Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Kassandra – Die kommentierte Presseschau zur bAV:

Aus heiterem Himmel und ins Schwarze

Unregelmäßig freitags bringt LEITERbAV eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: Vom Futtern an Trögen, von deutscher Düsternis hoch in den hellen Norden, von Treibern und Hemmern. Und wie jetzt ein Fehler?

Heute wieder eine kommentierte Presseschau auf LEITERbAV – mit teils neuen Beiträgen, aber auch teils mit Bezug zu älteren, die bereits auf LEITERbAV Dynamics gepostet worden sind, wo Kassandra in diesen Monaten bevorzugt ihr Unwesen treibt.

Institutional Money (28. August): „Haushaltslöcher stopfen: Regierung will Pensionsfonds anzapfen.“

Interessanter Beitrag aus der Insti Money über den Umgang des Landes NRW mit dem – ohnehin mickrigen – Volumen an Planvermögen für die Beamtenpensionen, das man überhaupt hat. Dazu mehrere Punkte:

Erstens: Wie gesagt, die Planvermögen welche die deutsche öffentliche Hand zur Deckung der Pensionslasten ihrer ständig größer werdenden Beamtenapparate zurücklegt, sind sowieso lächerlich gering. Wenn an dieser Stelle regelmäßig betont wird, dass die deutsche Renten- und die Krankenversicherung zusammen circa 130 Mrd. Euro Steuerzuschuss pro Jahr brauchen, nur um in ihren beitragsstärksten Zeiten und am Vorabend des unausweichlichen demographischen Zusammenbruchs dieses Landes nicht direkt zusammenzuklappen, so muss hier erneut darauf verwiesen werden, dass besagte 130 Mrd. Peanuts sind im Vergleich zu dem, was Deutschland an offenen Verbindlichkeiten für seine Beamten vor sich her schiebt:

Bereits 2013 wurde erstmals an dieser Stelle darauf verwiesen, dass die deutsche implizite Staatsschuld viele Bio. Euro beträgt; ein Aspekt, der schon Anfang des Jahrtausends längst bekannt war, damals von dem seinerzeitigen Bundespräsidenten Horst Köhler auf circa 7. Bio. Euro taxiert wurde und bis heute wohl, wie es hier stets heißt, „um das ein oder andere Billiönchen“ zugelegt haben dürfte.

Zweitens: Wenn ein Land wie NRW über eine kleine Gesetzgebung also in seinen eigenen Pensionsfonds greifen kann, wieso sollte man dann nicht davon ausgehen, dass Gleiches der Bund bei der neuen, im Vergleich zu den ursprünglichen Ambitionen ohnehin nur kümmerlich ausgefallenen Aktienrente beizeiten anders vorgehen sollte? Das gilt insb., wenn schon heute absehbar ist, dass in diesem Lande der Druck auf die Politik auf praktisch allen Feldern exponentiell zunehmen wird. Rechtfertigungen lassen sich in einem Staat, der nicht zuletzt nach moralischen Imperativen gesteuert wird, leicht finden. Fazit: Auch für Gelder in Staatshand, und seien sie rechtlich noch so umfassend geschützt, gilt die alte Weisheit: Wer am Trog, sitzt, futtert auch.

DIA (im August 23): „SV-Beiträge ohne Grenzen – CDU-Politiker preschen vor.“

Wo wir schon beim Thema „eskalierendes Sozialdesaster“ sind: Zwei (weniger bekannte) CDU-Bundestagsabgeordnete wollen die finanzielle Basis der deutschen Sozialversicherungen radikal umbauen, berichtet das DIA. So sollen die SV-Beiträge künftig auf sämtliche Einkünfte erhoben werden. Das ist wirklich bemerkenswert.

