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Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Kassandra:

Die kommentierte Presseschau zur bAV

Regelmäßig Freitags – heute ausnahmsweise am Montag – bringt LEITERbAV eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: Kurze Wege in Köln. US-Knast macht sinnlich. Und siehst du nicht die Schrift dort an der Wand?

Finanzgericht Köln (16. Oktober): „Vorlage des FG Köln zum BVerfG: Rechnungszinsfuß von 6% für Pensionsrückstellungen verfassungswidrig?“

Die Wege von der Kölner Universität zum Kölner Finanzgericht scheinen kurz zu sein. Nachdem vor gut einem Jahr Johanna Hey, Professorin an der Universität zu Köln am Rhein, gemeinsam mit Prof. Sascha Steffen (ZWE und Universität Mannheim) in einem Gutachten zu dem Schluss gekommen ist, dass der hohe steuerliche Diskontsatz von sechs Prozent des Paragrafen 6a EStG verfassungswidrig sei, hat der 10. Senat des FG Köln am 12. Oktober „beschlossen, das Klageverfahren 10 K 977/17 auszusetzen und eine Entscheidung des BVErfG über die Verfassungsmäßigkeit des Rechnungszinsfußes einzuholen“ (die FAZ hatte in ihrer Printausgabe bereits über das Verfahren berichtet).

In dem Heyschen Gutachten hieß es seinerzeit:

Als gesetzliche Typisierung muss Paragraf 6a EStG den gleichheitsrechtlichen Anforderungen an verfassungskonforme Typisierungen entsprechen. Elementar ist die Realitätsgerechtigkeit der Typisierung. Eine differenzierte Betrachtung möglicher Referenzzinssätze ergibt, dass für den Gesetzgeber nicht nur eine Überprüfungspflicht, sondern eine verfassungsrechtliche Anpassungspflicht besteht, deren Nichtbefolgung gegenwärtig zur Verfassungswidrigkeit von Paragraf 6a Abs. 3 Satz 3 EStG führt.“

Die Politik verweigert bekanntlich auch im Zuge der bAV-Reform nach wie vor, den steuerlichen Diskontsatz so anzupassen, dass dieser mit dem in der Handelsbilanz anzusetzenden Satz gemäß Paragraf 253 HGB infolge der Niedrigzinsphase nicht ständig weiter auseinanderfällt. Mit Umsetzung der Mobilitätsrichtlinie in nationales Recht hat man zwar seinerzeit den Zeitraum zur Berechnung des handelsrechtlichen Zinses von sieben auf zehn Jahre ausgedehnt (und damit vor allem die Problematik in die Zukunft verschoben). Die weiland von der Bundesregierung zugesagte Prüfung des 6a EStG hatte jedoch kein weiteres Ergebnis gezeigt.

 

OFF TOPIC – TO WHOM IT MAY CONCERN

Zeit.de (18. Oktober): „Cum-Ex-Skandal: Steuerräuber verklagen den Staat.“

Ein US-Pensionsfonds, der in Cum-Ex-Geschäfte verwickelt war, klagt gegen das Bundeszentralamt für Steuern, berichtet das Hamburger Blatt.

Einfaches Gedankenexperiment: Man stelle sich vor, der Fonds hätte ein solches Verhalten gegenüber dem US-Fiskus an den Tag gelegt (was er vermutlich niemals tun würde). These: Ein kleiner Wink des zuständigen Bezirks-Staatsanwaltes mit einer strafrechtlichen Klärung des Sachverhaltes vor einem Geschworenengericht würde reichen, die Fondsverantwortlichen reumütig nicht nur auf die Klage zu verzichten zu lassen, sondern im Gegenteil schon erhaltene Steuern aus diesen Geschäften gern und vollumfänglich nachzuzahlen.

Das eilfertige Verhalten – übrigens namentlich europäischer – Banken in und nach der Finanzkrise als auch das deutscher Automobilunternehmen in der Gegenwart ist beredter Beleg für diese These. Die Aussicht auf internationalen Haftbefehl, persönlichen Auftritt vor einem texanischen Geschworenengericht mit anschließender Haft in US-Strafanstalten hat schon viele europäische Topmanager schnell sinnlich gemacht – und die Angelegenheit mit viel Aktionärsgeld bereinigen lassen.

In der Bundesrepublik Deutschland ist das völlig anders. Bis in höchste Kreise hat die Politik dem Cum-Ex-Treiben jahrelang zugeguckt und es sehenden Auges zumindest gebilligt. Wie soll man da von einem US-Fonds in dieser Frage Unrechtsbewusstsein verlangen?

Wer mehr zu dem unfassbaren, schon kriminell anmutenden Staats- und vor allem Politikversagen und zu den gigantischen Summen in der Sache CumEx und CumCum wissen will, findet in der Zeit einen guten Bericht hier.

Irgendwelche Konsequenzen für die Verantwortlichen? Wie hierzulande üblich: keine.

 

Die Welt (15. Oktober): „Warum stürzt niemand Horst Seehofer?

