… hat die deutsche zweite Säule weiter an Kampfgewicht zugelegt, wie jüngst ermittelt wurde, und kratzt an der 700-Milliarden Marke. Diese Entwicklung dürfte 2022 – auch wenn hier noch keine Zahlen vorliegen – allerdings nicht so weitergegangen sein; zumindest unter einem bestimmten Blickwinkel. Grund sind wiederstreitende Effekte, die dann hier wirken dürften.
Die Älteren in der Leserschaft werden sich erinnern: Ex-HöchsterPenka-Chef Joachim Schwind unternahm jährlich die Aufgabe, die Größenordnung der deutschen bAV zu ermitteln – letztmalig gecovert von LEITERbAV Mitte 2018 (für das Jahr 2016).
Seit Schwinds Ruhestand hat diese Aufgabe Ralf Klein, Leiter Versorgungsmanagement/BAV-Service bei der Höchster Penka, übernommen, der regelmäßig im Sommer auf Seiten der aba seine Erhebung publiziert – so auch in der jüngst erschienenen BetrAV 05 / 2023.1
Hier nun gerafft die Ergebnisse Kleins: Im Vergleich zu 2020 und den damals ermittelten Werten hat sich die ansteigende Entwicklung der Deckungsmittel der deutschen bAV auch 2021 fortgesetzt; sie beliefen sich zum 31. Dezember 2021 auf insg. ca. 693,7 Mrd. Euro und verzeichneten damit einen Zuwachs in Höhe von ca. 3,2% gegenüber 2020.Quelle: aba/Höchster Penka. Grafik zur Volldarstellung anklicken.
Für die einzelnen Durchführungswege ermittelt Klein für Ende 2021 folgendes Bild:
Direktzusagen kommen mit 8,2 Mio. Berechtigten auf ca. 318,8 Mrd. Euro (+1,1%), davon rund 171 Mrd. Euro auf laufende Renten und rund 147 Mrd. Euro auf gesetzlich unverfallbare Anwartschaften. Die Direktzusage bleibt mit ca. 46% an den bAV-Deckungsmitteln mit Abstand bedeutendster Durchführungsweg.
Quelle: aba/Höchster Penka. Grafik zur Volldarstellung anklicken.
Die Pensionskassen (28,7% der Deckungsmittel und größter externer DFW) legten 2021 von rund 190,2 auf rund 198,8 Mrd. Euro zu (+4,5%); durchschnittliche Reinverzinsung 4,1%, rund 8,5 Mio. Anwärter und rund 1,4 Mio. Versorgungsempfänger.
Zuwachs auch bei der Direktversicherung: 75,4 Mrd. Euro (+4,3%, 11% Anteil).
U-Kassen mit ca. 1,75 Mio. gesetzlich unverfallbaren Anwartschaften und 460.000 Rentnern legten um 1,3% auf 39,4 Mrd. Euro zu; Anteil an den gesamten Deckungsmitteln 5,7%.
Die Deckungsmittel der Pensionsfonds sind 2021 um 10,8% angestiegen; Deckungsmittel nun bei ca. 61,3 Mrd. Euro entsprechend einem Anteil von ca. 8,8%. Die durchschnittliche Reinverzinsung der Kapitalanlagen lag hier bei 2,3%, bei den Kapitalanlagen für Rechnung und Risiko von Arbeitnehmern und Arbeitgebern bei 6% (Vorjahr 3,6%). Rund 838.000 Anwärter stehen ca. 405.000 Rentner gegenüber.Quelle: aba/Höchster Penka. Grafik zur Volldarstellung anklicken.
Anm. der Red: Wie sich die bAV in der Breite entwickelt, dazu beachte man nach wie vor die Untersuchungen bspw. der Union Investment und der MetallRente sowie die Erhebungen des BMAS, zum internationalen Vergleich bspw. Mercers CFA Institute Global Pension Index MCGPI).
Im engen und im weiten Sinne
Es sei zu der Frage der Abgrenzung des Terminus „bAV“ bzw. „Pensionswesen“ wie stets wiederholt: Bekanntlich hat Deutschland ein besonders vielfältiges System der Altersvorsorge, so dass man je nach Sichtweise – und LEITERbAV hat redaktionell eben eine solche – zusätzliche Erscheinungsformen der Altersvorsorge unter den Begriff einer bAV bzw. eines Pensionswesens im weiteren Sinne erfassen kann. Das gilt namentlich für berufsständische Versorgungswerke (auch wenn diese bei den Berechtigten die erste Säule ersetzen) sowie für kirchliche und kommunale ZVK und weitere Vehikel des öffentlich-rechtlichen Raums. Insofern kann man der deutschen bAV auch weiteres Kampfgewicht zubilligen:
Berufsständische Versorgungswerke, wie sie in der ABV organisiert sind, dürften zusammen über 230 Mrd. Euro auf die Waage bringen (s. Tactical Advantage Vol. 8). Hinzu kommen ca. 150 Mrd. Euro der kirchlichen und kommunalen ZVK sowie 33 Mrd. Euro AuM bei der VBL (s. Tactical Advantage Vol. 12). Addieren könnte man genaugenommen auch die (wenn auch im kleinen Rahmen) teilgefundeten Beamtenpensionen (und ggf. je nach Gusto auch Teile der Riester- und Rürup-Renten). Hinzu kommt, dass auch Book Reserves der Direktzusage selbst ein dehnbarer Begriff ist. Die Daten Kleins beruhen hier auf dem 6a EStG. Nach 253 HGB und IAS 19 sind die Werte nach wie vor sichtlich höher, hier ermittelte bspw. Aon allein für den DAX Ende 2021 eine IAS-19-DBO von ca. 418 Mrd. Euro (für 2022 kam Aon übrigens wegen des erwähnten Zinseffektes auf „nur noch“ 314 Mrd. Euro, also ungefähr soviel, wie wir Ende 2021 nach 6a hatten).
Sobald in einem Jahr die Zahlen für 2022 vorliegen, sollte man sehen, dass die Lage sich geändert hat: Während die Inflation sich fördernd auf die Deckungsmittel ausgewirkt haben dürfte, sollte dies von dem schnell angestiegenen Rechnungszins überkompensiert worden sein. Das allerdings nur gem. 253 HGB und IAS 19. Gerechnet nach dem starren 6a EStG sollten dagegen 2022 die 700 Mrd. geknackt werden. Alles eine Frage des Diskont-Blickwinkels (der ja ebenfalls diskutabel ist).
Hält man also für die Deckungsmittel der deutschen bAV im engeren Sinne Kleins 693 Mrd. Euro und im weiteren Sinne grob ca. eine Billion Euro fest, dürfte man weiterhin der Wahrheit – die auch hier wie so oft viele Facetten hat – nahe kommen.
Will man wissen, welche Rolle EbAV und Versorgungswerke mit ihren Plan Assets im Konzert des institutionellen Asset Managements spielen, wird man hier fündig. Will man genauer wissen, wer davon wieviel und wie verwahrt, lese man hier.
Abschließend sei erneut bemerkt, dass vor allem internationale Studien mit meist ohnehin viel zu breiten Ansätzen bei der Vielfalt der deutschen bAV oft an ihre fachlichen Grenzen stoßen und deshalb auf dieser Plattform redaktionell wenn überhaupt nur noch kurz behandelt werden (sei es bspw. Studie des Thinking Ahead Institute von 2017, der OECD von 2020 oder der ALFI ebenfalls von 2020).
FN 1: Klein, R.; Die Deckungsmittel der betrieblichen Altersversorgung in 2021, BetrAV 5/2023, Seite 400-401.