Kassandra hatte in den vergangenen Jahren mehrfach, immer vor BT-Wahlen (zuerst 2013 hier, zuletzt 2021 hier) prophezeit, welche Maßnahmen eine mögliche rotrotgrüne Regierung (die Stand heute allerdings derzeit alles andere als auf der parlamentarischen Tagesordnung steht) wohl ergreifen würde. Eine dieser Maßnahmen war: In der GKV Wegfall der Beitragsbemessungsgrenzen und Bemessung über alle sieben Einkunftsarten (samt Vergesellschaftung der PKV natürlich).

Nun, soweit ist es bis heute nie gekommen. Aber dass es nun ausgerechnet Unionspolitiker sind, die dies ins Spiel bringen, und zwar ausdehnend auf gleich alle Sozialsysteme, das spricht Bände – über die Union von heute, über Deutschland 2023, über den Druck im Kessel, der offenbar ständig steigt (Stichwort ca. 130 Mrd. Euro p.a. Steuerzuschuss für GRV/GKV schon heute, s.o.).

Und wie immer gilt: nicht vergessen das uralte kassandrische Axiom am Vorabend des demographischen Zusammenbruchs: Das hier sind die guten Jahre. Die schlechten kommen erst noch.

Tagesschau (16. August): „Wieder Milliardengewinn – Norwegischer Staatsfonds profitiert vom KI-Boom.“

So, raus aus der deutschen Düsternis, und hoch in den hellen Norden: Und das hier war nun wirklich mit Ansage. Erst im Februar hieß es an dieser Stelle, als in deutschen Medien mal wieder Meldungen über norwegische Verluste die Runde machten:

Der Fonds kauft weiterhin mit großen Summen weltweit ein. Wenn er nun 2022 also satte Verluste von rund 15% gemacht hat, dann sind die relativ günstigen Einstiegskurse von heute die Gewinne von morgen, vielleicht übermorgen oder wann auch immer.“

Ob Deutschland – als Staat, als Verwaltung, als Gesellschaft, als Öffentlichkeit – diese Vola, welche die Norweger lässig hinnehmen, jemals aushalten wird (oder besser: würde), ist wohl mehr als unklar (ganz abgesehen von der Frage, ob dies Land jemals relevante Vermögen aufbauen wird, s.o. NRW).

Die Welt: „Keine Kredite, keine Projekte, keine neuen Wohnungen“ – die schwere Last der Klimaauflagen.“

Das Thema ist hier in der Presseschau Dauergast: die Ambivalenz der Asset-Klasse Real Estate.

Treiber wie Hemmer der Asset-Klasse stehen sich hier gegenüber – unklar, welche die Überhand behalten. Auf der hemmenden Seite natürlich zuvorderst der Zins, dann die schwache und trübe wirtschaftliche Lage und außerdem wie hier in dem Welt-Beitrag aus erster Hand geschildert die ständig erratischer und aggressiver werdende Regulierung.

Doch auch die beiden Treiber können sich sehen lassen: zum ersten der zunehmend ausbleibende Neubau und zum zweiten die sich in Deutschland weiter extrem dynamisch entwickelnde Migration, bei der abseits des üblichen Wahlkampfgetöses und der Wir-wollen-mehr-Geld-rufe einiger Landräte sich natürlich gar nichts ändern wird, auch nicht ansatzweise. Im Gegenteil ist hier nichtmal mit Stagnation, sondern mit weiterer Dynamik zu rechnen.

Es bleibt spannend zu sehen, wie diese Gemengelage sich auf Immobilien am Ende auswirkt. Tendenziell sollte man davon ausgehen, dass die enorme Knappheit, die hier jeden Tag dringender wird, zumindest Wohnimmobilien für die Eigentümer noch zu wahren Goldgruben machen wird (und ob die Umwidmung von Gewerbe oder gar Pflegeheimen noch ein echter Trend wird). Doch unklar, wie die Politik hier reagieren wird, wenn sie hier zunehmend stärker Druck gerät. An dieser Stelle wurde schon mehrfach ausgeführt, schon vor längerer Zeit (Stichwort 90 Millionen oder gar 100 Millionen Einwohner), dass die Wohnungsfrage für die Politik in Bund und Ländern jeden Tag ein bisschen mehr zum Über-Thema wird.

