Heute geht es auf LEITERbAV um Direktzusagen mit hoher Quote an Entgeltumwandlern, den Druck der Inflation sowie um die Rentenanpassung in voller Höhe unter Vorbehalt versus eine zeitlichen Verteilung des Anpassungsbedarfs. Erster Teil eines zweiteiligen Beitrages von Lisa Martin und Sven Scholz.
LEITERbAV hatte bereits zwei Mal von der diesjährigen aba-Jahrestagung berichtet, die im Mai in Berlin stattgefunden hat. (s. hier und hier). Heute nun weitere Berichterstattung zu Teilen der Veranstaltung (wie stets im Indikativ der Referenten):
Noch keines mit Direktzusage – Unmut wegen Schriftform – U-Kasse mit Wunschliste
Dietmar Droste, Leading Expert Pensions bei dem Versorger E.ON, Henriette Meissner, Chefin der Stuttgarter Vorsorge-Management, sowie Stefan Oecking Aktuar und Vorstand des Mercer Pensionsfonds starten den zweiten Tag der 85. aba-Jahrestagung mit kurzen Berichten aus den Fachvereinigungen der Direktzusagen, Unterstützungskassen und mathematischen Sachverständigen:
Anm.d.Red.: Auf LEITERbAV Dynamics findet sich ab sofort eine weitere ausführliche Fotogalerie der diesjährigen aba-Jahrestagung, die derzeit täglich erweitert wird.
Auch wenn in den vergangenen Jahren die digitale Rentenübersicht das dominierende Thema war, muss ernüchternd festgestellt werden, dass sich noch kein Unternehmen mit Direktzusagen aus der Deckung wagt und zur Anbindung bereit ist. Für viel Unmut auf dem Parkett sorgt das Nachweisgesetz nicht nur aufgrund des Schriftformerfordernisses, sondern laut Meissner auch aufgrund der weiteren Angaben bezüglich der U-Kasse. Hier besteht aber nach Andeutungen vom Vortag Hoffnung auf eine baldige Erleichterung für die bAV. Keine Hoffnung besteht hingegen, dass das BVerfG in nächster Zeit über die Verfassungsmäßigkeit des steuerbilanziellen Rechnungszinssatzes von 6% entscheiden wird.
Als durchweg erfreulich werden im U-Kassen-Universum der überraschende Wegfall des Ausscheideerfordernisses sowie die Möglichkeit fondsgebundener Rückdeckungsversicherungen wahrgenommen. Dennoch besteht weiterhin eine lange Wunschliste für die Zukunft: bessere Portabilität, Nachdotierungsmöglichkeiten und Vorsorgemöglichkeiten für Beschäftigte unter 23 Jahren sowie die Anhebung der Körperschaftsteuer-Höchstgrenzen, die Eliminierung der nachteiligen Berücksichtigung der Entgeltumwandlung beim Elterngeld und die, jedoch nach Aussage des BMAS vom Vortag schon abgelehnte, Anhebung der 4%-Entgeltumwandlungsgrenze.
Oecking wagt einen spannenden Ausflug in die Welt der KI. Auf die Frage, mit welchen Maßnahmen eine auskömmliche bAV für 80% der Beschäftigten erreicht werden kann, liefert das KI-Tool ChatGPT erstaunlich zutreffende, wenngleich mit Vorsicht zu genießende Antworten, z.B. verpflichtende und niedrigschwellige Betriebsrentenangebote, steuerliche Anreize (für Unternehmen), automatische Einbeziehung der Beschäftigten sowie unabhängige Beratung und Transparenz für Beschäftigte, flexible Modelle, bAV als Teil der Gesamtvergütung sowie die Zusammenarbeit mit der Politik.
Transformation in der bAV – von der Pensionskasse zum fondsbasierten Pensionsplan
Sabine Fleischer (Albemarle) und Wilko Schmidt (Mercer) liefern einen erfrischenden Vortrag über die Neuordnung der bAV bei Albemarle, die im Jahr 2021 unmittelbar von der Einstellung des Neugeschäfts der Pensionskasse Dynamit Nobel betroffen war. Dies nutzte Albemarle dazu, erdiente Besitzstände zu garantieren, um für künftige Anwartschaften und Neueintritte einen einheitlichen kapitalmarktorientierten Plan mit geringer Bilanzberührung bei gleichbleibendem Dotierungsrahmen sowie ohne Nachteile für die Beschäftigten (verhindert durch Besitzstandsgarantien) einzuführen.
