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Der neugefasste § 100:

Mehr Förderbetrag für Geringverdiener

Im Gepäck des umstrittenen Grundrentengesetzes wurde auch der bAV-Förderbetrag nach § 100 EStG erhöht und die Einkommensgrenze für begünstigte Arbeitnehmer hochgesetzt. LEITERbAV-Autor Detlef Pohl hat die Neuerungen im Detail angeschaut und bewertet sie aus Arbeitgebersicht.

 

Die umstrittene Grundrente ist mit dem Grundrentengesetz doch noch am 2. Juli vom Bundestag und am 3. Juli vom Bundesrat beschlossen worden.

 

Sie wird nun ab 1. Januar 2021 die gesetzliche Rente für Versicherte mit mindestens 33 Beitragsjahren aufstocken, sofern diese die Einkommensprüfung bestehen. Nutznießer sind vor allem jene Rentner, deren Beitragsleistung wegen Teilzeitarbeit oder niedriger Löhne unter 80 Prozent des Durchschnitts liegt, aber über 30 Prozent des Durchschnittseinkommens.

 

Profitieren werden auch berufstätige Geringverdiener – über die bAV. Die Förderung von Geringverdienern war erst 2018 mit dem BRSG gestartet worden und verhielt sich seither unauffällig. Im November 2019 war dann die Absicht der Regierung bekannt geworden, die Förderung aufzubohren (LEITERbAV berichtete).

 

Nun ist es also soweit, der der maßgebliche § 100 EStG wird vom Gesetzgeber deutlich zum Vorteil von Niedrigverdienern nachgebessert.

 

3 x gut

 

Henriette Meissner, Stuttgarter.

Konkret gibt es drei Änderungen. Und „alle drei sind positiv zu beurteilen“, urteilt Henriette Meissner, Geschäftsführerin der Stuttgarter Vorsorge-Management GmbH und Generalbevollmächtigte für bAV bei der Stuttgarter Lebensversicherung:

 

1. Der maximale bAV-Förderbetrag wird von 144 Euro auf 288 Euro jährlich erhöht (§ 100 Abs. 2 S. 1 EStG).

 

2. Dies wird durch die Anhebung der Steuerfreistellung der Arbeitgeberbeiträge in gleicher Höhe flankiert (§ 100 Abs. 6 Satz 1 EStG).

 

3. Die förderfähige Einkommensgrenze steigt von 2.200 Euro auf 2.575 Euro monatlich (§ 100 Abs. 3 Nr. 3 EStG).

 

Rückwirkend ab Januar

 

Das Ganze mit anderen Worten:

 

Es bleibt zwar bei einer Förderung von 30% des arbeitgeberfinanzierten Beitrags, aber der Förderrahmen verschiebt sich von 480 Euro pro Jahr (40 Euro pro Monat) auf 960 Euro pro Jahr (Art. 6 Abs. 2).

 

Das gilt für den gesamten laufenden Veranlagungszeitraum und damit rückwirkend schon ab Jahresbeginn 2020“, betont Meissner gegenüber LbAV.

 

Grundprinzip war bisher: Gewährt der Arbeitgeber für Geringverdiener mindestens 240 Euro (maximal 480 Euro) für die bAV pro Jahr, kann er 30 Prozent von seiner Lohnsteuer einbehalten (also 72 bis maximal 144 Euro).

 

Mit der Verdopplung der steuerlichen Abzugsmöglichkeit soll ein Anreiz für den Arbeitgeber geschaffen werden, über den bisher förderfähigen Höchstbetrag (nach § 100 EStG) hinausgehende Beiträge für Geringverdiener zu einer bAV zu leisten. Die Arbeitgeberbeiträge bleiben hierfür steuerfrei. Die Steuerfreistellung steigt dementsprechend in gleichem Maße wie die Erhöhung der Geringverdienerförderung.

 

Und: Regelmäßige Lohn- und Gehaltssteigerungen führen dazu, dass Arbeitnehmer mit geringem Einkommen aus dem Kreis der Begünstigten herauswachsen. Um dem entgegenzuwirken und die Attraktivität der vom Arbeitgeber finanzierten bAV insbesondere für Geringverdiener zu erhöhen, hat der Gesetzgeber mit dem Grundrentengesetz die monatliche Einkommensgrenze – ebenfalls rückwirkend ab Jahresbeginn 2020 – auf 2.575 Euro angehoben (Gesetz in der Fassung der Bundesrats-Drucksache 387/20 vom 3. Juli). Diese Änderungen treten allesamt am Tag nach der Verkündigung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt, also noch diesen Sommer, für das volle Jahr 2020 in Kraft.

 

Klar bei Matching

 

Lange war unklar, ob der Förderbetrag nach § 100 EStG bei Matching-Modellen greift, bei denen typischerweise eine freiwillige Entgeltumwandlung des Arbeitnehmers durch einen arbeitgeberfinanzierten Zuschuss gefördert wird. Dank der Eingaben des GDV an das BMF herrscht nun Klarheit und damit „freie Bahn“ für eine staatliche Förderung von bis zu 51% des AG-Anteils beim Matching (auch LbAV hatte auf Basis von Medienberichten dies schon kurz vermeldet).

