… in der „CSRD-Falle“: Im Schatten des BRSG ist ein weiterer Regierungsentwurf über den Kabinettstisch gegangen, der EbAV zwar nicht explizit, aber durchaus am Rande miterfasst – und das zuweilen gleich doppelt. Dies kann für zusätzliche Bürokratie für manche EbAV-Typen sorgen. Der deutsche Gesetzgeber übersieht dabei gleich zweierlei, bemängeln Beatrix Tröger und Hendrik Sponagel, und sie sehen ein konkretes Defizit, das zu all diesen überflüssigen Misständen erst führt.
Die Welt der bAV hatte schon nicht mehr damit gerechnet, doch dann war er da, der Regierungsentwurf zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2022/2464 – Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD).
Die Herausnahme der Vereine …
Erfreulich ist, dass der Regierungsentwurf nun die Pensionskassen in der Rechtsform des VVaG und des PFVaG generell von der CSRD-Berichtspflicht ausnimmt. Auf die zuvor vom deutschen Gesetzgeber vorgesehene (obwohl gar nicht von der CSRD geforderte) generelle Einbeziehung von EbAV in den Rechtsformen der VVaG und PFVaG wurde nun ebenso verzichtet, wie die damit so nicht mehr erforderliche Rückausnahme für die betroffenen Pensionskassen und Pensionsfonds.

Damit erreicht der deutsche Gesetzgeber in dem Fall tatsächlich die angekündigte 1:1-Umsetzung und geht mit dem Umsetzungsgesetz zumindest für diese Einrichtungen nicht über die europäischen Vorgaben hinaus.
Abb. 1.: Geltungsbereichs der CSRD für EbAV nach Rechtsform und Sektor und deren Umsetzung im nationalen Recht.Quelle: Bosch Pensionsfonds AG. Grafik zur Volldarstellung anklicken.
… und der Verbleib der AG
Was bleibt, sind EbAV in der Rechtsform der AG: Diese werden nach dem Regierungsentwurf und entgegen den europäischen Vorgaben in der CSRD weiterhin wie Versicherungsunternehmen im Sinne der Richtlinie 2009/138/EG (Solvency II) behandelt und nicht wie vom europäischen Richtliniengeber vorgesehen, wie EbAV im Sinne der Richtlinie (EU) 2016/2341 (EbAV II).

Ursächlich dafür ist, dass der deutsche Gesetzgeber entgegen den Vorgaben der CSRD für EbAV in der Rechtsform der AG für die Bestimmung der Kategorie des Unternehmens nach Art. 3 Richtlinie 2013/34/EU (Bilanzrichtlinie) weiterhin das Größenkriterium der gebuchten Bruttobeiträge heranzieht, obwohl es sich bei diesen Unternehmen nicht um Versicherungsunternehmen gemäß der Bilanzrichtlinie bzw. Versicherungsbilanzrichtlinie und der CSRD handelt. Die CSRD hingegen wendet als Größenkriterium die Nettoumsatzerlöse nach Art. 2 Nr. 5 Bilanzrichtlinie an.
Der deutsche Gesetzgeber übersieht dabei nicht nur, dass er in seinem Umsetzungsgesetz von den verbindlichen europäischen Vorgaben der Richtlinie abweicht – sondern darüber hinaus auch, dass für die betroffenen Unternehmen in bilanzieller Hinsicht bei der Anwendung der gebuchten Bruttobeiträge anstelle der Nettoumsatzerlöse andere Bilanzwerte mit erheblich unterschiedlichen wirtschaftlichen Werten zum Tragen kommen.
Das grundsätzliche Problem
Die Unterschiede zwischen EbAV und Versicherungsunternehmen (VU) sind des Pudels Kern. In der Regelungssystematik der europäischen Richtlinien sind beide klar getrennt: VU sind solche Unternehmen, die von der Solvency II-Richtlinie erfasst werden und EbAV solche, die in der EbAV II-Richtlinie geregelt sind. Es gelten dabei in weiten Teilen unterschiedliche rechtliche Vorgaben.
