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Am 1. Mai die kommentierte Presseschau zur bAV:

Kassandra und Pensions wird aus Mut gemacht

Unregelmäßig freitags – heute am Maifeiertag – bringt PENSIONSINDUSTRIES eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: Zwei Kernelemente von Deutschlands oberster Aktuarin in Sachen Altersvorsorge, von nicht großen Würfen, von großen AuM-ATH-Zahlen global, wieviel Schulden die USA wirklich haben – und erste Enttäuschung über das ministerielle Personal.

DAV (30. April): Neue DAV-Vorsitzende zu Reform der Alterssicherung: „Das, was wir sehen, reicht bei weitem nicht.“

Die gestern zur DAV-Vorsitzenden gewählte Susanna Adelhardt hat unmittelbar ihres neuen Amtes gewaltet und am Rande einer Podiumsdiskussion der DAV-Jahrestagung in Bonn die von Schwarz und Rot ausgehandelten Reformansätze in Sachen Alterssicherung kritisiert. „Da ist in weiten Teilen noch nicht der große Wurf zu erkennen, den es braucht.“

Wir sind viel zu spät dran.“

Ungeachtet des grundsätzlichen politischen Willens der Koalitionäre zur Stabilisierung des Alterssicherungssystems sieht Adelhardt Deutschland hinter der Kurve: „Wir sind in Deutschland angesichts des demographischen Wandels viel zu spät dran. Es bedarf daher in dieser Legislaturperiode massiver Anstrengungen und den Mut zu einem wirklich großen Wurf, um die Alterssicherung zukunftsfest zu machen.“

Jedoch gerade dieser Mut, sich auch den unbequemen Fragen zu stellen, fehle im Koalitionsvertrag. Die Ansätze, die genannt sind, behandelten Symptome, nicht die eigentlichen Herausforderungen, so die Aktuarin.

Susanna Adelhardt (re.), DAV.

Adelhardt erkennt an, dass immerhin alle drei Säulen angesprochen werden (alles andere wäre ja auch noch schöner), bemängelt jedoch die Zurückhaltung, etwa zur Ausgestaltung kapitalgedeckter Elemente oder zur Förderung der bAV. In der ersten Säule sieht sie das Problem der Finanzierung weiter wachsen: Auf der Ausgabenseite wird durch die Festlegung des Rentenniveaus der Status quo fortgeschrieben. Andererseits entfällt die Haltelinie beim Beitragssatz. Doch ohne strukturelle Reformen drohe mittelfristig eine deutlich steigende Beitragsbelastung. Dazu kommen künstliche Kostensteigerungen durch die Ausweitung der Mütterrente.

Keine nennenswerten Impulse erkennbar.“

Und unser gewohnt sparsam behandeltes Parkett? Adelhardt: „Zur Förderung und Verbreitung der bAV sind keine nennenswerten Impulse erkennbar, für die private geförderte Vorsorge fehlen konkrete Reformschritte, die eine Neuaufstellung ermöglichen. Aus aktuarieller Sicht ist es wichtig, in allen drei Säulen nachhaltige, verlässliche, aufeinander abgestimmte und auch generationengerechte Lösungen umzusetzen. Es ist ein Grundprinzip zur Umsetzung der Generationengerechtigkeit, staatliche Zuschüsse und Förderungen zielgerichtet und sinnvoll einzusetzen. Das ist nicht erkennbar.“

Positiv: etwa die Bereitschaft, kapitalgedeckte Elemente in der Alterssicherung weiterzuentwickeln, denn daraus könnten sich weitergehende Reformen entwickeln. Immerhin: Auch eine Reform von Riester scheint weiterhin politisch angestrebt zu werden. Jedoch: Die Schlagworte müssten mit klaren Konzepten und darauf abgestimmten Umsetzungsstrategien gefüllt werden, um das komplexe System der deutschen Alterssicherung zukunftsfest zu gestalten, schreiben die Aktuare.

Jedenfalls müssten Transparenz, Einfachheit und faire, zielgerichtete staatliche Förderung im Vordergrund stehen. Wenn der Staat etwa private Vorsorge fördert, müsse Ziel sein, dass er nicht später über die Grundsicherung einspringen muss – lebenslange Absicherung deshalb zwingend nötig; individuelle Auszahlungspläne statt eines kollektiven Risikoausgleichs gehen aus Sicht der DAV am Ziel vorbei.