 

Hintergrund: Solche Matching-Modelle sind weit verbreitet und sowohl für die Beschäftigten als auch für die Unternehmen lohnenswert. „Wir haben früh in Modellrechnungen gezeigt, wie Arbeitgeber den Förderbetrag einsetzen können, um die arbeitgeberfinanzierte Versorgung für ganze Belegschaften auszubauen, da eine Förderung von bis zu 51% möglich ist“, sagt Meissner. Der Förderbetrag sorge also dafür, dass die arbeitgeberfinanzierte Versorgung der ganzen Belegschaft unter Einschluss der Niedrigverdiener attraktiv wird.

 

Detlev-Rohwedder-Haus in Berlin, Dienstsitz des BMF (Architekt Ernst Sagebiel).
Foto: BMF/Hendel.

 

Im BMF-Schreiben vom 8. August 2019 war allerdings infrage gestellt worden, ob der Förderbetrag nach § 100 EStG bei Matching-Modellen greift (LbAV berichtete).

 

Klipp und klar hieß es in dem Schreiben: Für die bAV verwendete VWL wie auch Matching-Erhöhungsbeträge „erfüllen jedoch nicht die Voraussetzungen für den bAV-Förderbetrag“. Begründung: „Die Voraussetzung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn (§ 100 Absatz 3 Nummer 2 EStG) ist nicht erfüllt“.

 

Nach mehreren GDV-Eingaben habe das BMF nun auch hier am 13. Juli für Klarstellung gesorgt, erklärt Meissner. Sie zitiert den O-Ton des BMF-Antwort an den GDV:

 

Soweit Sie das BMF-Schreiben vom 8. August 2019 … ansprechen, vertrete ich die Auffassung, dass dies für die im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung von Ihnen beschriebenen sogenannten (‚freiwilligen‘) Matching-Modelle nicht einschlägig ist. Bei den sogenannten ‚freiwilligen‘ Matching-Modellen bemisst sich die Höhe der Arbeitgeberbeiträge (Erhöhungsbeträge) typischerweise nach der Höhe der Arbeitnehmerbeiträge durch originäre Entgeltumwandlung, losgelöst von bereits gewährten vermögenswirksamen Leistungen bzw. zusätzlich gewährten Lohnbestandteilen.“

 

Damit kann wohl davon ausgegangen werden, dass die üblichen Matching-Modelle auch, wenn alle übrigen Voraussetzungen vorliegen, nach § 100 EStG gefördert werden können. Ausgenommen bleiben Beiträge, die der Arbeitgeber im Rahmen der gesetzlichen Verpflichtung zur Weitergabe der Sozialversicherungsersparnis nach § 1a Abs. 1a BetrAVG leistet (BMF-Schreiben vom 6.12.2017, Rz 112, LbAV berichtete).

 

Diese Änderung muss auch in die üblichen Übersichten zu den Rechengrößen in der Sozialversicherung 2020 eingearbeitet werden. Daher hat die Stuttgarter dies in einer Tabellen-Übersicht aktualisiert.

 

Was weiter unklar bleibt

 

Alle Unklarheiten sind damit für Arbeitgeber noch nicht beseitigt – das hätte angesichts der Komplexität der deutschen bAV auch überrascht. So wies der GDV auf Folgendes hin:

 

1. Die Einkommensgrenze für Geringverdiener sollte regelmäßig überprüft, im Idealfall dynamisiert werden.

 

2. Es sollten arbeitsrechtliche Hürden abgebaut werden. An geeigneter Stelle (etwa dem Betriebsrentengesetz) sollte klargestellt werden, dass eine arbeitgeberfinanzierte bAV nur für Niedrigverdiener nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt.

 

3. Es sollte eine Lösung für „Altfälle“ (ab 2018) geben, da in den meisten Fällen eine Aufstockung von (gezillmerten) Altverträgen nicht möglich ist. Dies könnte durch eine Stichtagsregelung verbessert werden.

 

Übrigens: Das BMF hat inzwischen den Referentenentwurf für ein Jahressteuergesetz 2020 vorgelegt.

 

Dem § 8 EStG soll ein neuer Absatz 4 angefügt werden:

 

Im Sinne dieses Gesetzes werden Leistungen des Arbeitgebers oder auf seine Veranlassung eines Dritten (Sachbezüge oder Zuschüsse) für eine Beschäftigung nur dann zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht, wenn die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,

 

1. der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt,

 

2. die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt und

 

3. bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht wird.“

 

Hintergrund: Im Zusammenhang mit der sogenannten Entgeltoptimierung werden immer wieder bei Arbeitgebern Entgeltbestandteile „umgewidmet“ und zum Beispiel zum Ausgleich von Kürzungen in der gesetzlichen Rentenversicherung ein Baustein „bAV“ hinzu versichert. Und auch der Förderbeitrag nach § 100 EStG stellt auf eine zusätzliche arbeitgeberfinanzierte Versorgung ab. Nun wird für das gesamte Einkommensteuerrecht geregelt, wann eine echte Zusatzleistung des Arbeitgebers vorliegt.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

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