Für die Frage, ob ein Unternehmen vom Anwendungsbereich der CSRD erfasst ist, ist zunächst die Rechtsform maßgeblich. Für Deutschland sind dies die AG und die GmbH als die in Anlage 1 zur Bilanzrichtlinie aufgeführte Rechtsformen. Im Rahmen der sog. „sektoriellen Erfassung“ bezieht die CSRD dann noch Unternehmen bestimmter Wirtschaftssektoren, ungeachtet deren Rechtsform, ein, was insb. VU im Sinne der Solvency II-Richtlinie betrifft.
„Der Gesetzgeber hat Vorschriften für EbAV mit denen für VU vermengt und vermischt und weicht damit an vielen Stellen von der europäischen Regelungssystematik ab.“
Man kann es an dieser Stelle nur nochmal wiederholen: EbAV sind keine VU im Sinne der Solvency II Richtlinie! Für EbAV gilt die Solvency II-Richtlinie nicht und folglich auch nicht die Richtlinie 91/674/EWG (Versicherungsbilanzrichtlinie, vgl. dazu auch Erwägungsgrund 27 der CSRD).
Abb 2.: Anwendungsbereich auf EU-Ebene.Grafik zur Volldarstellung anklicken.
In Deutschland ist es dagegen komplizierter: Der Gesetzgeber hat Vorschriften für EbAV mit denen für VU vermengt und vermischt und weicht damit an vielen Stellen von der europäischen Regelungssystematik ab.
„Pensionsfonds in der Rechtsform der AG sind gleich doppelt in der ‚CSRD-Falle‘.“
So werden EbAV als „andere“ Lebensversicherungsunternehmen bezeichnet (§§ 232 ff. VAG). Zudem sind in Deutschland EbAV zum Teil in Rechtsformen organisiert, die unter die allgemeinen Vorschriften der Bilanzrichtlinie fallen (AG). In den Bilanzierungsvorschriften des HGB werden EbAV – mit Abweichungen im Detail – aber wie Versicherungsunternehmen behandelt. Daher müssen sie auch als solche bilanzieren.
Manche gleich doppelt mit dabei
Pensionsfonds in der Rechtsform der AG sind daher in Deutschland gleich doppelt in der „CSRD-Falle“: einmal als „Versicherungsunternehmen“, die sie nicht sind, und als AG, deren Besonderheiten nicht berücksichtigt werden. Eine vollständig richtlinienkonforme, saubere Trennung gibt es in Deutschland (noch) nicht. Daher bedürfte es zur punktgenauen Umsetzung der CSRD-Richtlinie genauer Klarstellung im HGB.
Das müsste alles nicht sein
Grundsätzlich: Viele dieser Irrungen wären vermeidbar, wenn die schon lange bestehende Forderung nach einem eigenen Aufsichtsrecht für EbAV umgesetzt würde.
Konkret: Bilanzrechtlich wäre eine pragmatische Lösung, bei EbAV in der Rechtsform der AG für die Bestimmung der Größenkriterien die Nettoumsatzerlöse nach der Definition in Art. 2 Nr. 5 Bilanzrichtlinie anstatt der im Regierungsentwurf genannten Bruttobeiträge zu verwenden.
„Man sollte auch an Sozialpartnermodelle in der Rechtsform der AG denken.“
Zumindest sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass EbAV – anders als VU – zu großen Teilen wirtschaftlich dem Arbeitgeber zugerechnetes Vermögen verwalten, welches zudem dem Zugriff der EbAV entzogen ist und damit die in der Bilanz ausgewiesenen Vermögenswerte und Kennzahlen regelmäßig nicht das tatsächliche Betriebsvermögen einer EbAV zeigen. Solche Vermögenswerte sollten bei der Bestimmung der Größenkriterien unberücksichtigt bleiben. Damit würde eine nicht überschießende 1:1-Umsetzung der Richtlinie erreicht.
Man sollte daher diese Eigenheit der EbAV im nationalen Recht anerkennen, keine zusätzliche willkürliche Berichtspflicht anhand der Rechtsformwahl auferlegen und zudem auch an Sozialpartnermodelle in der Rechtsform der AG denken und sie nicht vor weitere administrative Hürden stellen.
Beatrix Tröger ist Syndikusanwältin und Director Pensions bei der Bosch Pensionsfonds AG.
Hendrik Sponagel ist Associate Director bei WTW.
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