Unregelmäßig freitags bringt LEITERbAV eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: Geht Schlesinger doch nach Erfurt? Werden Wohnimmobilien wirklich billiger? Muss die Bankenkrise unbeherrschbar werden? Was ist der Unterschied zwischen Kimmich und Kassandra? Und wie man kulturelle Degeneration farblich kenntlich macht …
BILD (22. September): „Es geht um 220 000 Euro pro Jahr – RBB will Skandal-Intendantin Rente streichen.“
Jüngst erst, anlässlich der Neubesetzung des Erfurter Dritten Senates, hatte LbAV am Ende der Meldung halb-ironisch darüber berichtet, dass möglicherweise demnächst die Glamour-behafteten Extremfälle der überüppigen RBB-Renten manch einstiger, längst gefeuerter Spitzenmanagerinnen und -manager von dem BAG verhandelt werden könnten – und dabei bedauert, dass ausgerechnet der Fall Schlesinger vermutlich nicht dorthin gehen wird.
Prompt gab es am nächsten Tag den hier verlinken Bericht in der BILD zu dem Fall, dergestalt, dass der Konflikt des Senders mit Schlesinger offenbar keinesfalls schon beigelegt ist, sondern durchaus noch Eskalationspotenzial hat. Nun, vielleicht hat LbAV beizeiten ja doch doch Anlass, von einem prominenten Fall aus Erfurt zu berichten.
Allerdings: Sieht man sich die Vorwürfe an, welche die BILD hier aufgelistet, fragt man sich eher, warum der Fall nicht vor einem Strafgericht verhandelt wird.
n-tv (22. September): „Inflation und Bauzinsen schuld – Wohnimmobilien verbilligen sich in Rekordtempo.“
Kann das sein, was n-tv da vermeldet? Stand heute vielleicht. Aber mittelfristig?
Seit Frühjahr 2022, dem Beginn des Ukraine-Krieges, den schnellen Zinserhöhungen und der anziehenden Migrationsdynamik bei gleichzeitiger Eintrübung der Realwirtschaft wird an dieser Stelle auf LbAV von Kassandra die Ambivalenz der Asset-Kasse Real Estate und der diesbezügliche Druck auf die Politik unkend prophezeit.
Real Estate unterliegt seitdem kräftigen Hemmern (Zinsanstieg, Rezessionsängste, anziehende, aber unklare Regulierung) und hat eigentlich nur noch zwei Treiber: die Einstürzenden Neubauten-Zahlen, v.a. aber die enorme Migrationsdynamik in Deutschland.
Wenn also jetzt in vielen Medienberichten wie oben auf n-tv von rapide zurückkommenden Preisen bei Wohnimmobilien die Rede ist, dann wird es spannend zu sehen, ob, oder eher: wann sich bei den Preisen der am Ende allein dominante Faktor sich durchsetzen wird: die Knappheit.
Wenn hier auf LbAV also seit anderthalb Jahren davon geunkt wird, dass die Wohnungsfrage für die Politik zum Über-Thema werden wird, so ist das (auch wegen seiner skurrilen Stilblüten, die es treibt) längst in den Massenmedien angekommen (das haben politische Über-Themen nun mal so an sich). Jedenfalls überschlagen sich derzeit täglich Schlagzeilen und Talkshows, entweder mit dem Thema Wohnungsnot oder dem Thema Migration oder beidem – und beide hängen ja unmittelbar voneinander ab (übrigens trägt auch das Bürgergeld dazu bei, die Lage zu verschärfen).
Der Ton nicht nur der Landräte, sondern mittlerweile nun auch in der Spitzenpolitik wird dabei fast täglich schriller: keine Talkshow, keine Nachrichtensendung, keine Tageszeitung mehr ohne hektischer werdenden Alarmismus – der sich am Ende, wie man in den Talkshows live wunderbar beobachten kann, doch nur im Kreise dreht.
Dabei hat Kassandra auch stets prognostiziert, dass weder die deutsche Gesellschaft noch die deutsche Politik den Willen hat, bei dem extremdynamischen Power-Thema Migration, wo es keinen einfachen An/Aus-Schalter und keinen Schieberegler gibt und das bei den Betroffenen von enormer Motivation getrieben ist, ernsthafte Änderungen über das Kosmetische hinaus herbeizuführen. Es ist klarer Wunsch der übergroßen Mehrheit der Deutschen, dass an der deutschen Willkommenskultur keine substantiellen Abstriche gemacht werden dürfen (zumindest solange man nicht selbst betroffen ist, wie die WELT hier wunderbar herausgearbeitet hat). Die ständig schärfer werdende Entwicklung kann man als Befürworter der Migration (Stichwort Fachkräftemangel) begrüßen, als Kritiker (Stichwort Herausforderungen) bedauern; jedenfalls macht es auch die weiteren Prognosen einfach:
Kassandra geht jedenfalls weiter davon aus, dass sich wenig bis nichts ändern wird und nach den Wahlen in Bayern und Hessen die Bundespolitik – zunächst einmal – das Interesse an dem Thema Migration verliert; bis zu den nächsten Wahlkämpfen. Solange werden die Landräte immer lauter schreien und die Wohnungen immer knapper – und teurer – werden.
