Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Erneuerbare Energien auf dem Dach der Pensionskasse:

Immun statt Infektion

Mit Verzögerung hat das BMF eine steuerrechtliche Altbaustelle geschlossen: die Gefahr der gewerblichen Infizierung einer EbAV, nur weil sie auf ihren Dächern und Böden Energie erzeugt. Allerdings wird auch hier wie so oft erst die gelebte Praxis letzte Unklarheiten beseitigen. Damit also so gut wie alles in Butter? Nein, keineswegs, wie Roberto Cruccolini und Cornelia Schmid im Gespräch mit PENSIONSINDUSTRIES erläutern.

Cornelia Schmid, Roberto Cruccolini, endlich: Mit Schreiben vom 21. November 2023 „Fachdialog ‚Stärkung der Betriebsrente‘; Ausbau von Photovoltaik-Anlagen und E-Ladesäulen bei steuerbefreiten Altersvorsorgeeinrichtungen sowie Fragen zur Bagatellgrenze“ hat das BMF jetzt klargestellt, dass EbAV auf ihren Gebäuden und Flächen Photovoltaik und E-Ladesäulen mit Erträgen betreiben können, ohne die Körperschaftssteuerbefreiung zu riskieren. Was genau ist darin geregelt?

Schmid: Das Schreiben stellt klar, dass Anleger mit der Steuerbefreiung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG wie Pensionskassen, U-Kassen und auch kommunale Zusatzversorgungskassen, für die diese Regelungen regelmäßig einschlägig sind, auf bzw. an ihren Gebäuden Photovoltaik-Anlagen und auch E-Ladesäulen betreiben dürfen und dass die Einnahmen als Teil der steuerbefreiten Anlagestrategie erfasst sind. Das BMF-Schreiben steht im aba-internen Mitgliederbereich.

Cornelia Schmid, aba.

Cruccolini: Das ermöglicht nun endlich systematisch in der Immobilien-Direktanlage den Ausbau der PV-Anlagen ohne teure Notlösungen (wie Verpachtungen der Dachflächen). Bislang gefährdete bspw. der mögliche Verkauf von Strom aus den PV-Anlagen an den Netzbetreiber oder die Mieter die Steuerbefreiung dieser Einrichtungen. Die Thematik, dass eine einzelne „falsche“ Anlage die Steuerbefreiung insgesamt gefährdet, ist auch unter dem nicht ganz zutreffenden Begriff der „gewerblichen Infizierung“ bekannt. Immerhin, für diesen konkreten Fall ist das Problem gelöst.

Dazu hat es über Jahre viele Stellungnahmen Ihrer Verbände gebraucht – Warum hat das so lange gedauert?

Schmid: aba und AKA sind dem BMF und den Ländern wirklich dankbar für dieses Schreiben, auch wenn wir lange auf die dringend benötigte Klarstellung gewartet haben. Die Komplexität des Steuerrechts und seine Systematik wie die Wechselwirkungen mit verschiedensten anderen u.a. wettbewerbsrechtlichen Fragen sind ja auch eine Herausforderung. Mit Blick auf Stromerzeugung und -verkauf muss das BMF natürlich die wettbewerbsrechtlichen Aspekte mit privaten Stromerzeugern im Auge behalten. Bei PV-Anlagen auf Immobilien von Altersversorgungseinrichtungen handelt es sich aber ja um einen natürlich begrenzten Nebenaspekt der Immobilienbewirtschaftung und nicht um Konkurrenz zur Stromwirtschaft.

Aber es ist richtig, dass wir seit Herbst 2022 immer wieder auf das konkrete Problem der „Gefährdung der Steuerbefreiung durch PV-Anlagen auf Immobilien“ hingewiesen haben, damit der Ausbau von PV-Anlagen voranschreiten kann und auch der Erwerb von diesen Immobilien nicht behindert wird; bspw. mit den Beiträgen zum Fachdialog „Stärkung der Betriebsrente“ von aba und AKA im November 2022.

