Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Erste DGFP Jahrestagung bAV (II):

Fortsetzung folgt …

Wenn sich Arbeits- und Steuerrechtler mit der deutschen bAV befassen, wird die Agenda lang. Welche Fragen sind offen im Sozialpartnermodell, welche Möglichkeiten ergeben sich im Umgang mit der Nachhaltigkeit, inwiefern können CTAs mitbestimmungspflichtig werden, und sind die Vorgaben zur Ausstattung von Rentnergesellschaften noch zeitgemäß? Heute Teil II einer zweiteiligen Berichterstattung von Jörn Manhart.

Wie berichtet, hatten Ende März in Frankfurt die DGFP und der Eberbacher Kreis einen Parforceritt durch die Rechtsfragen der deutschen bAV unternommen. Im ersten Teil der diesbezüglichen Berichterstattung ging es um Rechtsfragen rund um die Entgeltumwandlung, zeitlich befristete Zusagen, Anpassungen in der Inflation, das Nachweisgesetz und die verdeckte Gewinnausschüttung. Heute Teil II:

Mit Sozialpartnermodellen gegen den Flickenteppich

Marco Arteaga, Luther.

Mit Marco Arteaga von Luther und Christian v. Buddenbrock von Advant Beiten treten zwei Mitglieder des Eberbacher Kreises an das Rednerpult, deren praktische Erfahrung aus der Beteiligung an SPM-Modellen im Markt hinlänglich bekannt ist. Im Doppel stellen beide die Unique Selling Points der reinen Beitragszusage dar:

Die rBZ verspricht höhere Renditen und reduziert die Verpflichtung des Arbeitgebers auf die reine Beitragserbringung. Sie unterliegt einem Garantieverbot und erfordert – so der Gedanke des Gesetzgebers – zum Schutz der Versorgungsberechtigten die Mitwirkung der Sozialpartner. Die Verhandlungen sowie die Abstimmung mit der Aufsicht sind komplex, durch die umgesetzten Modelle scheint aber das schwerste Eis gebrochen, so die beiden Referenten.

Gleichwohl zeigen die Erfahrungen mit den ersten Sozialpartnermodellen, dass die eine oder andere Regelung im Betriebsrentengesetz adjustiert werden sollte. Arteaga berichtet, dass das BMAS ein Gesetzgebungsverfahren plant, im Zuge dessen bestehende Hindernisse und Unklarheiten beseitigt werden sollen. Das BMAS hat hierzu einen „Fachdialog“ initiiert, in dem die bereits bisher beteiligten Organisationen auf Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite eingebunden sind.

 

 

Die Tarifvertragsparteien halten es mehrheitlich nicht für erforderlich, die Beteiligung an Durchführung und Steuerung weiter zu präzisieren.“

 

 

Christian von Buddenbrock, Advant Beiten.

Dieser Kreis wird ergänzt durch Vertreter jener Verbände, in deren Bereich gegenwärtig Planungen für ein Sozialpartnermodell erfolgen. Hierbei dreht sich ein großer Teil der Diskussion um die Frage, wie nicht-tarifgebundene Arbeitgeber besser über ein Sozialpartnermodell für ihre Beschäftigten vorsorgen können. Weiter gefasst gilt dies für nicht-tarifgebundene wie auch tarifgebundene Arbeitgeber in Branchen, in denen es überhaupt kein Sozialpartnermodell gibt (also noch den meisten). Hier besteht der Wunsch, das sog. „Einschlägigkeitserfordernis“ in 24 BetrAVG zu lockern, damit ggf. auch ein branchenfremdes Sozialpartnermodell gewählt werden kann.

Außerdem wünschen sich die im Fachdialog vertretenen Tarifvertragsparteien eine Flexibilisierung der Auszahlungsmodalitäten, sodass auch anstelle von lebenslangen Renten teilweise oder sogar vollständig Kapitalzahlungen erfolgen können. Nicht für erforderlich halten es die Tarifvertragsparteien mehrheitlich, die im Gesetz geforderte Beteiligung der Tarifvertragsparteien an Durchführung und Steuerung des SPM weiter zu präzisieren. Hier habe die Praxis bereits gezeigt, dass die Tarifvertragsparteien dies selbst sehr gut regeln können.