Die Gemengelage in einem Land auf dem Weg zu den 90, mittelfristig 100 Millionen bedeutet für Immobilieninvestoren also unverändert:
Der Staat wird als Nachfrager nach Wohnraum immer kompromissloser auftreten, d.h. an sich marktferne Preise zahlen. Als Investor tut man gut daran, dieses dynamische Crowding out der privaten (ohnehin von Zins und Rezession gebeutelten) Nachfrage zu antizipieren und sich auf den Staat, bei dem die Taschen so tief sind wie sein Handlungsdruck hoch ist, zu konzentrieren. Die Fälle, in denen in Berlin und anderswo Pflege- bzw. Alten- zu Flüchtlingsheimen umgewidmet wurden, sind zwar noch selten, zeigen aber möglicherweise schon die Richtung dorthin, wo künftig die Rendite zu holen ist. Ebenso sollte die Umwidmung von Gewerbe in Wohnimmobilien im Auge behalten werden; hier sollte künftig viel passieren. Bei Hotels ist das schließlich schon gang und gäbe.
Also wie gehabt: Immobilen werden für Eigentümer einerseits immer mehr Ärger machen (Regulierung), andererseits immer höhere Renditen bringen (Nachfrage). Weiter Zeit für Pros only.
Der Treasurer (6. September): „Bankenkrise: Chef der Schweizer Finma tritt zurück.“
Lange nichts gehört von der kleinen Bankenkrise, induziert durch (zu?) schnelle Leitzinserhöhungen mit der Folge erheblicher Abschreibungen in den Fixed Income-Beständen der Banken. Man muss schon suchen, um überhaupt noch Meldungen dazu zu finden – wie hier eine Randnotiz, schon gut drei Wochen alt. Ist sie denn deshalb vorbei? Oder schwelt sie noch und lauert auf den Ausbruch? Schwer zu sagen.
Echte Krisenprophezeiungen findet man jedenfalls abseits des Mainstreams schnell, v.a. auf YouTube, v.a. aus libertären Kreisen. Darauf soll hier kurz eingegangen werden:
Zunächst: Bei den Banken ist das alles bekanntlich deshalb ein Problem, weil jeden Morgen irgendwo einer aufsteht und sein Geld von der Bank wiederhaben will (das ist sichtlich weniger problematisch bei Versicherungen, fast gar nicht bei EbAV, da Stornorisiken äußerst gering bzw. gegen Null gehen, Bonds ergo gebucht im Anlage- und nicht im Umlaufvermögen).
Rein technisch kann die Bankenkrise eigentlich gar nicht vorbei sein, weil die Summe der alten, niedrig- oder gar negativ-verzinsten Fixed Income-Produkte (be it Sovereigns, Corporates, High Yield, Loans etc…) in den Bankbilanzen einfach viel zu hoch ist und diese – an sich – einem Abschreibungspotential unterliegen, das weltweit in die Billionen gehen dürfte.
In libertären Diskussionszirkeln, wie man sie auf YouTube schnell findet, wird daher gemutmaßt, dass derzeit nur eine trügerische Ruhe herrsche, also die bekannte Ruhe vor dem Sturm. Diese Leute können rechnen und sie können Bilanzen lesen, und es werden von ihnen dort Größenordnungen von bis zu 8 Billionen in den Raum gestellt, welche die Notenbanken zu Verfügung stellen müssten, um die durch ihre schnellen Zinserhöhungen vor der Tür stehenden Banken-Zusammenbrüche aufzufangen – natürlich mit einer exorbitanten Inflation einhergehend, wie wir sie rund 100 Jahre nicht gesehen haben.
Stimmt das denn? Wie gesagt, die Libertären können rechnen, und insofern werden die Größenordnungen vermutlich schon mehr oder weniger stimmen. Allerdings sind die Anhänger dieser Österreichischen Schule zuweilen vermutlich zu sehr in ihrem harten ordoliberalen Vorstellungen gefangen – und übersehen dabei, welche pragmatischen Lösungen es gibt:
Im Prinzip handelt es sich bei den gegenwärtigen Lücken in die Bankbilanzen meist „nur“ um ein Problem der Fristentransformation, und dieses kann man als Regulierer mit relativ „kleinen“ Stellschrauben in den Griff bekommen. Erste Maßnahme: den Banken erlauben, die Sovereigns und IG-Corporates in das Anlagevermögen umzubuchen und nicht abschreiben zu müssen (held to Maturity).
