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Vergangenen Herbst in Erfurt (II):

CTA auf dem Prüfstand

Das höchste deutsche Arbeitsgericht hatte im September zu verhandeln, wie weit Insolvenzfestigkeit und Sicherungsumfang von Treuhandeinrichtungen reichen, konkret betreffend die 16er-Anpassung. Jedoch holte der Dritte Senat weiter aus. Sind CTAs auch im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn betriebliche Sozialeinrichtungen? Michael Karst interpretiert das Urteil.

 

 

In einer richtungsweisenden Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) einige wesentliche rechtliche Aspekte für die Sicherung von bAV durch Contractual Trust Arrangements (CTA) herausgearbeitet (Urteil vom 22. September 2020 – 3 AZR 303/18).

 

Neben der Bestätigung der Insolvenzfestigkeit sog. doppelseitiger Treuhandstrukturen stand im Vordergrund die Frage, ob der sog. Anpassungsbedarf im Sinne von § 16 Abs. 1 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) durch ein CTA abgesichert werden kann. Zudem hat sich das BAG implizit der Frage angenommen, ob ein CTA eine „betriebliche Sozialeinrichtung“ ist.

 

Vorrangig: Sicherung des Rentenanpassungsbedarfs

 

Im vom BAG entschiedenen Fall hatte ein Arbeitgeber für die unter seiner bAV-Zusage begünstigten aktiven und ehemaligen Arbeitnehmer ein CTA eingerichtet.

 

Dieses CTA verfügte über ein sog. Teil-Funding, d.h. die gesamte Versorgungsverpflichtung des Arbeitgebers war nur zu einem Teil mit CTA-Treuhandvermögen und damit Planvermögens im Sinne der IFRS dotiert.

 

Der CTA sah eine Sicherungsrangfolge für den Sicherungsfall dergestalt vor, dass

 

  • vorrangig die nicht durch den gesetzlichen Insolvenzschutz seitens des PSV geschützten Teile der Versorgungsansprüche und -anwartschaften und
  • nachrangig der PSV-gesicherte Teil dieser Ansprüche und Anwartschaften gesichert werden sollten.

 

Laut der Konzernbetriebsvereinbarung, die der sog. ergänzenden Sicherung durch den CTA zugrunde lag, sollte insbesondere der Rentenanpassungsbedarf (§ 16 BetrAVG) vorrangig abgesichert werden, da er nicht durch den PSV abgesichert wird. Die zur Umsetzung der Konzernbetriebsvereinbarung abgeschlossene Treuhandvereinbarung regelte, wie die Sicherungskapitalien im Sicherungsfall zu berechnen seien.

 

 

Das BAG hat drei wesentliche Bereiche, die für CTAs rechtlich bedeutsam sind, in seiner Entscheidung behandelt.“

 

 

Der Tatsache, dass die Konzernbetriebsvereinbarung nach einer Unternehmenstransaktion durch eine nahezu gleichlautende Gesamtbetriebsvereinbarung ersetzt worden war, maß das BAG im Ergebnis keine ausschlaggebende Bedeutung bei.

 

Nachdem über das Vermögens des Arbeitgebers ein Insolvenzverfahren eröffnet worden war und damit der Sicherungsfall eingetreten ist, entstand zwischen dem PSV und dem CTA Streit über die Frage, ob die Sicherungsansprüche der Versorgungsberechtigten mit der Vorrangabsicherung dieses Rentenanpassungsbedarfs berechnet werden durften oder nicht. Der PSV nahm den CTA auf Unterlassen der Durchführung dieser vorrangigen Sicherung in Anspruch. In drei Instanzen gaben die Arbeitsgerichte, zuletzt das BAG, dem CTA recht.

 

Das BAG hat drei wesentliche Bereiche, die für CTAs rechtlich bedeutsam sind, in seiner Entscheidung behandelt.

 

Insolvenzfestigkeit der doppelseitigen Treuhand bestätigt

 

Das BAG bestätigt zunächst, dass ein CTA, der einen Vertrag zu Gunsten Dritter im Sinne von § 328 Abs. 1 BGB darstellt, eine insolvenzfeste Auslagerung von Treuhandvermögen zugunsten der gesicherten Versorgungsberechtigten ermöglicht. Damit bestätigt das BAG eine Entscheidung aus 2013, in der dies bereits für einen CTA zur Sicherung von Altersteilzeitwertguthaben entschieden worden war.