„… schnelle Entscheidungen, gute Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat, das Know-How und Konstanz im Projektteam … als wesentliche Erfolgsfaktoren.“
Ein Sozialpartnermodell und eine andere Pensionskasse kamen nicht in Betracht, Albemarle entschied sich für eine Direktzusage in Form eines fondsbasierten Vorsorgeplans (arbeitgeberfinanziert mit Garantie und mit optionaler und incentivierter Entgeltumwandlung) in Verbindung mit einer CTA-Konstruktion:
Der Fokus liegt auf den individuellen Beschäftigtenkonten mit der Auszahlung als Einmalkapital und der Option der Raten- bzw. Rentenauszahlung. Bei Auszahlung als Rente wird bei Eintritt des Versorgungsfalls eine RDV gegen Einmalbeitrag abgeschlossen. Von allen Beteiligten werden die schnellen Entscheidungen, die gute Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat und das Know-How und die Konstanz im Projektteam auch nach der Implementierung des Plans als wesentliche Erfolgsfaktoren hervorgehoben. Für das Publikum erstaunlich war die außerordentlich hohe Teilnahmequote von über 90% an der optionalen Entgeltumwandlung.
Die Inflation und die bAV – wo die Musik spielt
Claudia Veh, Aktuarin und Director Deal Advisory Pensionsbei KPMG, läutet die Vorträge zu Inflation und Rentenanpassung ein. Die jüngsten Entwicklungen der Inflationsraten zeigen deren weitere Relevanz, da die monatlichen Inflationsraten im laufenden Kalenderjahr zwar einen klaren Trend nach unten zeigen (von 8,7% im Januar und Februar auf 7,2% im April und – wie zwischenzeitlich bekannt geworden – 6,1% im Mai), sie jedoch immer noch deutlich oberhalb des langfristigen EZB-Ziels von 2% p.a liegen.
„Die Musik spielt v.a. bei laufenden Leistungen.“
Die Inflation führt in der bAV bei aktiven Beschäftigten überall dort zu erhöhten Aufwänden, wo eine Kopplung der zugesagten Leistungen oder der vereinbarten Beiträge an das (aufgrund der Inflation zu erwartende ansteigende) Gehalt gegeben ist. Für mit unverfallbarer Anwartschaft ausgeschiedene Arbeitnehmer ergeben sich für den Arbeitgeber – bis auf sehr eng begrenzte Ausnahmefälle – keine erhöhten Aufwände, da die Anwartschaften regelmäßig statisch sind. Die Musik spielt v.a. bei laufenden Leistungen, wo die Kombination aus unmittelbarer Erhöhung der laufenden Renten und der Anpassung des Rententrends maßgeblich für den mitunter erheblichen Anstieg der Bilanzpositionen ist.
Es folgt auch ein Abstecher speziell zu den Auswirkungen der Inflation auf (rückgedeckte) U-Kassenzusagen, wenn die Überschüsse auf Grund der Inflation nicht zur Rentenanpassung reichen. Die realisierte Subsidiärhaftung wird regelmäßig als direkte Rentenzahlung des Unternehmens mit Bilanzberührung (zumindest nach HGB) und seltener über eine Nachdotierung abgewickelt.
Die Auswirkungen der Inflation können zusammenfassend sehr vielfältig sein, sodass sich jedes Unternehmen einen Überblick über die konkreten Gegebenheiten verschaffen sollte und für die Zukunft inflationsunabhängige Systeme empfohlen werden. Die Inflation verschärft die Versorgungslücke, was allen Beteiligten bewusst sein sollte, wobei die Verantwortung zur Problemlösung auch bei den Unternehmen liegt, schließt Veh.
Rentenanpassung und wirtschaftliche Lage – wohin es geht
Johannes Heiniz von WTW fragt: Quo vadis, lebenslange Rente? Während sich Beschäftigte überwiegend eine lebenslange Rente wünschen, besteht bei den Unternehmen weiterhin das Bestreben eines De-Risking durch Vermeidung des Langlebigkeits- und Inflationsrisikos, so dass der Trend zur Ratenzahlung bzw. zu niedrigeren Renten mit Überschussbeteiligung oder gar schwankenden Zielrenten sowie Anpassungsbegrenzungen auf 1% geht.
„Beide Optionen können den Inflationsdruck auf die Unternehmen entschärfen.“
Damit eine Anpassung rechtmäßig wegen schlechter wirtschaftlicher Lage unterbleiben kann, sind im Vorfeld jedoch Prognoserechnungen notwendig. In diesem Zusammenhang bringt Heiniz zwei theoretische Möglichkeiten einer Flexibilisierung durch spätere Justierungsmöglichkeiten abhängig von der tatsächlichen Entwicklung der wirtschaftlichen Lage ins Spiel: die Rentenanpassung in voller Höhe unter Vorbehalt oder eine zeitliche Verteilung des Anpassungsbedarfs.
Beide Optionen können den Inflationsdruck auf die Unternehmen entschärfen und auch zu mehr Generationengerechtigkeit führen, da bei laufenden Renten ein deutlich höheres Versorgungsniveau vorherrscht, während es bei jungen Beschäftigten aufgrund der Inflation und der 1%-Garantieanpassung sinkt, so der Referent abschließend.
