In den Referentenentwurf zum reformierten BRSG hat sich für Pensionskassen ein überraschender Passus eingeschlichen: Sie könnten künftig womöglich trotz Subsidiärhaftung des Arbeitgebers leichter abgewickelt werden. P●I-Autor Detlef Pohl will es genauer wissen.
Wie bereits auf PENSIONS●INDUSTRIES berichtet, soll im BRSG II gemäß dem neuen § 3 Abs. 7 BetrAVG im Falle der Auflösung einer Pensionskasse nach Beschluss durch das oberste Organ und Zustimmung der BaFin die Auszahlung des gebildeten Kapitals an die Versorgungsberechtigten als Abfindung der entsprechenden unverfallbaren Anwartschaften oder laufenden Leistungen möglich sein.
Konkret heißt es im RefE zum § 3 BetrAVG zum neu eingefügten Absatz:
„(7) Mit der Genehmigung des Beschlusses zur Auflösung einer Pensionskasse nach § 199 Absatz 2 Satz 1 des VAG und der Auszahlung des gebildeten Kapitals an den Versorgungsberechtigten gilt die entsprechende Anwartschaft oder laufende Leistung als abgefunden.“
Die Auflösung einer Pensionskasse, die Abfindung von Anwartschaften bzw. Rente (unabhängig von der Höhe), also vermutlich mit Untergang der Zusage des Arbeitgebers, war bisher undenkbar in der deutschen bAV. Einmal Zusage, immer Zusage – lautet eines ihrer Kernprinzipien.
„Ob so eine Regelung, so sie denn Gesetzeskraft enthält, in der Praxis Relevanz entfalten wird, ist ferne Zukunftsmusik“, befand denn PENSIONS●INDUSTRIES in einer ersten Reaktion. Die Sache sei vermutlich auf Initiative der BaFin in den Entwurf gekommen, konnte man auf dem Parkett vernehmen. Was sich die BaFin schon länger wünscht, ist bekannt: weniger Kassen, mehr Konsolidierung. Auf der aba-Jahrestagung hatte BaFin-Abteilungsleiter Andreas Seiltz betont:
„Rund 50% der Kassen sind ohne Neugeschäft, der Markt konsolidiert sich insgesamt, die Anzahl der Kassen unter Aufsicht ist auf 124 reduziert. Und: Die BaFin sieht es positiv, wenn sich Kassen rechtzeitig mit ihrer Zukunft beschäftigten, und sie ist bereit, Unternehmen bei Suche und Umsetzung geeigneter Lösungen, etwa Bestandsübertragungen, proaktiv zu unterstützen.“
Zwischen Bonn …
Was liegt da näher, sich auch – zumindest der Vollständigkeit halber – an die BaFin zu wenden, dachte sich die Redaktion – und erhielt prompt die Antwort, mit der sie gerechnet hatte:
„Die BaFin äußert sich grundsätzlich nicht zu Gesetzgebungsvorhaben. Die BaFin ist auch nicht für die Gesetzgebung zuständig“, teilte ihr Ruprecht Hammerschmidt, BaFin-Pressesprecher Abwicklung und Geldwäscheprävention, mit.