 

Absicherung des Rentenanpassungsbedarfs (§ 16 Abs. 1 BetrAVG)

 

Das BAG hält es für rechtlich möglich und im entschiedenen Fall für so festgelegt, dass mit dem Treuhandvermögen vorrangig der sog. Rentenanpassungsbedarf im Sinne von § 16 Abs. 1 BetrAVG abgesichert werden kann. Damit kann man mit einer CTA-Struktur die sog. Prüfungsanpassung, die vom PSV nicht gesichert wird, zumindest wertmäßig mit einer Art pauschaliertem Abgeltungsbetrag zugunsten der Versorgungsberechtigten absichern.

 

Qualifikation von CTAs im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne

 

In der rechtlichen Diskussion rund um CTA-Strukturen neu ist indes der Punkt, den das BAG bei der Prüfung der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte aufmacht. Hier begründet das BAG die Zuständigkeit mit der Bestimmung des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG), in der die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für Streitigkeiten im Zusammenhang mit betrieblichen Einrichtungen geregelt ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 b) ArbGG).

 

 

Ob das BAG mit dieser Zuständigkeitsbegründung tatsächlich die Frage beantworten wollte, dass CTAs auch im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne betriebliche Sozialeinrichtungen sind, muss als offen betrachtet werden, weil es insoweit zwischen dem ArbGG und dem BetrVG gewisse Unterschiede gibt.“

 

 

Dies ist deshalb bemerkenswert, weil nach ganz überwiegender Meinung CTAs keine betrieblichen Sozialeinrichtungen im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrAVG sind, die der Mitbestimmung unterlägen. Der Zusammenhang zwischen diesen beiden Rechtsnormen wird deutlich, wenn man berücksichtigt, dass der Begriff der betrieblichen Einrichtung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 b) ArbGG und der betrieblichen Sozialeinrichtung nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG zumindest häufig als identisch beurteilt wird.

 

Ob das BAG mit dieser Zuständigkeitsbegründung tatsächlich die Frage beantworten wollte, dass CTAs auch im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne betriebliche Sozialeinrichtungen sind, muss als offen betrachtet werden, weil es insoweit zwischen dem ArbGG und dem BetrVG gewisse Unterschiede gibt.

 

Allerdings enthält an dieser Stelle das BAG-Urteil ggf. einen entscheidenden Hinweis, wenn es ausführt, dass die Leistung eines CTA – Absicherung von Rechten aus der bAV – als soziale Leistung zu werten sei.

 

CTA-Strukturen prüfen

 

Die Entscheidung ist für die begünstigten Versorgungsberechtigten erfreulich und macht zugleich deutlich, dass ein CTA unter deutschem Recht einen maßgeblichen Beitrag zur Insolvenzsicherung von bAV leisten kann.

 

  • Zunächst hat das BAG die Insolvenzfestigkeit von CTAs auf Basis von doppelseitigen Treuhandstrukturen erneut – und dieses Mal für CTAs zur Sicherung von bAV – bestätigt.

 

  • Materiell bedeutsam hat das BAG zudem die sog. Excedentensicherung, d.h. der Sicherung der Teilansprüche auf bAV-Leistungen, die über den gesetzlichen Insolvenzschutz hinausgehen, mit diesem Urteil deutlich ausgeweitet und hält auch eine Absicherung des sog. Rentenanpassungsbedarfs im Sinne von § 16 BetrAVG für möglich, jedenfalls soweit dies im Treuhandvertrag i.V.m. der zugrundeliegenden Betriebsvereinbarung vereinbart ist.

 

  • Schließlich hat das BAG die Diskussion, ob CTAs der betrieblichen Mitbestimmung unterliegen, auf die Agenda gebracht. Nach bislang ganz herrschender Meinung sind CTAs keine betrieblichen Sozialeinrichtungen im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG, weil sie bei bAV letztlich nur als ergänzendes Sicherungsmittel und Finanzierungsmaßnahme des Arbeitgebers zur bilanziellen Verbesserung der Rechnungslegung von bAV qualifiziert werden. Durch die Begründung des BAG mit Blick auf die Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte ist diese Position allerdings erneut zu überprüfen, weil das BAG § 2 Abs. 1 Nr. 4 b) ArbGG herangezogen hat, der für betriebliche Sozialeinrichtungen gilt. Dieser Begriff im ArbGG wird jedoch so verstanden, dass er grundsätzlich dem Begriff des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG entspricht.

 

Die beiden letztgenannten Aspekte bieten jedenfalls Anlass, CTA-Strukturen auf vertragliche Anpassungsnotwendigkeiten zu überprüfen und soweit erforderlich die bestehenden Treuhandverträge, ggf. auch zugrundeliegende Betriebsvereinbarungen an diese Neuerungen anzupassen. Damit kann das Instrument CTA zu größtmöglicher Wirkung zugunsten der Versorgungsberechtigten gebracht werden.

 

Der Autor ist Leiter Legal / Tax / Accounting Retirement bei Willis Towers Watson.

 

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LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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