Bayerischer Rundfunk (19. Oktober): „Seehofer ist von Tillichs Rücktritt überrascht.“

Im Zuge der Jamaika-Diskussion hatte Kassandra vor ein paar Wochen geunkt, dass die SPD, nachdem sie nun vermutlich das einzig Richtige tun und ihr verwaschenes Profil in der Opposition schärfen wird“ dafür vielleicht bei der Niedersachsenwahl vom Wähler schon belohnt werden könnte. Das gute Ergebnis der Partei spricht jedenfalls nicht gegen diese These.

Auch spricht der Ausgang der Niedersachsen-Wahl nicht gegen die alte und stetig gepredigte kassandrische Behauptung vom Niedergang der Union infolge der simplen Strategie Angela Merkels, ihre Partei zu sozialdemokratisieren und gleichzeitig ihr Profil bis zur Unkenntlichkeit zu schleifen.

Quantitativ messbar, so unkte Kassandra stets, wurde die Fehlsteuerung Merkels besonders bis vor der letzten Saarlandwahl, als Merkel Landtagswahlen gleich im Dutzend verlor, die Bedeutung der Union in Ländern, Bundesrat, Städten und Gemeinden auf ein Minimum herabgesunken war und sich ihre Gestaltungsmöglichkeiten fast nur auf eine sozialdemokratische dominierte große Koalition im Bund beschränkte – und selbst diese hielt nur, weil der SPD die Chuzpe fehlte, die R2G-Mehrheit im Bundestag zu nutzen und Sigmar Gabriel beispielsweise auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 zum Bundeskanzler zu wählen.

Und nun könnte sich zeigen, dass die Erfolge der Union im Saarland und in NRW nichts als kleine Zwischenhochs im Niedergang waren, die sofort ausbleiben, wenn die SPD sich nur halbwegs klug verhält – wie sie es jetzt mit dem Verzicht auf eine große Koalition getan hat.

Gewagte These: Wenn die Union ihren Kurs mit Merkel fortsetzt, sich mit Jamaika weiter der totalen Beliebigkeit hingibt und gleichzeitig die SPD sich personell erneuert und ihr Profil in der Opposition schärft – und zwar ohne den wenig geschickten und völlig charismafreien Martin Schulz – zeichnet sich für die Sozialdemokratie schon heute ein Sieg im Bund 2021 ab.

Die Schrift an der Wand wird dabei immer sichtbarer. Der Rücktritt Stanislaw Tillichs, ohne dass für den erst 58jährigen hierzu ein unmittelbarer Druck bestand, ist ein echtes Menetekel. Hier hat einer keine Lust mehr, und er zeigt es.

Nagelprobe to come ist ohnehin die bayerische Landtagswahl 2018. Und Kassandra bleibt dabei: Wenn in Berlin Jamaika kommt, wird die CSU in München 2018 die absolute Mehrheit verlieren, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Der insuffiziente Seehofer muss sich entscheiden, ob er es sein will, der diese Wahl verlieren wird. Tillich hat für Sachsen jedenfalls schon gezeigt, dass er es nicht sein will (am Rande sei bemerkt: Wenn – wie zuweilen zu lesen – die CDU tatsächlich glauben sollte, mit Thomas de Maizière ausgerechnet in Sachsen künftig Wahlen gewinnen zu wollen, fragt man sich, wie weit die Realitätsverweigerung in dieser Partei schon fortgeschritten ist).

Seehofer hat sein Verfallsdatum ohnehin längst überschritten, der verlinkte Welt-Artikel (erschienen VOR dem Tillich-Rücktritt), belegt das nochmal überdeutlich. Daher wäre es für den Vater der bAV-Doppelverbeitragung persönlich das klügste, seinen sowieso absehbaren Rückzug etwas vorzuziehen und die üble strategische Gemengelage der CSU schlicht den von ihm ungeliebten Kronprinzen Markus Söder ausbaden zu lassen. Ob Seehofer den Weitblick und den Ruck hat, diesen Schritt zu gehen, bleibt abzuwarten. Aus der Zwickmühle, in die er die CSU geführt hat, kommt er jedenfalls nicht mehr heraus. Dass laut bayerischem Rundfunk Seehofer von Tillichs Rückzug überrascht sein will, spricht dafür, dass er die Schrift an der Wand offenbar wirklich nicht sieht.

World Economic Forum (26. September): „The Global Competitiveness Report 2017–2018.“

Die Schweiz ist das wettbewerbsfähigste Land der Welt, so der Report. Und das ganz ohne die beiden großen Monstranzen, die hierzulande stets hoch gehalten werden: Mitgliedschaft in der Europäischen Union und Teilnahme an der gemeinsamen Währung Euro.

Klein, allein, mit eigener Währung und wettbewerbsfähigste Land der Welt – so etwas dürfte es nach Meinung einiger Brüsseler und Berliner Apologeten eigentlich gar nicht geben.

Auf Platz zwei die USA, ebenfalls allein und mit eigener Währung, allerdings gigantisch groß. Auf Platz drei ein ostasiatischer Stadtstaat, bei dem jeder Vergleich mit westlichen Flächenstaaten hinkt.

Immerhin, die Niederlande als erster EU-Staat auf Platz vier, Deutschland auf Platz fünf. Ob diese guten Platzierungen trotz oder wegen EU und Euro errungen werden konnten, muss jeder Leser für sich selbst entscheiden.

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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