), nämlich …

… dass Deutschland (das ewige Super-Pig, bei richtiger Rechnung faktisch längst bankrott) am Vorabend seines erwähnten demographischen Zusammenbruchs im jahrelangen, EZB-geldschöpfungsgetriebenen Rekordboom (spätestens seit 2012) Side-Effects wie Rekord-Steueraufkommen, Rekord-Beschäftigung, Rekord-Sozialabgaben und Rekord-Haushalte sowie den Rekord-Minizins (zur faktisch kostenlosen Refinanzierung) vor allem umgesetzt hat in Rekord-Staatsquote, Rekord-Defizite, Rekord-Verschuldungen und gleichzeitigen Rekord-Verfall der öffentlichen Infrastruktur (Universitäten, Schwimmbäder, Bundeswehr etc.) …), Rekord-Target-II-Salden, Rekord-Mini-Median-Vermögen, Rekord-Renteneintrittsalter, gepaart mit Rekord-Mini-gRV-Renten, Rekord-Sozialleistungen, Rekord-Defiziten der großen Sozialsysteme und Rekord-Wahrscheinlichkeit an Altersarmut. Trost: Irgendwie ist das ja auch eine Leistung.

Nun also ein – wenigstens klitzekleiner – Karlsruher Griff in die Speichen des Weiter-so-. Immerhin. Wenn schon De-Growth, dann auch richtig. Viel Freude dabei.

Frankfurter Rundschau (5. September): „Schlankheitsmittel macht Dänemark reich: Das steckt dahinter.“

Hier ein kleines Gegenbeispiel für alle, die denken, die deutsche Multi-Krise hänge nur von externen Faktoren ab und sei nicht hausgemacht. Doch. Sie ist in weiten Teilen ausgemacht.

Bei allen Unterschieden, bei aller beschränkten Vergleichbarkeit und auch bei klarer Anerkennung, dass ein 6-Mio.-Staat an der politischen Periphere leichter zu steuern ist als ein 85-Mio.-Koloss, der in Europa im Zentrum von allem steht: Dänemark zeigt, dass es anders geht.

 

Der Spiegel (8. November): „Zahl der Wohnungslosen in Deutschland deutlich gestiegen.“

und

Die Welt (24. Oktober): „Hamburg muss bei der Unterbringung jetzt auf Zelte ausweichen.“

Das von Kassandra stets so genannte politische „Über-Thema“ Wohnungen zeigt in der Realität immer mehr seine Ausprägungen – und das unterstreicht die hier schon viel besungene Ambivalenz der Asset-Klasse Real Estate, die wie keine andere in diesen Jahren hin und hergeworfen wird, zwischen einerseits Treibern (Rückgang der Neubauten, Bevölkerungswachstum auf dem Weg zu den 90 oder 100 Mio. s.o.) wie andererseits hemmenden Faktoren (Zinsanstieg, unklare Regulierung).

Für Pensionsinvestoren wichtiges Zitat aus dem Welt-Beitrag:

Die Behörde erwägt, weitere Gewerbeimmobilien anzumieten oder zu kaufen.“

Na sieh mal an. Wie ist hier schon mehrfach geunkt worden?

Der Staat wird als Nachfrager nach Wohnraum immer kompromissloser auftreten, d.h. an sich marktferne Preise zahlen. Als Investor tut man gut daran, dieses dynamische Crowding out der privaten (ohnehin von Zins und Rezession gebeutelten) Nachfrage zu antizipieren und sich auf den Staat, bei dem die Taschen so tief sind wie sein Handlungsdruck hoch ist, zu konzentrieren.“

Und bitte wie stets das wichtigste Kröten-Axiom nicht vergessen: Wir stehen erst am Anfang der Entwicklung!

Bild (16. November): „Schon wieder! Klima-Radikale beschmieren Brandenburger Tor.“

Kassandra hatte neulich gefragt, warum ein Staat, Gesellschaft, Volk (welchen Ausdruck man auch immer bevorzugt) in seinem Run off nicht auch kulturell degenerieren soll. Und auch in der Frage der kulturellen Degeneration zeigt sich: Die Deutschen leeren den Kelch gern bis zur Neige.

 

taz (im November): „NDR-Journalist bekam Geld aus Russland – jede Menge Kohle vom Oligarchen.“

Die einen Journalisten dieses Landes kassieren Geld von der deutschen Regierung, die anderen von der russischen – und wer weiß schon, welche Regierungen und welche Dienste welcher Länder da noch so mit tiefen Taschen in der deutschen Medien-Welt unterwegs sind (es wäre überraschend, wenn nur Deutsche und Russen so freigiebig wären). Und wer geht mal wieder wie immer leer aus? Richtig! Die hässliche Kröte! Da kann man sich als Kassandra und dummer Spitzensteuerzahler schon mal etwas einsam fühlen. Das schlimmste ist: Hier hat es noch nicht mal jemand versucht. Nichtmal das! Wirklich enttäuschend.

 

So, liebe Leserschaft, und wenn hier schon die ganze Zeit mal wieder der nahende deutsche Untergang beunkt wird, dann werden Sie am Montag an dieser Stelle lesen, dass hier freitags immer völlig maßlos übertrieben wird. Hoffentlich.

Das zur heutigen Headline anregende Kulturstück findet sich jedenfalls hier.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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