Adelhardt Fazit: „Es braucht eine systematische Stärkung aller drei Säulen. Dazu zählt auch die GRV. Eine nachhaltige Reform erfordert an dieser Stelle Mut, tatsächlich alle Stellschrauben anzufassen.“ In einem rein umlagefinanzierten System mitten im demographischen Wandel und keiner gesamtgesellschaftlichen Bereitschaft, Leistungen anzutasten oder das Renteneintrittsalter zu erhöhen, blieben nur zwei Stellschrauben: Beitragserhöhungen (die neben Arbeitgebern und Wirtschaftsstandort auch speziell die jüngere Generation treffen), und mehr Steuerzuschuss (die den Staatshaushalt und damit die gesamte Bevölkerung extrem belasten). „Umso wichtiger ist eine zusätzliche Absicherung, betrieblich wie privat.“

Nun, was soll man sagen? Als Verbandsvertreterin kann, darf und sollte Adelhardt nicht über die Stränge schlagen, sie ist ja schließlich keine Kassandra. Zwei Kernelemente ihrer Aussagen: Erstens, dass Deutschland zu spät dran ist, sich wetterfest zu machen. Genau das wird auf dieser Plattform seit ihrem Bestehen beunkt. „Deutschland hat es über viele Jahrzehnte versäumt, die für einen solchen Industriestandort adäquaten Asset Owner und Pensionseinrichtungen zu entwickeln,“ hieß es erst jüngst angesichts des Koalitionsvertrages.

Wir sind wieder wer: Deutschland auf dem Mond! Foto: KI.

Das zweite Kernelement der Aussagen Adelhardts ist der Mut, den sie gleich mehrmals anspricht. Und genau hier sei prophezeit, die sie – wie wir alle – enttäuscht werden wird. Es sei wiederholt: Diese Regierung wird in Deutschland nichts wesentliches verändern und erreichen – das war vor der Wahl klar, nach der Wahl und vor dem Koalitionsvertrag, nach diesem – und das wird es vor der Regierungsbildung wie auch danach sein. Das letzte, was die Protagonisten haben, die sich jetzt an die Regierungsbildung machen, ist Mut. „Weiter-so, irgendwie“, so und nicht anders lautet die Maxime. Der Mut dieser Leute reicht gerade so weit, dass man auf den Mond fliegen möchte – was zur Hölle man da auch immer zu suchen hat.

Boston Consulting Group (29. April): Global Asset Management Report 2025 – From Recovery to Reinvention.“

Wo wir schon bei großen Zahlen sind: BCG hat sich die Arbeit gemacht, die AuM der Asset Manager global zu quantifizieren. Kernaussage: 2024 ATH bei den AuM von 128 Bio. US-Dollar, d.h. plus 12% zum VJ. 70% des Anstiegs kam aus der Performance. Nach Donald dürften es hier und da ein paar Billiönchen weniger sein.

Eine bemerkenswerte Zahl. Und in dem Report findet man sicher so manche Perle (eine genau Auswertung durch die PI-Redaktion muss infolge strategical Overstrechs leider unterbleiben). Dass Pensions hier ein ganz großes Rad dreht, dessen kann man sich aber sicher sein.

Jedoch wie immer bei solchen Studien, welche nicht weniger als die ganze Welt erfassen wollen: Vorsicht an der Bahnsteigkante! Denn es drohen die üblichen Abgrenzungsfragen. Wie hier die AuM sollten an sich halbwegs gut messbar sein – sofern man aufpasst, Doppelerfassungen zu vermeiden.

Sobald es qualitativ komplexer wird, ist man jedenfalls immer wieder erstaunt (im vorliegenden Fall hat Kassandra sich die Arbeit allerdings wie gesagt gar nicht gemacht), welche teils wirklich erstaunlichen Definitionen und Kategorisierungen Eingang in solche Studien finden. Hier auf dem Parkett wissen wir alle, wie vielfältig verästelt allein das deutsche Pensionswesen ist und wie schwammig oft seine Grenzen sind – zwischen den drei Säulen, aber auch an deren Rändern, bspw. zu staatlichen Einrichtungen oder zu privaten Vermögen. Schon die auf diesem Parkett heimischen Experten können stundenlang darüber diskutieren, was man unter welchen Umständen zur Altersvorsorge zählen kann – und zu welcher Säule. Und in anderen Ländern ist die Lage nicht weniger unscharf.

Die zweite Unschärfe betrifft die Kapitaldeckung selbst. Hier wird seit Jahren gemahnt, dass eine Kapitaldeckung, bei der der Staat Staatsschulden in Form von Staatspensionen mit den Staatsschulden bei sich selbst „fundet“ kein Funding ist – gefühlt die halbe Fachwelt aber davon ausgeht. Gutes Beispiel: der japanische Pensionsfonds – der immer wegen seiner Größe gerühmt wird, in Wahrheit zu einem guten Teil doch nur aus heißer Luft besteht. Aber auch Deutschland ist hier bekanntlich gern mit dabei – früher … aber auch heute noch.

