Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Kassandra:

Die kommentierte Presseschau zur bAV

Jeden Freitag bringt LEITERbAV eine kommentierte Presseschau zur bAV.

Heute: Off topic only.

OFF TOPIC – TO WHOM IT MAY CONCERN

Die Welt (13. Januar): „Durch Niedrigzinsen spart Deutschland 240 Milliarden.“

Nun, dass die vielbesungene Schwarze Null des Wolfgang Schäuble eine Chimäre ist, die in erster Linie beim Wahlvolk gut ankommen soll, muss den Lesern von LEITERbAV wohl nicht erklärt werden. Ohne EZB-Niedrigzins, gepaart mit QE, stünden Deutschland und Europa fiskalpolitisch deutlich schlechter da (These: ordnungs- und damit auch wirtschaftspolitisch aber vermutlich besser).

Wie dem auch sei, die in dem Artikel vermeldete Logik von Bundesbank und Schäuble erschließt sich Kassandra aber nur teilweise. So heißt es dort:

Die Rechnung der Bundesbank offenbart auch, welche Risiken auf Bund und Länder zukommen, sollten die Zinsen nachhaltig steigen. Zwar hat sich der Staat zum guten Teil langfristig verschuldet, und nicht jeder Anstieg schlägt sich sofort eins zu eins im Haushalt nieder.“

Doch es reichen schon wenige Milliarden, um aus dem Überschuss wieder ein Minus zu machen. Das weiß wohl auch Finanzminister Wolfgang Schäuble. ‚Ich werde dem Deutschen Bundestag vorschlagen, den Überschuss zur Schuldentilgung einzusetzen‘, sagte er.“

Tilgung? Nun, wenn man davon ausgeht, dass die Zinsen, die jetzt niedrig sind, irgendwann auch wieder nachhaltig steigen, und wenn man weiß, dass dieses Land dann immer auch massiv vom Kapitalmarkt abhängig sein wird (wenn es also kein QE mehr gibt), wäre es dann nicht klüger, statt Schulden zu tilgen jetzt vielmehr Schulden zu machen?

Andere Euro-Staaten emittieren (vermutlich eben aus dieser Motivation heraus) fleißig Langläufer. Wenn Deutschland jetzt also 100-jährige am Rande der Nullverzinsung emittieren würde, dann könnte es mit diesem Geld ohnehin längst überfällige Aufgaben erfüllen, die irgendwann sowieso finanziert werden müssen – die Vernachlässigung von Infrastruktur, Polizeien, Bundeswehr etc. könnte durchaus ein paar Hundert Milliarden kosten, die Sanierung der Altersvorsorgesysteme einschließlich Förderung der bAV übrigens auch. Dann ist es doch besser, diese Aufgaben dann zu finanzieren, wenn die Zinsen niedrig sind – besonders, wenn man ohnehin mit beizeiten wieder steigenden Zinsen rechnet. Im Übrigen gilt, dass ein Land, das 100jährige zum Nullzins emittiert, sich damit praktisch sein Geld von heute selbst druckt. Denn eine Zinslast entfällt, und die Fälligkeit werden vermutlich selbst die Kinder der Verantwortlichen kaum erleben, die zugrundeliegenden Staaten und Währungen möglicherweise auch nicht.

Diese Sicht auf die Dinge, die so ganz anders ist als die des Wolfgang Schäuble, verstärkt sich noch, wenn man die Existenz des QE in die Betrachtung einbezieht: Jedem klar Denkenden ist bewusst, dass die von der EZB via QE aufgehäuften Staatsschulden von den Emittenten nie, nie, niemals mehr zurückgezahlt werden, denn dies ist schlicht unmöglich. Die EZB wird sie eines Tages entweder sang- und klanglos abschreiben oder aber – etwas eleganter, aber faktisch das gleiche – von den Staaten mit 100- oder 200-jährigen zum Nullzins refinanzieren lassen. Auch hier gilt also: Die Schulden von heute kosten nichts, und wenn sie nur langfristig genug aufgenommen sind, kosten sie auch morgen nichts. Umgekehrt gilt: Die billigen Schulden, die Schäuble heute tilgt, müssen seine Nachfolger morgen – möglicherweise – teuer neu aufnehmen.

Fazit: Es gilt also auch hier der alte Satz „As long the Music is playing, you have to dance.“ Wenn Schäuble nun Schulden tilgen will, ist das zwar ordnungspolitisch auf den ersten Blick anständig, aber in einer Euro-Welt, die sich mit QE et.al längst von jeder echten Ordnungspolitik verabschiedet hat, taktisch und strategisch unklug (dass Schäuble bei der Unterminierung der ordnungspolitischen Standards in Euro-Land eine maßgebliche Rolle gespielt hat, darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben). Im Umfeld umfassender ordnungspolitischer Abstinenz ein kleines ordnungspolitisches Fähnchen hochzuhalten, mag wie erwähnt vielleicht beim Wahlvolk gut ankommen. Wirtschaftspolitisch zielführend ist es jedoch nicht, und wirtschaftspolitisch raffiniert schon gar nicht.

 

Bild.de (25. Januar): „Finanzmärkte trotzen Trump – Dow Jones knackt erstmals 20.000er Marke.“

Spiegel.de (26. Januar): „Trotz Brexit – Britische Wirtschaft wächst kräftig.“

Als Teilnehmer auf dem institutionellen Parkett muss man sich zuweilen wundern, welchen neuen, trotzigen Regeln reife ökonomische Systeme heutzutage zu folgen scheinen – zumindest wenn es nach den Headlines in deutschen Massenmedien geht. Dow Jones und britische Wirtschaft legen also trotz Trump und trotz Brexit zu – auch eine interessante Sichtweise auf die Mechanismen von Märkten und Volkswirtschaften.

 

HB (24. Januar): „Angriff auf Trinkwasserversorgung ist ‚realistische Option‘.“

Es ist richtig, dass die Verantwortlichen diese Problematik thematisieren (ob es nun unbedingt öffentlich sein muss, ist eine andere Frage). Richtig ist auch, dass sie die Problematik nicht auf der Makroebene (bspw. Wasserwerke), sondern auf der Mikroebene sehen (Mehrfamilienhäuser). So heißt es in dem Beitrag:

Islamistisch motivierte Täter seien willens und in der Lage, ‚größere Mengen Chemikalien zu beschaffen und diese auch einzusetzen‘, wird eine BKA-Einschätzung zitiert. Als ‚realistische Option‘ werde etwa ein solcher Anschlag auf die Trinkwasserversorgung zum Beispiel von Mehrfamilienhäusern oder auf Lebensmittel angesehen.“

Denn exakt ein solches Vorgehen entspricht der Strategie des dezentralen Graswurzelterrorismus (hier schon oft thematisiert). Und dieser Graswurzelterrorismus schafft seine ganz eigenen Probleme: Denn erstens ist ihm die Gefahr seiner militärischen Professionalisierung über die Zeit inhärent, und zweitens ist er schwer auszutreten: Wasserwerke kann man schützen, Mehrfamilienhäuser nicht.

 

Kassandra bei der Arbeit.
Kassandra bei der Arbeit.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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