V. Buddenbrock gibt ein Ausblick auf künftige Anwendungsfelder des SPM: Das Modell eignet sich bereits heute rechtlich, die Flickenteppiche der bestehenden Versorgungslandschaft in Unternehmen durch eine reine Beitragszusage abzulösen. Der Vortrag zeigt, dass dies rechtlich keine Zukunftsmusik ist. Gerade die gesetzgeberische Vorgabe, dass ein SPM auf einem Tarifvertrag beruhen muss, führt bereits heute zu dieser Ablösungsmöglichkeit. Denn die tarifliche schlägt die betriebliche Ebene und eröffnet Möglichkeiten, betriebliche Versorgungslandschaften durch das SPM vereinheitlichend und wertgleich abzulösen.

ESG: mehr Chance als Belastung – für 30 Mal soviele

René Döring, Linklaters.

Im Parallelworkshop greifen René Döring von Linklaters und Peter Wehner von Allen & Overy das Thema ESG auf: Nur Belastung oder auch Chancen für Arbeitgeber? Auch im Bereich der bAV? Ein klares „Ja“ zu der Chance aus Sicht von Döring und Wehner. Und dass bei zunehmender Relevanz. Allein durch die Corporate Social Responsibility Directive – CSRD sind statt bislang ca. 550 Unternehmen künftig mehr als 15.000 Unternehmen in Deutschland ESG berichtspflichtig. Hierbei ist die bAV zwar grundsätzlich nicht Gegenstand der verpflichtenden Berichterstattung. Sie kann aber durchaus in die freiwillige Berichterstattung aufgenommen werden und insofern zu einem „ESG-positiven“ Gesamtbild des Unternehmens beitragen.

ESG kann hierbei Impuls für Restrukturierungsbemühungen sein und die Ablösung bestehender Versorgungsysteme erleichtern. Ein entsprechender Druck hierzu kann jedenfalls auch aus soziodemographischen Umständen entstehen. Die Relevanz von ESG-Themen ist gerade bei Arbeitnehmer-Nachwuchs, der insb. mit bAV-Systemen unter dem Gesichtspunkt Arbeitgeberattraktivität angesprochen werden sollen hoch – im Gegenzug ist auch in der bAV über die Einhaltung von ESG-Kriterien an die Versorgungsberechtigten zunehmend zu berichten, jedenfalls für EbAV bzw. in VAG-relevanten Durchführungswegen – § 234 i VAG.

 

 

Greenwashing-Risiken im Bereich der bAV sind beherrschbar.“

 

 

Interessant kann zudem – bei Nutzung von CTA-Konstruktionen – die ESG-konforme Anlage des Planvermögens sein. Diese vermeidet einerseits implizite Risiken aus Greenwashing-Vorwürfen durch eine konsistente ESG-Politik. Andererseits kann das ESG-konforme Planvermögen für die optimierte Berichterstattung über taxonomiefähige Wirtschaftsaktivitäten verwendet werden.

Peter Wehner, Allen Overy.

Wehner betont hierbei zu den Greenwashing-Risiken, dass diese im Bereich der bAV durchaus beherrschbar sind, sofern eine sorgfältige Auswahl und Kontrolle, insb. bei der Einbindung von Versorgungsträgern, durchgeführt wird.

Weiterer wichtiger Hinweis von Döring: Ein potentiell neues Spannungsfeld kann Art. 25 des Entwurfs der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) schaffen. Wenn Unternehmen bei ihren geschäftspolitischen Entscheidungen ESG und damit auch das S – also sozial – berücksichtigen und diese Berücksichtigung dokumentieren müssen: Gilt dies auch für die Änderung von Versorgungszusagen? Vor allem wenn diese eingeschränkt werden sollen? Das bAV unter „sozial“ zu subsumieren ist, ist jedenfalls klar.

Mitreden im CTA

Zur betrieblichen Mitbestimmung bei CTAs präsentiert Florian Wortmann, T/S/C Fachanwälte für Arbeitsrecht, den Stand der Diskussion und grenzt potentiell mitbestimmte von nicht-mitbestimmten Fragestellungen ab.

Anlass der aktuellen Diskussion ist die Entscheidung des BAG vom 22. September 2020 – 3 AZR 303/18.

Dieses Urteil betraf zwar primär das Verhältnis des PSV als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung zu CTAs, streifte allerdings auch die Frage von CTAs als „Sozialeinrichtungen des privaten Rechts“.