Cruccolini: Auf die Grundproblematik, dass es relevante aufsichtsrechtlich zulässige Vermögensanlagen gibt, welche die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG gefährden können, haben wir bereits Anfang 2017 hingewiesen. Zu nennen sind hier bspw. Beteiligungen an in- oder ausländischen Private Equity- oder geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft und ausländischer Pendants. Überschreitet die Aktivität der Personengesellschaft die Grenzen der privaten Vermögensverwaltung, da die Leistungen über die typische Fruchtziehung hinausgehen, so besteht eine Unsicherheit hinsichtlich der Unschädlichkeit für die Steuerbefreiung.

Seit Juni 2017 hat das BMF in einem Schreiben daher auch unter anderem für die hier genannten Fälle eine sogenannte „5%-Bagatellgrenze“ geregelt, die vor dem dem Verlust der Steuerbefreiung schützt. Auch dieses BMF-Schreiben steht im aba-internen Mitgliederbereich.

 

 

Das grundsätzliche Problem vieler steuerbefreiten Einrichtungen und die damit verbundenen Fragen bleiben bestehen.“

 

 

Nun ist mit dem neuen BMF-Schreiben vom 21. November 2023 zumindest das ganz konkrete und drängende Problem zum Thema PV-Anlagen und E-Ladesäulen weitgehend gelöst. Das grundsätzliche Problem vieler steuerbefreiten Einrichtungen und die damit verbundenen Fragen bleiben aber weiterhin bestehen. Leider gibt es weiterhin viele Baustellen und steuerliche Abgrenzungsfragen von vermögensverwaltender zu gewerblicher Tätigkeit in der ganz normalen Kapitalanlagetätigkeit einer Altersversorgungseinrichtung. Man denke v. a. an ganz konkrete Aspekte bei der Immobilienverwaltung und bei professionell gemanagten Beteiligungsinvestitionen.

Ist aber der Sachverhalt rund um PV-Anlagen und E-Ladesäulen jetzt abschließend geregelt? Oder gibt es weiter Unklarheiten, Stolperfallen, Tretminen, die den Ausbau von PV-Anlagen weiterhin bremsen könnten? Müssen Pensionskassen nun bestimmte Maßnahmen ergreifen? Gilt es, Anträge auszufüllen und Genehmigungen einzuholen? Oder können sie einfach mit der Installation drauf loslegen?

Cruccolini: Der Grundsatz steht, und das ist gut. Der Betrieb von PV-Anlagen auf Dächern und auch an Balkonen und der Stromverkauf an den Netzbetreiber, Mieter oder über E-Ladesäulen dürfte sehr klar erfasst sein. Und die Einnahmen daraus sind steuerfrei, da sie Teil der persönlich steuerbefreiten Anlagestrategie sind. Erfreulich ist auch, dass die PV-Anlagen ohne quotale Beschränkung der Leistung oder des zu verkaufenden Stroms installiert und betrieben werden dürfen.

Roberto Cruccolini, AKA.

Schmid: Fragen wird es – wie so oft in der Praxis – immer geben. Was ist z.B. mit den zum Haus zugehörigen überdachten Parkplätze mit PV-Anlagen und nicht unmittelbar am Gebäude befindlicher E-Ladesäulen? Es liegt nahe, dass das auch erfasst sein soll. Hier muss sich etwas Praxis etablieren.

Cruccolini: Wichtig für die Praxis ist: Das Schreiben ist mit den obersten Finanzbehörden der Länder erörtert. Auf jeden Fall muss man jetzt keine Anträge oder ähnliches ausfüllen oder Genehmigungen einholen, dass man etwas machen darf. Ob man vor geplanten Investitionen zur Sicherheit eine Abstimmung mit den Finanzbehörden sucht, ist natürlich eine andere Frage.

Hat es in der Vergangenheit Fälle gegeben, in denen Pensionseinrichtungen wegen solcher Installationen der Körperschaftsteuer unterworfen wurden? Und falls ja, wird das nun rückgängig gemacht?

