Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

aba-Forum-Steuerrecht (IV):

Nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen

Wertgleichheit und Wertgleichheitsgebot sind Begriffe, die in der bAV, namentlich in der Entgeltumwandlung eine zentrale Rolle spielen, aber gleichwohl seit jeher einer klaren Definition harren. Jüngst war just dies Thema vor dem höchsten deutschen Finanzgericht – das aus eben dieser Unklarheit eine bemerkenswerte Schlussfolgerung gezogen hat. Reinhold Höfer kritisiert.

Der vom BFH entschiedene Fall

Der BFH hat am 6. Dezember 2022 entschieden, dass eine Pensionsrückstellung in der Steuerbilanz nicht gebildet werden dürfe, wenn sich der Arbeitgeber das Recht vorbehält, die Transformationstabelle einseitig ändern zu dürfen (BFH IV R 21/19, BetrAV 2023, S. 225).

Der Bundesfinanzhof in München.

Die Transformationstabelle zeigt, welche Versorgungsleistung aus dem jährlichen Entgeltverzicht bis zum Eintritt des Versorgungsfalls durch Aufzinsung gewährt wird.

Verständlicherweise möchten Arbeitgeber die Versorgungsleistung aber absenken dürfen, wenn das Marktzinsniveau nach der Erteilung der Versorgungszusage spürbar sinkt. In dem konkreten Fall hatte der Arbeitgeber die Versorgungszusage mit dem Vorbehalt versehen, dass er beim Absinken des Marktzinsniveaus für ab dann durchgeführte Entgeltumwandlungen einen geringeren Zins bieten dürfe. Allerdings sollte die Absenkung nur insoweit zulässig sein, wenn sie noch das Wertgleichheitsgebot aus § 1 Abs. 2 Nr. 3 Betriebsrentengesetz erfüllt. Für vor dem Absinken des Marktzinsniveaus vereinbarte und durch Entgeltverzicht schon vollzogene Entgeltumwandlungen war aber der ursprünglich vereinbarte Zins bis zum Eintritt des Versorgungsfalls beizubehalten.

Kritik an der Begründung des BFH

Der BFH begründet die Steuerschädlichkeit des Änderungsvorbehalts mit der Überlegung, dass nach dem Gesetzeswillen Anwartschaftsminderungen nur in einem ganz engen Rahmen zulässig sein sollen und dass zudem die Begrenzung des Änderungsvorbehalts durch das Wertgleichheitsgebot nicht hinreichend präzise sei.

 

 

Dass die Generalnorm der Wertgleichheit den Zins

noch nicht eindeutig festlegt, darf nicht

zu Lasten des Steuerpflichtigen gehen.“

 

 

Diese Auffassung vermag nicht zu überzeugen. Denn das Wertgleichheitsgebot folgt aus dem Gesetz (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 Betriebsrentengesetz) und erfüllt damit den Ausnahmetatbestand des § 6a Abs. 1 Nr. 2 zweiter Halbs. EStG, der Änderungsvorbehalte nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen gestattet und damit auch nach gesetzlichen Vorgaben.

Dass die Generalnorm der Wertgleichheit den Zins noch nicht eindeutig festlegt, darf nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen gehen. Zudem könnte er sich bei erheblichem Marktzinsschwund auf § 313 BGB berufen, der eine Anpassung von Verträgen bei Störung der Geschäftsgrundlage gestattet. Vorbehalte, die auf Störungen der Geschäftsgrundlage abheben, werden aber ebenfalls von § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG gebilligt.

Allerdings hat der BFH die Pensionsrückstellungsbildung für die bis zum Bilanzstichtag durch Entgeltverzichte bereits durchgeführten Entgeltumwandlungen gebilligt. Dies war auch konsequent, denn für sie galt ja das Zinsänderungsrecht nicht, bei ihnen war der zugesagte Zins bis zum Eintritt des Versorgungsfalls beizubehalten.

Zinsanpassungsrecht und -pflicht aus dem Wertgleichheitsgebot

Prof. Reinhold Höfer.

Das Änderungsrecht des Arbeitgebers wird man aus dem „Wertgleicheitsgebot“ des Betriebsrentengesetzes ableiten können. Denn es verpflichtet den Arbeitgeber zur wertgleichen Bemessung der Versorgungsleistung im Interesse des Arbeitnehmers, also zur Gewährung eines angemessenen Zinses. Daraus folgt aber auch im Umkehrschluss, dass der Arbeitgeber keine Leistung versprechen muss, die über das Wertgleichheitsgebot hinausgeht. Er darf sein Versorgungsversprechen auf die Einhaltung der Wertgleichheit begrenzen. Deshalb muss es auch zulässig sein, den Zins der Transformationstabelle herabzusetzen, wenn der Marktzins im Zeitpunkt des durchgeführten Entgeltverzichts gesunken ist und sich erheblich von dem höheren Zins bei Auflegung der Tabelle entfernt hat.

Konsequenterweise verpflichtet das Wertgleichheitsgebot den Arbeitgeber aber auch, bei einer erheblichen Marktzinssteigerung für ab dann durchgeführte Entgeltumwandlungen den höheren Zins zu gewähren.

