Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Kassandra – Die kommentierte Presseschau zur bAV:

Zwischen BFH, BAG und dem Finanzamt

Unregelmäßig freitags bringt LEITERbAV eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: Was nach 16 Jahren immer noch gültig ist, aka Deutschland, Entgeltumwandlung aus dem Bürgergeld – und seine Analysen würde man jetzt gerne lesen.

LEITERbAV (8. August): aba-Forum-Steuerrecht (IV): Nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen“ von Prof. Reinhold Höfer.

Rekapitulieren wir den Fall, wie ihn Prof. Reinhold Höfer u.a. auf LEITERbAV Anfang August analysiert hat:

Ein Unternehmer will eine Pensionsrückstellung bilden und beruft sich dabei auf einen Terminus, den eine erste staatliche Institution – niemand weniger als die Legislative dieses Landes – entwickelt hat, nämlich den der Wertgleichheit.

Eine zweite staatliche Institution – die Finanzverwaltung als Teil der Exekutive – folgt dieser Argumentation des steuerpflichtigen Unternehmens nicht; man trifft sich vor Gericht.

Eine dritte staatliche Institution – hier das oberste deutsche Finanzgericht als Judikative – verwirft die Klage des Unternehmers mit der Begründung, dass der von der ersten staatlichen Institution festgelegte Terminus im Gesetz nicht konkret genug und außerdem von einer weiteren staatlichen Institution (nämlich der Arbeitsgerichtsbarkeit) nicht ausreichend konkretisiert worden sei. Und da das Gesetz bzw. seine Auslegung nicht konkret genug seien, obsiegt vor Gericht die zweite der drei staatlichen Institutionen, die Finanzverwaltung.

Oder kürzer: Der Staat macht unklare Gesetze, und wenn die Unternehmen diese anwenden wollen, verlieren sie damit vor Gericht. Richtig wäre gewesen: Der Staat macht unklare Gesetze, und solange er nicht in der Lage ist, diese zu konkretisieren, verliert er jedes Verfahren – und zwar so lange, bis er Abhilfe schafft. Das würde man wie nennen? Richtig: Good Governance. Die gibt es für den Staat bekanntlich – ein altes kassandrisches Axiom – ganz umsonst.

Sollte der Unternehmer nicht ohnehin nach dem Fall jedes Vertrauen in alle staatlichen Institutionen verloren haben, dann bleibt wohl nur eine weitere: das Bundesverfassungsgericht; Art. 20 Abs. 3 Rechtsstaatlichkeit.

Das ganze ist natürlich kein Einzelfall. Man denke nur an die Unschärfe der boLZ im Gesetz oder wie lange es gedauert hat, den 16er zukunftsfest zu machen (was aber immerhin gelungen ist). Oder der 6a, bei dem man nun endgültig nur noch hoffen kann, dass Zeit und Zins über das Problem hinwegziehen werden.

Und was bedeutet das alles für die Unternehmen und die bAV: Hierzu ein Auszug aus einem Kommentar:

Als Unternehmer weiß man ohnehin kaum noch, was man sich wünschen soll: eine weitere Regulierungsdichte, um die bAV ‚herausberaten‘ zu können? Oder eine Systematisierung und Verstetigung der Rahmenbedingungen, damit betriebliche Vorsorge sachgerecht möglich ist? Der jetzige Zustand ist jedenfalls für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer höchst unbefriedigend und hat bereits Schaden angerichtet. Dem Staat dagegen, der faktisch nur mithilfe der bAV die Wiederkehr der Altersarmut aufhalten kann, sollte die Wahl nicht schwerfallen. Es bleibt die Hoffnung auf den Erkenntnisgewinn.

Ein Blick zurück lässt diese aber schwinden. In den vergangenen Jahren hat sich der Gesetzgeber schließlich des Öfteren sehenden Auges mit auch verfassungsjuristisch zweifelhaften Maßnahmen in prekäre Situationen gebracht, aus denen ein Ausweg zu finden für ihn immer schwieriger wird […] Es stimmt nachdenklich, dass in Deutschland nicht Regierung und Gesetzgeber, sondern das Verfassungsgericht – in immer kürzerer Folge – die Weichen in der Altersvorsorge stellen muss.“ (Ergänzung heute: Wenn es dass denn überhaupt tut, Stichwort 6a, s.o.).

Geschrieben hat dies der Herausgeber von LEITERbAV – im Jahr 2007, noch für die dpn. Der Kommentar ist satte 16 Jahre alt (damals ging es um das bis heutige leidige Thema der Sozialbeiträge). Wirklich besser geworden ist seitdem offenbar nicht viel.

Bild (4. September): „Bürgergeld-Irrsinn ++ Chef klagt an: Mein Mitarbeiter kündigt, weil er lieber Stütze kassiert!“

Das Bürgergeld in seiner Wirkung harmoniert wunderbar mit Lage und Perspektive der Realsatire im Run off aka Deutschland. Warum soll ein Land in Niedergang, und zwar im unaufhaltsamen Niedergang, es sich nicht wenigstens gut gehen lassen?

Allerdings: Eine unschöne Begleiterscheinung des Bürgergeldbezuges ist natürlich der Wegfall der bAV. Daher an dieser Stelle die Aufforderung Kassandras an den Gesetzgeber, die Entgeltumwandlung auch für Bürgergeldbezieher möglich zu machen, natürlich mit Rechtsanspruch und gern auch mit einem Arbeitgeber-Matching – denn wie immer gilt: Das Engagement des Einzelnen, und dabei handelt es sich bei der Entgeltumwandlung ja, muss stets belohnt werden. Leistung muss sich lohnen – das ist schließlich das Erfolgsrezept dieses Landes. Nur weiter so, Deutschland.

OFF TOPIC – TO WHOM IT MAY CONCERN

Die Welt (4. September): „Putsch-Serie in Ex-Kolonien – Frankreichs gescheiterte Afrikapolitik.“

Erst jüngst hatte Kassandra im Zuge der Mahnung, dass ein großer afrikanischer Krieg zig Millionen Flüchtlinge aus Nord- und Zentralafrika nach Europa und vor allem Deutschland und Frankreich treiben würde, von den schmutzigen Fingern Frankreichs gesprochen, die das Land dort seit endlosen Jahrzehnten im Spiel hat.

Hier nun ein Artikel in der Welt, der ebenfalls mäßig begeistert ist von Strategie und Taktik der französischen Afrikapolitik der letzten Jahrzehnte.

Wie dem auch sei, und auch wenn der Artikel in der Welt sehr gut ist, Anlass genug, jemanden in Erinnerung zu rufen: Deutschland hat seinen besten Afrika-Experten vor einigen Jahren verloren. Gemeint ist der damalige FAZ-Korrespondent für Schwarzafrika, der eben dort 2017 bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommene Thomas Scheen (und der wohl für die allerwenigsten hier wie auch sonstwo ein Begriff sein dürfte). Seine Analysen zu der Lage dort würde man jetzt gerne lesen.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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