Aber die Politik tritt ja auch wiederum nicht nur als Regulierer auf, sondern auch als Nachfrager (bei Wohnungen wie bei Infrastruktur). Die Menschen müssen alle irgendwo untergebracht werden, namentlich die, die nicht für sich selber sorgen, und der Staat zahlt gut, wenn er unter Handlungsdruck steht.

Wahrscheinliche Perspektive: Immobilen werden für Eigentümer einerseits immer mehr Ärger machen (Regulierung), andererseits aber auch immer höhere Renditen bringen (Nachfrage). Zeit für Profis also.

Frankfurter Rundschau (23. August): „‘Rente mit 63 war ein Fehler’: Experte attackiert Ampel-Pläne.“

Wie jetzt ein Fehler? Echt jetzt? Nicht, dass jemand demnächst noch das Bürgergeld als Fehler bezeichnet.

ZDF (29. August): „Heil: Bürgergeld steigt deutlich.“

Apropos Bürgergeld, das kommt ja wie gerufen. Deutschland im Kampf gegen den Fachkräftemangel:

Aber Entwarnung: Das kostet nichts; das zahlt der Staat!

Der Spiegel (31. August): „Konflikt in der Sahelzone – Putschisten in Niger entziehen französischem Botschafter Immunität.“

Und nochmal Thema Real Estate in Wechselwirkung mit dem Power-Thema Migration, und nur so als kleine kassandrische Perspektive: Sollte es Frankreich – und sage keiner, es habe dort nicht die Finger im Spiel wie es seit über 150 Jahren dort die Finger im Spiel hat – in seiner schon legendären geopolitischen „Weisheit“ (man erinnere sich an Libyen) „gelingen“, einen größeren Mehrstaatenkrieg in Schwarzafrika zu entfesseln (oder zumindest ihn nicht zu verhindern wissen), wird einer der Nebeneffekte sein, dass sich für Deutschland, Frankreich und ganz West-Europa auf ihren Immobilienmärkten völlig neue Perspektiven ergeben.

Im Ernst: Sollte dort ein großer afrikanischer Krieg ausbrechen, muss man für Europa mit vielen, mit wirklich zig Millionen neuen Flüchtlingen aus dieser Großregion rechnen – ein Szenario, das besagte deutsche Provinz-Landräte mit Herausforderungen konfrontieren dürfte, gegen die ihre gegenwärtigen ein Kindergeburtstag sind.

FAZ (14. August): „Lanxess schließt möglicherweise zwei Betriebe: De-Industrialisierung beginnt.“

Zum Ende der Presseschau von Afrika doch nochmal zurück ins düstere Deutschland, zum kassandrischen Lieblingsthema „Cleverness deutschen Industriepolitik“, die jeden Tag mehr Früchte trägt – bis zu reichen Ernte. Mehr an dieser Stelle nicht dazu, es passt nur so gut zur zweiten Zeile des folgenden Off Topic und dient damit der heutigen Headline:

OFF TOPIC – TO WHOM IT MAY CONCERN

Die Welt (11. August): Johnny Rotten: ‚Die Welt ist viel zu weit nach links gerückt‘.“

Aus heiterem Himmel – und ins Schwarze.
Und wenn du einmal weg bist, kannst du nie wieder zurückkommen.
Der König ist gegangen, aber er ist nicht vergessen.
Dies ist die Geschichte eines Johnny Rotten.
Es ist besser auszubrennen als zu rosten.
Der König ist weg, aber er ist nicht vergessen.
Und Rock’n’Roll wird niemals sterben.

Das zur heutigen Headline anregende Kulturstück findet sich hier.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

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