Zinsanpassung nur für ab der Marktzinsänderung durchgeführte Entgeltumwandlungen

Man wird davon ausgehen müssen, dass die Zinsherabsetzung aus Gründen des Vertrauensschutzes nur für diejenigen Entgeltverzichte gerechtfertigt ist, die unter Geltung des gesunkenen Marktzinses vollzogen werden. Bei zuvor durchgeführten Entgeltverzichten muss es auch nach dem Absinken des Marktzinses bei den ursprünglich zugesagten Versorgungsleistungen bleiben. Denn auch bei dem Erwerb festverzinslicher Wertpapiere ist in der Regel der ursprüngliche Zins bis zur Fälligkeit des Papiers durchzuhalten.

Es bleibt dem Unternehmen aber unbenommen, großzügig zu handeln und trotz des gesunkenen Marktzinses den höheren Zins beizubehalten. Wenn er weit über dem gesunkenen Marktzins liegt, wird die Leistung, die aus dem übersetzten Teil resultiert, nicht mehr wie eine Entgeltumwandlungszusage zu behandeln sein, sondern wie eine vom Arbeitgeber finanzierte. Denn sie geht insoweit über das Wertgleichheitsgebot hinaus. Vom Arbeitgeber finanzierte Betriebsrenten werden betriebsrentenrechtlich teilweise anders als solche aus Entgeltumwandlung behandelt.

Die Rechtsprechung des BAG …

Das BAG hat die Auffassung vertreten, dass für Versorgungsanwartschaften der Höchstzinssatz von Lebensversicherern der angemessene Zins sein könne, den sie in ihre mit einer Garantie ausgestatteten Produkte einrechnen dürfen (BAG vom 30. August 2016 3 AZR 272/15).

Ob dies allerdings auch für unmittelbare Versorgungszusagen gilt, ist nicht sicher. Vielleicht müsste man bei ihnen den Höchstzinssatz um ein bis zwei Prozentpunkte erhöhen, um die Leistungen aus der Überschussbeteiligung der Lebensversicherer anzunähern.

Die Rechtsprechung des BAG zum angemessenen Zins war in München von dem Kläger nicht vorgetragen worden. Vielleicht würde die Steuerrechtsprechung einen Änderungsvorbehalt, der sich auf die Zinsaussage des BAG beruft, billigen, da dieser Zins eindeutig ist. Dies gilt auch dann, wenn er um einen eindeutigen Prozentsatz erhöht wird.

und des BGH

Der BGH ging im Rahmen seiner Rechtsprechung zum externen Versorgungsausgleich davon aus, dass der Zins aus § 253 Abs. 2 HGB ein sachgerechter Maßstab bei der Bewertung eines zu übertragenden Versorgungsrechtes sein könne. Auch sollte er den Anforderungen an das Wertgleichheitsgebot aus § 1 Abs. 2 Nr. 3 Betriebsrentengesetz genügen.

Offen ist, ob der BFH einen Vorbehalt, der auf die vorab beschriebene Zinsermittlungen nach der Rechtsprechung des BAG oder des BGH abstellen würde, als zulässigen Vorbehalt i.S.d. § 6a Abs. 2 EStG anerkennen würde.

Der Gesetzgeber sollte Klarheit schaffen

Es wäre im Interesse der Rechtsklarheit und damit auch im Interesse der Ausbreitung der betrieblichen Altersversorgung, wenn der Gesetzgeber das Wertgleichheitsgebot für Entgeltumwandlung durch klare Vorgaben für die Zinsermittlung konkretisieren würde.

Dies würde Sicherheit im Arbeits- und im Steuerrecht schaffen und dem Arbeitgeber das Gewähren von Entgeltumwandlungs-altersversorgung durch unmittelbare Versorgungszusagen erleichtern, die ihm finanzwirtschaftliche Vorteile bieten.

Der Beitrag beruht auf einem Vortrag des Autors, gehalten auf dem aba-Forum-Steuerrecht am 19. Juni 2023 in Mannheim, und ist eine Kurzfassung einer ausführlicheren Analyse, die in diesen Tagen in Heft 5 der BetrAV erschienen ist.

Der Autor ist Mitverfasser eines Standardkommentars zum Arbeits-, Steuer-, Sozialabgaben-, Bilanz- und IFRS-Recht der betrieblichen Altersversorgung.

Von ihm sind zwischenzeitlich bereits auf LEITERbAV erschienen:

aba-Forum-Steuerrecht (IV):

Nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen

von Professor Reinhold Höfer, 31. Juli 2023

 

Gegenwart und Zukunft von BOLZ und BZML:

Zwischen Historie und Unmöglichkeit

von Professor Reinhold Höfer, 7. April 2021

 

Trennung von Arbeits-, Steuer- und Versicherungsaufsichtsrecht:

Die „Reine Beitragszusage“ über den Pensionsfonds (II)

von Prof. Reinhold Höfer, 15. April 2014

 

Trennung von Arbeits-, Steuer- und Versicherungsaufsichtsrecht:

Die „Reine Beitragszusage“ über den Pensionsfonds (I)

von Prof. Reinhold Höfer, 14. April 2014

 

Diskussion um die entgeltliche Übernahme von Versorgungsverpflichtungen:

Teilwertverfahren statt PUC nicht folgerichtig

von Prof. Reinhold Höfer, 17. April 2013

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

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