Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Kassandra – Die kommentierte Presseschau zur bAV:

Porn to be alive

Unregelmäßig freitags bringt LEITERbAV eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: Neue Weisheiten zur Inflation und zum Rechtsextremismus. Außerdem: Wie Sie jedes Gesetz durchbringen; was weg ist, kommt nicht wieder; Porno statt Pensions! Und: Quo vadis, Rossia?

Summit for a new global financing Pact (23. Juni): „Speech by Christine Lagarde, President of the ECB.“

Neulich in Paris, EZB-Chefin Christine Lagarde spricht. Ein Zitat:

We at the ECB have also made it a priority to take account of climate change, because it affects inflation …“

Was lernen wir daraus? Die Zeiten ändern sich. Früher hieß es mit Nobelpreisträger Milton Friedmann:

Inflation ist immer und überall ein monetäres Phänomen.“

Heute heisst es mit Lagarde:

Inflation ist immer und überall ein klimatisches Phänomen.“

Das heisst natürlich, dass der Zentralbank Einfluss auf (oder: die Schuld an) der Inflation gar nicht so weitreichend ist, wie wir früher an den Universitäten gelernt haben. Bitte merken!

OFF TOPIC – TO WHOM IT MAY CONCERN

Die Zeit (27. Juni): „GEG: Ampel einigt sich bei Heizungsgesetz über letzte offene Punkte.“

GEG zum ersten: Ohne in die Details zu gehen, eine kurze Anmerkung aus liberaler Sicht betreffend den Jubel der FDP (die wie erwähnt stets bemüht ist, in der Ampel das Image als Bremser der Grünen zu pflegen).

Für Liberale gibt es hier nichts zu jubeln. Die weit ausholende Förderung ist nichts anderes als eine Massensubvention, die genau diese Massen mit ihren Steuern selbst finanzieren – manche mehr, manche weniger.

Außerdem ändert die Subvention nichts an der Tatsache, dass Deutschland durch das Gesetz erhebliche industrielle Ressourcen millionenfach in einen Sektor leitet (Sanierung, Installationen, Wärmepumpen etc.), die dann woanders fehlen; in einem Land, dass sich in einer stets verschärfenden Multi-Problemlage befindet, ist das mehr als nur eine Randnotiz.

Daneben sei angemerkt, dass in einem so engen Verkäufermarkt wie der der Wärmepumpen-Industrie eine staatliche Förderung (vulgo: Subvention) sehr schnell nahezu eins zu eins auf die Marktpreise aufsetzen dürfte.

Münchner Merkur (16. Juni): „‘Wir stellen den Protest ein’: Monika Gruber sagt geplante Demonstration in München ab.“

GEG zum zweiten: Wie hatte Politik-Chefberaterin Kassandra jüngst genauer erläutert? Wenn Sie ein ungewöhnlich weitreichendes, gar Ideologie-getriebenes Gesetz durchsetzen wollen, dann müssen Sie erstens einen völlig überzogenen, schon skurrilen Entwurf vorlegen und diesen dann um die schlimmsten Absurditäten bereinigen. Zweitens müssen die vom Gesetz entfalteten Wirkungen einige Jahre in der Zukunft liegen.

Und drittens nicht vergessen: Großzügig ständig neue Almosen oder Hilfen verteilen! Denn es gilt stets: nicht Abgaben senken, sondern Geld verteilen. Das macht zwar rechnerisch keinen Unterschied, doch reagieren die Menschen auf zusätzliches Geld mit mehr Dankbarkeit gegenüber der Regierung als auf geringere Abgaben.

Wenn Sie diese drei Kriterien einhalten, dann können Sie fast alles durchsetzen.

Oben verlinkt direkt ein Beleg für diese These: Die Komikerin Monika Gruber will zunächst keine weiteren Demos gegen das GEG abhalten – wegen der Anpassungen der Politik. Sehen Sie? Klappt!

Die Welt (24. Juni): „Leben mit Kids: Ist Stillen rechtsradikal?“

Gute Frage. Sie müssen den Artikel aber nicht lesen. Denn Kassandra hat – wie immer – die Antwort für die Leserschaft:

Nein. Ist es nicht. Noch nicht. Aber bald.

FAZ (7. März): „So viele Menschen wie nie treten aus Evangelischer Kirche aus.“

ZDF (28. Juni): „Rekordaustritte bei Katholiken: Über halbe Million Menschen verlassen Kirche.“

Kleiner Test zum Wochenende: Was haben die beiden großen Kirchen und der Industriestandort Deutschland gemeinsam?

Richtig: Was einmal weg ist, kommt nicht wieder.

Und jetzt zum Krieg im Osten:

tagesschau (25. Juni): „Wie geht es nach dem Prigoschin-Deal weiter?

Nun, liebe LbAV-Leserschaft, haben Sie den Hauch gespürt? Den Hauch der europäischen Katastrophe, der da aus dem Osten kurz herüber wehte?

Falls nein, hier die Erläuterung:

Seit Beginn dieses grotesk unsinnigen Krieges gibt es in westlichen Medien en masse mental nachvollziehbare, aber politisch nicht ganz sattelfeste Forderungen, Vorschläge, Wünsche oder Träume etc., dass der russische Präsident Vladimir Putin auf irgendeine Art und Weise sein Amt verlöre oder noch besser gleich zu Tode käme. Was danach komme, darüber wurde meist kaum ein Gedanken verschwendet. Nur wenige Beispiele s. hier Die einfachste Weise, wie das endet, ist, wenn jemand Putin umbringt“ oder hier: DAS würde Putin nicht überleben“.