Der vierte und letzte Teil zur Berichterstattung zur aba-Jahrestagung 2023 findet sich zwischenzeitlich auf LEITERbAV hier.
Ende des ersten Teils eines zweiteiligen Beitrages von Lisa Martin und Sven Scholz.
Der zweite Teil des Beitrages findet sich zwischenzeitlich auf LEITERbAV hier.
Lisa Martin ist Juristin bei der H2B Aktuare GmbH.
Sven Scholz ist Aktuar (DAV/IVS) und Senior Consultant bei der H2B Aktuare GmbH.
Von ihnen bzw. anderen Autorinnen und Autoren der H2B sind zwischenzeitlich auf LEITERbAV erschienen:
86. aba-Jahrestagung (V): 86. aba-Jahrestagung (IV): aba-Tagung Mathematische Sachverständige (II): aba-Tagung Mathematische Sachverständige (I): Neulich in Berlin – aba-Jahrestagung 2023 (IV): Neulich in Berlin – aba-Jahrestagung 2023 (III): aba-Tagung Mathematische Sachverständige: Deutschland im Herbst – aba-Mathetagung (III): Deutschland im Herbst – aba-Mathetagung (II): Deutschland im Herbst – aba-Mathetagung (I): Versorgungsausgleich: Deutschland im Herbst – aba-Mathetagung (IV): Deutschland im Herbst – aba-Mathetagung (III): Deutschland im Herbst – aba-Mathetagung (II): Deutschland im Herbst – aba-Mathetagung (I): Neulich in Erfurt: aba-Pensionskassentagung in Bonn (II): aba-Pensionskassentagung in Bonn (I): 81. aba-Jahrestagung in Bonn (III): 81. aba-Jahrestagung in Bonn (II): Die aba neulich in Königswinter (IV): Die aba neulich in Königswinter (III): Die aba neulich in Königswinter (II): Die aba in Königswinter (I): BGH zum Versorgungsausgleich: BMF-Schreiben vom 30. November 2017: aba-Tagung Fachvereinigung Pensionskassen: Neues BMF-Schreiben: BGH zum Versorgungsausgleich:
Von zu lichtendem Nebel …
von Korbinian Kolb und Lisa Martin, 17. Juni 2024
Von Spagaten …
von Lisa Martin und Korbinian Kolb, 10. Juni 2024
Alle für eine …
von Korbinian Kolb, 23. Oktober 2022
Zwischen Hoffnungsschimmer und ...
von Korbinian Kolb, 23. Oktober 2022
Zurück zur Sieben?
von Lisa Martin und Sven Scholz , 28. Juni 2023
Quo vadis, lebenslang?
von Lisa Martin und Sven Scholz , 13 Juni 2023
Kostenlose Vertragsprüfung von Amts wegen
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 24. Oktober 2022
Von DRÜ und doppelten Steuern, von Wiki UND IAS 19 ...
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 21. Oktober 2021
De-Risking mit und ohne EBIT-Power
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 19. Oktober 2021
Alte Welten, neue Welten, dritte Quartale
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 15. Oktober 2021
Karlsruhe konkretisiert Karlsruhe …
von Jan Hartloff, 14. Juni 2021
Rückwirkende Disqualifikation?
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 26. Oktober 2020
Live and let die...
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 21. Oktober 2020
Aktuare pandemiefest
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 16. Oktober 2020
Von 79 Milliarden, Optimisten, Pessimisten …
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 15. Oktober 2020
Altersteilzeit kann Teilzeit sein
von Dr. Günter Hainz, 25. März 2020
Auch rückwirkend Schluss mit Privilegien ...
von Caroline Braun und Günter Hainz, 10. Oktober 2019
Ora live on Stage
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 2. Oktober 2019
Wenn best practices Druck machen…
von Dr. Günter Hainz, 11. Juni 2019
„Kaum mehr zu bewerkstelligen“
von Sven Scholz, 28. Mai 2019
Von Einstandspflichten und Portfolios. Und ein Abschied.
von Caroline Braun, 22. Oktober 2018
Von Vaus und Feldberg
von Caroline Braun, 15. Oktober 2018
„Wir brauchen ein bAV-PEPP“
von Caroline Braun, 2. Oktober 2018
Der Aktuar in der Funktion
von Caroline Braun, 27. September 2018
Was wie zu teilen wäre...
von Jan Hartloff, 24. Mai 2018
Auf BFH folgt AIFM folgt BMF
von Dr. Günter Hainz, 7. Dezember 2017
Kein Strom aus der Steckdose
von Dr. Günter Hainz, 17. Oktober 2017
Zwischen praktikabel und kompliziert
von Dr. Günter Hainz, 28. September 2017
Externe Teilung fondsgebundener Zusagen
von Dr. Günter Hainz, 7. September 2017