… und Berlin
Parallel zur Anstalt natürlich die Presse-Anfrage an das BMAS, und von dort teilte Peter Görgen mit:
„Hintergrund der Regelung ist folgender: In eng begrenzten Ausnahmefällen ist – als ultima ratio – die Auflösung einer Pensionskasse unbestritten sinnvoll“, so der Leiter des Referats Zusätzliche Altersvorsorge im BMAS zu PENSIONS●INDUSTRIES. Praktisch drohe eine solche Auflösung aber daran zu scheitern, dass die Arbeitgeber dem notwendigen Beschluss in der Vertreterversammlung nicht zustimmen, weil statt der Pensionskasse dann sie die bAV organisieren bzw. fortführen müssten. „Der neue Absatz 7 löst dieses Problem auf, indem die Berechtigten von der Pensionskasse ausgezahlt werden und der Betriebsrentenanspruch gegen den Arbeitgeber als abgefunden fingiert wird“, erklärt Görgen weiter. „So steht das auch in der Begründung der Neuregelung.“
In der Tat heißt es im RefE auf Seite 25 wörtlich:
„Der neue Absatz 7 fingiert die Abfindung von Betriebsrentenanwartschaften in laufenden und beendeten Arbeitsverhältnissen sowie von Betriebsrenten für den Fall, dass sich eine Pensionskasse in der Rechtsform eines VVaG, über die die bAV durchgeführt wird, mit Genehmigung der BaFin auflöst. Eine solche Auflösung lässt sich in eng begrenzten Ausnahmefällen nicht vermeiden, wenn etwa eine Fusion mit einer anderen Pensionskasse nicht in Betracht kommt und die Bilanzsumme der Pensionskasse eine wirtschaftlich sinnvolle Mindestsumme unterschreitet oder die Pensionskasse nur noch wenige Mitglieder hat. Die in diesen Fällen den Berechtigten ausgezahlte Deckungsrückstellung entspricht mindestens dem gebildeten Kapital.“
Auch im Entwurf findet sich das Wort „fingiert“:
„Für den Fall der Liquidation einer Pensionskasse und der Auszahlung des gebildeten Kapitals an die Versorgungsberechtigten wird eine entsprechende Abfindung durch den Arbeitgeber fingiert.“
Offenbar kam der Passus auf Initiative der BaFin in den Entwurf, deutet auch Görgen an. Inhaltlich könne der Passus aber niemanden überrascht haben, da in der Gesetzesbegründung dazu alles gesagt sei. Klar ist: „Wenn die Abfindung von Betriebsrenten fingiert wird, ist der Arbeitgeber aus seiner Subsidiärhaftung raus“, betont der BMAS-Beamte. Hintergrund: Es gibt wohl eine Handvoll Pensionskassen, die sich aus den in der Gesetzesbegründung genannten Gründen nicht fusionieren lassen. Künftig würden diese Kassen abgewickelt und das Kapital den Versorgungsberechtigten ausgezahlt. „Für die sozialversicherungsrechtlichen und steuerrechtlichen Folgen würden die normalen Grundsätze gelten“, so Görgen. „Sonderregelungen sind – auch wegen der nur geringen Fallzahlen – nicht geplant.“
Was sagt die aba?
So klar ist das alles für Klaus Stiefermann noch nicht. „Ein Referentenentwurf kommt i.d.R. nicht so aus dem Anhörungsverfahren raus, wie er reingegeben wurde“, sagt der Geschäftsführer der aba zu PENSIONS●INDUSTRIES, „und das dürfte auch für diese Vorschrift gelten“. Er vermutet, „dass der Wortlaut des Entwurfes, seine Begründung und die dadurch mögliche Auslegung nicht die ursprüngliche Intention der BaFin und ggf. des BMAS wiedergibt“. Das werde sicher alsbald korrigiert. Weiter ins Detail gehen will Stiefermann nicht. Die aba arbeite mit Hochdruck an ihrer Stellungnahme zum RefE, und diese werde man fristwahrend abliefern.
Möglicherweise meint Stiefermann mit Blick auf die „ursprüngliche Intention“, dass – wie es auch Görgen erklärt hat – eigentlich nur Ausnahmefälle und kleinste Kassen gemeint sind, aber durch die jetzige Formulierung über das eigentliche Ziel hinausgeschossen werde, weil auch Kassen betroffen sein könnten, bei denen es noch aktive Beschäftigte gibt, die man gar nicht abfinden kann und die ggf. in ihrem Future Service beschnitten werden könnten. Das wäre dann also ein leicht zu behebendes Redaktionsversehen des BMAS in dem Entwurf. Die arbeitsrechtliche Verpflichtung ist eben vermutlich doch nicht mit einem Handstreich zu liquidieren.
Die Verbände haben bekanntlich bis zum 25. Juli Zeit, zum RefE Stellung zu nehmen. „Im September soll der Entwurf im Bundeskabinett beschlossen werden und geht danach ins parlamentarische Gesetzgebungsverfahren“, erklärt Görgen. Zuletzt war für den Beschluss des RefE im Bundeskabinett stets die Rede von „Ende August“ gewesen, also offenbar erneut eine kleine Verschiebung des Gesetzesvorhabens. Wie auch immer: Die Änderungen des BRSG 2.0-E sollen am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten, mit Ausnahme der Regelung zur Geringverdienerförderung. Diese sollen ab 1. Januar 2025 gelten.