 

 

Viel spricht dafür, dass selbst die CTA-Sicherung von Zusagen, die parallel von der Insolvenzsicherung erfasst werden, als soziale Leistung zu qualifizieren sind.“

 

 

Wortmann schärft den Blick für die unterschiedlichen potentiellen Leistungsspektren von CTAs – „Nichtleistungsfälle“ vor Insolvenz, Insolvenzsicherung im Spektrum und jenseits der PSV-Sicherung, Verknüpfung von Wertanlagen im CTA mit Versorgungszusagen und schließlich auch zusätzliche, arbeitgeberseitig nicht geschuldete Leistungen (z.B. „Anpassungsbedarf“) im Sicherungsfall – die entsprechend Auswirkungen auf die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 (bzw. Nr. 10) BetrVG haben können.

Viel spricht dafür, so der Referent, dass selbst die CTA-Sicherung von Zusagen, die parallel von der gesetzlichen Insolvenzsicherung erfasst werden, als soziale Leistung zu qualifizieren sind. Folge: der CTA als Sozialeinrichtung nach Nr. 8 des § 87 Abs. 1 BetrVG.

Mitbestimmungsfrei blieben in jedem Fall die Entscheidung über das „Ob“, die Zwecke mit dem Leistungsspektrum und die Dotierung. Einstellen muss man sich, so Wortmann, auf eine Mitbestimmung bei Ausgestaltung und Verwaltung des CTA.

Markterprobt raus damit

Thomas Granetzny, Freshfields Bruckhaus Deringer LLP.

De-Risking von Pensionszusagen ist der Titel des abschließenden Vortrags von Elmar Schnitker und Thomas Granetzny, beide Freshfields Bruckhaus Deringer.

Ihre Kernthese: Pension Buy out-Lösungen durch Ausgliederung oder Abspaltung von Pensionsverpflichtungen gegenüber ausgeschiedenen Mitarbeitern mit nachfolgender Veräußerung an einen Buy out Provider stellen eine effektive und mittlerweile markterprobte Lösung zur Auslagerung von Pensionsverpflichtungen dar. Dies gilt nicht nur für den klassischen Anwendungsfall der Direktzusagen, sondern auch für Zusagen mit externen Durchführungswegen.

Hierbei betonten beide: Buy out-Lösungen können vom Arbeitgeber autonom und ohne die Nachteile klassischer Versicherungslösungen (Nachhaftung, hohe Kosten) umgesetzt werden. Zustimmungserfordernisse Dritter bestehen nicht.

Die Risiken aus der umwandlungsrechtlichen Nachhaftung lassen sich durch adäquate Gestaltungen wie z.B. die Einschaltung eines CTA oder die Strukturierung des Fundings faktisch auf „Null“ reduzieren.

 

 

Eine sachgerechte Ausstattung der Rentnergesellschaft ist bereits aus bilanziellen Gründen Pflicht.“

 

 

Entscheidende Fragestellung: Sind die Vorgaben des BAG zur Ausstattung einer Rentnergesellschaft nach Einführung des BilMoG (DAV-Sterbetafeln, Rechnungszins) noch sachgerecht und rechtlich haltbar? Beide Referenten bezweifeln dies mit guten Gründen.

Ungeachtet dessen ist eine sachgerechte Ausstattung der Rentnergesellschaft bereits aus bilanziellen Gründen Pflicht. Dabei bestehen Gestaltungsoptionen, die zielgerichtet auf den jeweiligen Arbeitgeber angepasst werden können. Auch in bilanzieller Hinsicht führen Buy out-Lösungen zu sachgerechten Ergebnissen. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen eine hohe Akzeptanz durch die Versorgungsberechtigten, die durch die Ausfinanzierung der Verpflichtungen und die Befreiung von operativen Risiken Vorteile erlangen. Die Kommunikation dieser Vorteile trägt entscheidend zum Gelingen bei, so Schnitker und Granetzny abschließend.

Nach der Veranstaltung scheinen sich aus Sicht des Autors Teilnehmer, Veranstalter und Referenten einig zu sein: Dies war erst die Auftaktveranstaltung; Fortsetzung folgt, spätestens 2024.

Jörn Manhart, Advant Beiten.

Der Autor ist Rechtsanwalt bei Advant Beiten.

Von ihm sind zwischenzeitlich auf LEITERbAV erschienen:

Erste DGFP Jahrestagung bAV (I):

Einen Parforceritt …

von Jörn Manhart, 8. Mai 2023

 

Erste DGFP Jahrestagung bAV (II):

Fortsetzung folgt …

von Jörn Manhart, 11. Mai 2023

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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