Sobald das öffentlich kundgetan wird, gibt es zwar Aufschreie bei den Österreichern (ordoliberal auch zu Recht), jedoch dürfte vor allem die breite Öffentlichkeit den Banken damit (pragmatisch zu Recht) mehr Stabilität zubilligen und in der Folge zumindest die Gefahr sich selbst verstärkender Bank Runs massiv reduzieren. Damit sind es schonmal sichtlich weniger Leute, die morgens aufstehen und ihr Geld wiederhaben wollen, v.a. nicht so schnell.
Sollte es bei Instituten trotzdem noch zu zu starken Abflüssen kommen (Buchverluste der Fristentransformation also realisiert werden müssen), kann man diese Institute immer noch mit Zentralbankgeld retten. Und wichtig: Das ist sehr wohl möglich, ohne dass es deshalb zu massiver Inflation kommen muss, welche die Österreicher befürchten: nämlich indem man diese Rettungsmittel in der Bank so fixiert, dass sie an den Märkten gar nicht draußen ankommen (als M3), sondern nur der Stabilisierung der Bank dienen (was ausreicht, um den Bank Run zu verhindern). Man erlaubt der Bank also nicht, diese Mittel, die sie zur Stabilisierung ihrer FI-Verluste benötigt, anderweitig zu verwenden. Sie werden also bspw. als eine Art zusätzliches Mezzanine-Semi-Eigenkapital der Zentralbank gebucht. Das kann man ordnungspolitisch noch anständig garnieren, hier bieten sich Haircuts per Debt to Equity Swaps und Kapitalerhöhungen für 1 ct/Aktie an, die dann der Staat zeichnet. Das sollte zumindest ordentlich Druck aus dem Kessel nehmen; auch ohne Inflation, weil das Geld nicht draußen ankommt.
Fazit: Die (Fiat-Geld-)Systeme mögen fragil sein, missbrauchsanfällig auch, sie mögen ungerecht und übelst umverteilend sein (Cantillion), sie mögen katastrophale Fehlanreize setzen; stimmt alles – aber sie sind stabiler, als man denkt. Wenn die Notenbanken, v.a. die US-Fed, mit der schnellen Zinspolitik durchkommen und gleichzeitig große Katastrophen wie eben skizziert zu verhindern wissen, dann bedeutet das eine erhebliche Stabilitätszunahme. Ein stabiler Leitzins von 5% über einen längeren Zeitraum und eine gleichzeitig schrumpfende Geldmenge sind nicht die Krankheitszeichen am Vorabend der Zusammenbrüche von Geldsystemen.
Kardinalfrage für die Zukunft ist eher also nicht, wie also die Finanzwirtschaft mit den schnellen Zinserhöhungen und den Abschreibungen klarkommt (da sie wie beschrieben im Zweifel über pragmatische Zentralbankmaßnahmen stabilisiert werden kann), sondern der Hund liegt eher in der Realwirtschaft begraben. Gibt es wirklich diese unendliche Zahl an Zombies draußen, gezüchtet durch das billige Geld (wie es auch Kassandra jahrelang besungen hat, Stichworte „Drogenabhängigkeit“ und „Fallhöhe“)? Werden diese Zombies nun in Zeiten teuerer Refinanzierung gepaart mit stagnierenden oder schrumpfenden Wirtschaften in großer Anzahl insolvent gehen? Dann reden wir bei den Banken nicht mehr von Fristentransformation, sondern von echten Ausfällen. Und dann wird die Sache sichtlich komplizierter.
Wie dem auch sei. Vorsicht mit Prognosen in komplexen Zeiten. Vielleicht schienen gute Zeiten nie so gut. Man wird sehen.
Das zur heutigen Headline anregende Kulturstück findet sich hier. Oder in anderer Variante hier (wurde hier zwar schonmal benutzt, kann man aber gar nicht genug benutzen).
BILD (21. September): „Kimmich wird schon wieder Papa – 4. Kind in fünf Jahren.“
Was ist der Unterschied zwischen dem jungen Kimmich und der alten Kassandra?
Kimmich ist nicht schuld am demographischen Zusammenbruch.
OFF TOPIC – TO WHOM IT MAY CONCERN
Neulich in Berlin: Wer sagt denn, dass eine vergreisende Gesellschaft vor eben diesem ihrem demographischen Zusammenbruch …
… nicht auch kulturell degenerieren darf?