Kassandra hat sich entsprechend gleich zweimal genötigt gesehen, darauf hinzuweisen, dass Stabilität in der internationalen Geo-Politik ein wichtiges Asset ist (und früher auch als solches bei allen Experten Priorität genossen hat). Das Problem betrifft namentlich einen nuklear-hochpotenten, aber ebenso hochfragilen und insuffizienten Chaos-Krisen-Staat wie Russland, den wir Europäer (anders als der raumfremde Akteur USA) in der unmittelbaren europäischen Nachbarschaft haben und immer haben werden.

Diese skurrile Aktion der Wagner-Truppe, was auch immer dahinter steckt (so viele Russland-Kenner, so viele Meinungen) ist von außen nicht zu beurteilen. Doch eines zeigt sie zweifellos: wie fragil und Insuffizient nicht nur der ganze Staat, sondern auch die Regierung Putin in Wirklichkeit ist. Insofern mag die Wagner-Sache zwar einerseits ein Sturm im Wasserglas gewesen sein, andererseits ein klitzekleiner Vorgeschmack dessen, was uns allen droht, wenn dieser marode Atomkoloss im Osten zerfällt.

Zwar sind alle europäischen Staaten geostrategische Krüppel (demographisch, geldpolitisch, aber auch ökonomisch, technologisch und militärisch), doch Obervolta-Russland zählt hier seit jeher zu den besonders schwer erkrankten Kandidaten, wie Kassandra schon mehrfach erläutert hat, zuletzt ausführlich hier.

Für den gleichwohl etwas nonchalanten Umgang mit dieser prekären, nur semi-rationalen nuklearen Geolage stehen auch die vielen deutschen Politiker mit ihrem zuweilen sehr eigentümlichen Krisenmanagement, die in vielen deutschen Talkshows mit Blick auf diesen Krieg davon reden, dass Russland ihn „verlieren“ müsse – was ja angesichts der bemerkenswerten Leidensfähigkeit des russischen Volkes eigentlich nur als vieljähriger Ermattungskrieg/Ermattungssieg geschehen kann. Ob man sich auch bei Lanz, Will & Co langsam klar wird, was eine solche Niederlage Russlands für Konsequenzen haben kann?

Jeder kann sich den Tod Putins oder einer Niederlage Russlands ja gern wünschen, das ist jedem unbenommen. Aber: Es bleibt weiter völlig unklar, wie es nach Putin weiterginge im VielVölker-VielReligionen-VielAtomwaffen-VielKonflikt-VielProblem-Staat Russland. Daher erneut die Warnung Kassandras: Ein Land wie Russland in seiner jetzigen katastrophalen diplomatischen, militärischen und ökonomischen Stress-Situation – ständig taumelnd in der Grauzone zwischen Rationalität und Irrationalität – kann nicht nur irgendwann die taktische Atomwaffe als letzte Option sehen, sondern bei Führerlosigkeit schnell im totalen Bürgerkrieg versinken und sich schnell Syrifizieren oder Balkanisieren. All das natürlich mit nuklearer Begleitmusik.

Ein Bürgerkrieg im 145-Mio.-Atom-Staat-Russland infolge eines verlorenen Ukraine-Krieges oder eines halbgaren Militärputsches wäre ein Jugoslawien hoch 10, plus wild zirkulierender Atomwaffen – ein Szenario, dass zu den schlimmsten Albträumen gehört, die man sich in Ost-, Mittel- und West-Europa überhaupt vorstellen kann und angesichts dessen sogar die jetzige schreckliche Lage sich moderat ausmacht. Ein Zerfall Russlands einschließlich herrenloser Massenvernichtungswaffen würde für ganz Europa Destruktionspotentiale freisetzen, die ohne weiteres das Zeug hätten, die Katastrophe des II. Weltkrieges in den Schatten zu stellen. Hinzu träte wohl unmittelbar eine raumgreifende Intervention Chinas, keinesfalls begrenzt auf die Gebiete östlich des Amur.

Die Wagner-Sache hat gezeigt, dass Europa von der Katastrophe eines Zerfalls Russland möglicherweise nicht allzu weit entfernt ist; das sollte nun wirklich jeder begriffen haben – auch die, die bisher diesen Krieg und diese Geo-Lage nur in den Kategorien von Sieg, Niederlage und Putin-muss-weg denken können.

Jeder sollte wissen: „Stabilität“ als Terminus der Geostrategie ist keine hohle Phrase der Politiker, sondern essentiell für Frieden und Freiheit in einem multi-politischen Großraum wie Europa – zumindest für alle nicht-raumfremden Akteure.

Übrigens: Dass Wagner-Söldner nach dem Halb-Putsch ihre Chefs nun in Brigaden-Stärke in Deutschland um politisches Asyl ersuchen, um als die lang ersehnten Fachkräfte in deutschen Freibädern anzuheuern, ist nur ein Gerücht. Hier kann also Entwarnung gegeben werden.

Und nun zum Schluss das Wichtigste überhaupt:

RTL (20. Juni): Das gibt viel Gestöhne! Sächsische Staatsregierung finanziert Pornoportal: 25.200 Euro aus Steuergeldern für Porno-Seite?!“

Als der Herausgeber von LEITERbAV sich im Jahre 2013 für eine seiner beiden Geschäftsideen entscheiden musste, genau genommen entscheiden musste, womit sich seine künftige, neugegründete Medienplattform denn nun beschäftigen werde (beide seine damals zur Wahl stehenden Ideen begannen mit dem Buchstaben P), hat er sich nach einigem Hin und Her dann doch für das P des Pensionswesen entschieden.

Zumindest unter dem Gesichtspunkt der staatlichen Förderung war das offenbar die falsche Entscheidung.

Das zur heutigen Headline anregende Kulturstück findet sich hier.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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