Cruccolini: Solche Fälle sind uns nicht bekannt – aber das Problem liegt ja darin, dass es eben keine Pensionskassen oder Zusatzversorgungskasse wirklich darauf ankommen lassen wollte, solche „falschen“ Investitionen zu tätigen und dadurch ihre Steuerbefreiung zu verlieren. Das Risiko war einfach zu groß, und daher wurde es eben gar nicht gemacht – etwas vereinfacht gesagt.

 

 

Kernfrage ist: Warum droht diese Sanktion für Vermögensanlagen, die aufsichtsrechtlich zulässig sind?“

 

 

Schmid: Selbst wenn kein Verlust einer Steuerbefreiung erfolgte, bedeutet dies nicht, dass hier kein Problem vorlag. Die Altersversorgungseinrichtungen halten sich an die gesetzten Rahmenbedingungen – und die drohende Sanktion „Verlust der Steuerbefreiung“ ist drakonisch. Die Kernfrage ist: Warum droht diese Sanktion für Vermögensanlagen, die aufsichtsrechtlich zulässig sind?

Rechnen Sie damit, dass steuerbefreite Pensionskassen nun im großen Ziel von den neuen Freiheiten Gebrauch machen werden? Ist das ein lukratives Modell, das es zu nutzen gilt?

Schmid: Potential zum Ausbau von PV-Anlagen auf Immobilien ist bei vielen Altersversorgungseinrichtungen vorhanden. Sehr anschaulich verdeutlichte dies Gregor Asshoff, Vorstand der SOKA-BAU, in seinem Kommentar in der BetrAV am 15. März 2023: Demnach kann die SOKA-Bau mit 8.500 Wohneinheiten ca. 100.000 m2 Dachfläche mit PV-Anlagen ausstatten und dadurch etwa 8 Mio. kWh Strom jährlich erzeugen.

 

 

Die Entwicklung hätte zunehmend normale Immobilientransaktionen erschwert, wenn Sie immer im Blick haben müssen, dass keine PV-Anlage oder E-Ladesäule dabei ist oder diese sofort stillgelegt werden müsste.“

 

 

Cruccolini: Ich habe von einigen Altersversorgungseinrichtungen klare Bekenntnisse zum Ausbau der PV-Anlagen auch im Interesse eines Beitrags zur Energiewende mitbekommen. Wie stark das Thema nun bald an Fahrt aufnimmt, dazu fällt mir die Einschätzung sehr schwer.

Mir geht es aber auch um den Punkt, dass nun eine systematische Hürde abgebaut wurde, die diese Gruppe der steuerbefreiten Anleger am Immobilienmarkt zunehmen in Bedrängnis gebracht hätte – die Solargesetze der Länder sehen zunehmend Pflichten zum PV-Ausbau vor, die nur unter ineffizienten Notlösungen hätten umgesetzt werden können. Und die Entwicklung am Immobilienmarkt (PV-Anlagen als Standard) hätte zunehmend normale Immobilientransaktionen erschwert, wenn Sie als Anleger immer im Blick haben müssen, dass bloß keine PV-Anlage oder E-Ladesäule dabei ist oder diese sofort stillgelegt werden müsste.

Schmid: Auch politisch ist es ein wichtiger Fortschritt. Das Thema „Sustainable Finance“ beschäftigt die Altersversorgungseinrichtungen sehr, und nun können sie endlich – ohne Umwege und im Interesse aller – einen weiteren, konkreten Beitrag bei ihren Immobilien zu Nachhaltigkeit und zur Energiewende leisten, den sie seit Jahren leisten wollen.

Dr. Cornelia Schmid ist stellv. Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung aba in Berlin und betreut dort die Fachvereinigungen Pensionskasse und Pensionsfonds, den Fachausschuss Kapitalanlage und Regulatorik, die Europaarbeit sowie den Bereich Statistik.

Dr. Roberto Cruccolini ist Leiter Fachbereich Wirtschaft der AKA (Arbeitsgemeinschaft kommunale und kirchliche Altersversorgung) e.V. in München.

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