Unregelmäßig freitags bringt PENSIONS●INDUSTRIES eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: Die Lage spitzt sich in der bAV enorm zu, und die zuständigen Ministerien müssen dringend Gegenmaßnahmen ergreifen. Außerdem Macron, sein Plan und welcher Rechtsruck überhaupt?
Das Investment (9. Juli): „bAV: Jedes 2. Unternehmen mit Deckungslücken in Pensionszusagen.“
Wie bitte? Deckungslücken entdeckt? In der deutschen bAV gibt es Direktzusagen, die ganz oder teilweise rückstellungsfinanziert sind? Das ist ja nicht zu fassen!! Wussten Sie das, liebe Leserschaft? Rückstellungsfinanzierte Direktzusagen? In diesem unseren Lande? Unglaublich! Und die Presse hat auch schon Wind davon bekommen. Jetzt kommt sicher Druck in die Sache.
Kaulisch, Görgen, Toncar, Sie müssen sofort handeln! Im Artikel werden die sog. „Forscher“ doch ausdrücklich zitiert: „Damit können sie die Zukunft des Unternehmens gefährden“. Wir brauchen dringend ein Sondervermögen bAV!
Schluss mit lustig, jetzt im ernst: Was manche Leute über die bAV in die Welt setzen, und dass manche Journalisten so etwas tatsächlich übernehmen – das ist wirklich bemerkenswert. Man kann sich lebhaft vorstellen, wie viele Mitarbeiter jetzt zu ihren Chefs laufen und fragen, ob er denn Geld genug genug habe, ihre Betriebsrenten zu zahlen, sie hätten da was in der Zeitung gelesen …
Die komplexe, aber althergebrachte, allseits bekannte und politisch ausdrücklich so gestaltete Gemengelage rund um die Möglichkeit, Direktzusagen rückstellungsfinanziert zu gestalten, ist auf diese Plattform schon vielfach – zuletzt kurz bei der Vorlage besagter ALH-Studie – diskutiert worden. Hier noch mal die Mahnung an alle, die auf unserem Parkett teilnehmen wollen: Bitte nicht für ein paar billige Schlagzeilen und ein bisschen Profilierung Unruhe in die Welt setzen mit Dingen, die zum etablierten Standard der deutschen bAV gehören – und sie damit diskreditieren.
OFF TOPIC – TO WHOM IT MAY CONCERN
Die Welt (10. Juli): „‘Niemand hat sie gewonnen’, sagt Macron zur Parlamentswahl.“
Bild (8. Juli): „Macrons Frankreich-Wette ist aufgegangen, aber …“
Manche Kommentatoren schreiben, dass Macrons Plan aufgegangen sei. Das kann man anders sehen.
Sollte das der Plan gewesen gewesen sein, ist er offenbar nicht aufgegangen.
Aber hatte er überhaupt einen Plan? Man kann dran zweifeln. Es sei daran erinnert, dass es eigentlich keinen zwingenden Grund für ihn gab, die Kammer aufzulösen (die ganz Alten werden sich erinnern: Jacques Chirac hat den gleichen Fehler mal in den 90ern gemacht). Und was hat Macron denn jetzt erreicht? Er ist für die letzten Jahre seiner Amtszeit bis zur Präsidentschaftswahl eine Lame Duck, die in der Cohabitation gefangen ist, und außerdem ist er als Bürgerlicher noch mit einer fast schon als linksextrem zu bezeichnenden Regierung konfrontiert (es sei denn er setzt sich als Präsident über das Wählervotum hinweg, was theoretisch sogar möglich wäre). Wie dem auch sei, all das schränkt seine Position als Staatspräsident (in der Verfassung der V. Republik eigentlich der unangefochtene Herrscher) erheblich ein.
Und: Nach der Stimmenzahl war der RN Le Pens die stärkste Kraft, bleibt aber nun außerhalb der Regierung – durch das in Frankreich übliche, enorm effektive Zusammenwirken von Mehrheitswahlrecht und Wahlabsprachen. Wenn nun die Bürger bis zur entscheidenden Präsidentschaftswahl aber nicht einmal eine bürgerliche, sondern gar eine äußerst linke Regierung vergegenwärtigen müssen, dürfte das der politischen Rechten bis zur Präsidentschaftswahl eher nutzen als schaden.
Allerdings hat sich auch ein anderer kraftvoller Effekt gezeigt, der hier mit Blick auf Frankreich, aber auch auf Deutschland erwähnt wird: Wählen gegen rechts!
Konkret heißt das: Erstens gilt für Frankreich genauso wie für Deutschland, dass die politische Linke über ein hohes Nichtwähler-Potenzial verfügt, das sich durch erstarkende Rechtsparteien mehr oder weniger automatisch mobilisiert. Das hat man jetzt auch in Frankreich – erneut – gesehen.
Ausserdem kommt es besonders in Frankreich zu dem Effekt der erwähnten Wahlabsprachen. Das steht zwar jetzt in allen Zeitungen, ist aber eigentlich nichts Neues – sondern in Frankreich seit Jahrzehnten gang und gäbe. Nochmal für die Alten: 2002 stand der Rechtsbürgerliche Jacques Chirac in der Stichwahl gegen den Rechtsextremen Jean-Marie Le Pen, und die Linkswähler mussten zähneknirschend für den strukturkonservativen Chirac stimmen, wollten sie die FN-Republik verhindern. Die Gaullisten siegten damals mit 82%. Dieses strategische Problem wird sich für Rechtsaußen immer und immer wieder stellen. Das gilt auch für Deutschland (man wird das im September im Osten beobachten können, wenn die Union Wähler von SPD und Grünen gewinnen wird), nur ist der Effekt wegen des Verhältniswahlrechtes viel geringer.
Zum Schluss und übrigens: Alle reden vom Rechtsruck in Europa, zittern gar vor ihm. Wo ist er? Denken wir an die Stärke der EVP im EP und v.a. an die jüngsten Wahlen in den großen Staaten: In Frankreich, Großbritannien und zuvor in Polen und Spanien – damit in vier großen europäischen Brocken – gibt es ihn jedenfalls nicht, den viel beklagten Rechtsruck, ganz im Gegenteil.