Flossbach v. Storch (22. April): „Der US-Staatsanleihemarkt wackelt – fällt er auch?“

Viel ist derzeit die Rede von den US Schulden, deren bedrohliches Ausmaß möglicherweise auch das – im mindesten unglückliche – Handeln von Donald Trump dominieren soll. Man liest viel, man hört viel, man weiß wenig.

Wenn Sie an Daten, Zahlen, Fakten, zu dem Thema interessiert sind, dann werden Sie hier bei FvS fündig.

Angesichts der Dimensionen ist man geneigt, eine Lösung, die ja die ganze Welt braucht, in Kern in einer einzigen Maßnahme zu sehen: QE. Am Ende muss diese Schuldenlast über Notenpresse und Inflation bezahlt werden, wie soll es denn sonst gehen? Und irgendwie muss es ja gehen.

OFF TOPIC – TO WHOM IT MAY CONCERN

Tagesschau (30. April): „SPD-Chef Klingbeil soll neuer Vizekanzler werden.“

Wie oben erneuert, erwartet Kassandra von dieser Bundesregierung bekanntlich ohnehin nicht, dass sie auf irgendeinem Politikfeld in der Lage sein wird, die Herausforderungen Deutschlands am Vorabend des demographischen Zusammenbruchs suffizient anzupacken. Hier hat der Koalitionsvertrag in Sachen Infrastruktur eben dies schon beispielhaft belegt. Und das liegt beileibe nicht nur an der SPD – auch wenn diese wie erwartet trotz ihres erbärmlichen Wahlergebnisses die Union locker über den Tisch gezogen hat und weiter ziehen wird (wozu man allerdings auch kein Einstein sein muss).

Doch wenn schon diese Regierung, denn schon. Will sagen, dass sie dann wenigstens personell im Rahmen ihrer Möglichkeiten gut aufgestellt sein sollte.

Doch genau dies darf man getrost bezweifeln. Dass jemand wie Wadepuhl Außenminister wird, also jemand, der sich, wie hier am Rande einer BaFin-Sache berichtet, schon von russischen Komikern in einer sensiblen Sache aufs Glatteis führen ließ, muss Sorge bereiten. In einer Zeit, in der Deutschland und Europa nach wie vor am Rande einer nuklearen Geo-Lage entlang lavieren, will man solchen Leuten das Auswärtige Amt anvertrauen? An der Skepsis ändert auch nichts, dass vorher nichts besser war (auch seine beiden Vorgänger im Amt würden vermutlich ohne weiteres selbst zugeben, dass ihre Stärken ebenfalls nicht gerade zuvorderst in Intellektualität und Raffinesse lagen).

Und neben diplomatischem Geschick, eher noch vor diesem, ist es gerade Raffinesse, die explizit in diesen Zeiten auf dem internationalen Parkett gefragt ist.

Umgekehrt verdichtet sich weiter, dass BMAS und BMF gleichermaßen in SPD-Hand sein sollen. Auch das kann man kritisch sehen. Die SPD will vermutlich keinesfalls darauf verzichten, die großen neuen Geldtöpfe, die Merz freundlicherweise möglich gemacht hat, persönlich zu verwalten und zu verteilen.

Wie dem auch sei, Klingbeil ist weltanschaulich stramm links und bisher als Finanzpolitiker noch nicht in Erscheinung getreten – eine denkbar schlechte Kombination für das Amt. Kassandra hätte es jedenfalls bevorzugt, das BMF wäre in einer halbwegs strengen CSU-Hand, und die SPD hätte dafür das Außenministerium erhalten. Klingbeil ist vielleicht auch kein Außenpolitiker, dafür aber wenigstens schlau. Und ein schlauer Außenminister ist das, was Deutschland jetzt gut brauchen könnte. Wo er weltanschaulich steht, ist dabei fast egal. Man ist ja als Bürger bescheiden geworden.

Kassandra auf dem 1. Mai. Foto: KI.

Übrigens: Sollte Saskia Esken wie kolportiert tatsächlich Arbeitsministerin werden, darf man gespannt sein, ob dann der Fokus der Vorsorgepolitik in Deutschland sich wieder ganz auf die erste Säule fokussiert. Auffallend ist jedenfalls, wie wenig man dieser Tage von Hubertus Heil, in der SPD alles andere als ein Leichtgewicht, hört. Hält er sich aus taktischen Gründen zurück? Oder hat er sich schon längst selbst abgeschrieben? Wer weiß, wir werden sehen…

Das zur heutigen Headline anregende Kulturstück findet sich hier.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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