Quantitative und qualitative Elemente – HBS und ORSA: Felix Hufeld, Chef der BaFin-Versicherungsaufsicht, spricht mit Leiter-bAV.de über alle wichtigen Themen der bAV. Teil III eines mehrteiligen Interviews.
Herr Hufeld, damit sind wir nun bei Europa. Nach dem Rückzug der Europäischen Kommission bezüglich eines an Solvency II angelehnten risikobasierten Eigenkapitalregimes für EbAV und der Ende September bekannt gewordenen Verschiebung des gesamten Richtlinienentwurfs stellt sich bei allen drei Säulen die Frage, wie es mittel- und langfristig weitergeht? Zu Säule I: Wird es beizeiten einen erneuten Vorstoß der Kommission geben, ein risikobasiertes Regime auch für EbAV einzuführen?
Sofern die offenen technischen Fragen gelöst werden können, ist davon auszugehen, dass die EU-Kommission erneut einen entsprechenden Vorstoß machen wird.
Welches Eigenkapitalregime halten Sie als Exekutivdirektor Versicherungsaufsicht denn mittel- und langfristig für EbAV angebracht?
Eine Änderung der derzeit bestehenden Regelungen halte ich nicht für zwingend erforderlich. Die BaFin wird sich weiterhin in die Diskussion über die Überarbeitung der quantitativen Regelungen für EbAV einbringen, auch in den entsprechenden Arbeitsgruppen von EIOPA. Die BaFin wird dabei besonderen Wert darauf legen, dass die in Deutschland bestehenden Sicherungssysteme und Leistungsanpassungsmechanismen gegebenenfalls im Rahmen zukünftiger europäischer quantitativer Regelungen für EbAV berücksichtigt werden.
Die EIOPA plant unverdrossen die Weiterentwicklung des holistischen Bilanzansatzes. Hat der HBS für Sie also auch eine Perspektive?
Die Holistische Bilanz soll gewährleisten, dass alle in Europa vorhandenen Sicherheits- und Anpassungsmechanismen nach einheitlichen Kriterien verglichen werden können. Allerdings hat die Auswirkungsstudie gezeigt, dass derzeit noch nicht beurteilt werden kann, ob dieser an sich attraktive Ansatz in der Praxis tatsächlich umsetzbar ist. Wir müssen darum die Ergebnisse der weiteren Arbeiten von EIOPA abwarten.
Wird der wann auch immer kommende Entwurf der IORP-Richtlinie überhaupt die Säulen II und III behandeln? Und gehen Sie davon aus, dass auf nationaler Ebene wegen Paragraf 64a VAG und MaRisk kein Umsetzungsbedarf mehr bestehen wird?
Auch ein neuer Vorstoß zur IORP-Richtlinie wird nach meiner Erwartung hauptsächlich die Bereiche Governance, Transparenz und Berichterstattung betreffen. Die deutschen EbAV sind in diesen Bereichen bereits gut aufgestellt, insbesondere aufgrund der von Ihnen genannten Regelungen. Aber natürlich werden künftige Regelungen auch Neuerungen mit sich bringen. Wie diese genau aussehen werden, wissen wir noch nicht. Ich rechne aber fest damit, dass die Änderungen sowohl bei den EbAV als auch im Bereich des Aufsichtsrechts Umsetzungsbedarf zur Folge haben werden.
Wird es analog zu den Versicherern auch für EbAV ein Own Risk and Solvency Assessment geben?
Grundsätzlich sollte der ORSA-Prozess auch für EbAV eingeführt werden; dafür hat sich EIOPA ausgesprochen. Da aber gerade bei der Säule I große Uneinigkeit zur richtigen Methodik besteht, stellt sich mir die Frage, wie ein ORSA-Prozess ohne Änderung der Säule I überhaupt mit Leben erfüllt werden könnte. Ich bin jedenfalls der Auffassung, dass die holistische Bilanz über dieses Instrument nicht durch die Hintertür eingeführt werden darf. Umgekehrt sehe ich aber durchaus die Möglichkeit, auch bei EbAV und ohne Säule I einen modifizierten ORSA-Prozess sinnvoll einzuführen.
Wie wollen Sie sicherstellen, dass Säule II und III besonders kleine EbAV nicht überfordern?
Dies soll insbesondere durch den Grundsatz der Proportionalität sichergestellt werden. Eine Überforderung der EbAV sollte schon allein deswegen vermieden werden, um die bAV nicht zu beeinträchtigen. Dies bedeutet aber nicht, und das möchte ich besonders betonen, dass die EbAV mit gar keinen Änderungen rechnen müssen oder sie diese allein aufgrund ihrer geringen Größe nicht umsetzen müssten. Der Grundsatz der Proportionalität bedeutet vielmehr, dass prinzipiell für alle Unternehmen die gleichen Anforderungen und Zielvorgaben gelten. Lediglich die Anwendung dieser Vorgaben muss sich an dem individuellen Geschäftsmodell des jeweiligen Unternehmens orientieren, also die Art, den Umfang und die Komplexität der jeweils eingegangenen Risiken berücksichtigen. Diese Vorgehensweise ist auch für EbAV richtig, denn auch kleine Einrichtungen können großen Risiken ausgesetzt sein. Außerdem haben auch die Versorgungsberechtigten kleiner Unternehmen einen Anspruch auf eine angemessene Beaufsichtigung ihrer Einrichtung.
Es gibt Stimmen, die eine klare Fokussierung der IORP-RL auf EbAV und eine deutliche Abgrenzung vom Versicherungswesen fordern – analog zu den Forderungen auf nationaler Ebene. Wie stehen Sie dazu?
Die Besonderheiten der EbAV und die Unterschiede zwischen EbAV und Versicherungsunternehmen sollten in der IORP-Richtlinie angemessen berücksichtigt werden. Es darf aber kein Zweifel daran bestehen, dass Versicherungsunternehmen und EbAV zahlreiche Gemeinsamkeiten aufweisen. Wo Gemeinsamkeiten bestehen und wo es keinen Grund für eine abweichende Betrachtungsweise gibt, sollten deshalb auch dem Grunde nach gleiche Regelungen zur Anwendung kommen.
Ende des dritten Teils des Interviews.
Der erste Teil findet sich hier.
Der zweite Teil findet sich hier.
Der vierte und letzte Teil findet sich hier.