Dass das Planvermögen einer Zusage den Wert der Steuerrückstellung überschreitet, verwundert in diesen Jahren nicht. Wie damit bilanziell umzugehen ist, wenn ein neuer Arbeitgeber dieses Planvermögen übernimmt, mussten ein Unternehmen und die Finanzverwaltung von einem Finanzgericht entscheiden lassen, berichtet Michael Gerhard, und konstatiert Rechtsunsicherheit.
Wird eine Zusage von einem Arbeitgeber übernommen, kann für den Differenzbetrag aus dem übertragenen Vermögenswert und dem in der EStG-Bilanz zu bildenden Rückstellungsbetrag nach Ansicht des FG Nürnberg eine gewinnmindernde Rücklage gebildet werden (Urteil vom 10. August 2021 – 1 K 528/20). Erledigt ist die Sache damit aber noch nicht. Im Einzelnen:
Mehr als 70.000 Euro überdeckt …
Das Finanzgericht hatte über folgenden Fall zu entscheiden: Im Jahr 2014 übernahm eine GmbH diejenige Zusage auf Leistungen der bAV, die ihrem neu eingestellten Gesellschafter-Geschäftsführer (GGF) von dessen Vorarbeitgeber erteilt worden war.
Von diesem erhielt die GmbH hierfür Vermögenswerte, die jedoch die Pensionsrückstellung, die in der folgenden Ertragssteuerbilanz für die Verpflichtung gebildet wurde, um mehr als 70.000 Euro übertraf. Für diesen sogenannten Erwerbsfolgegewinn bildete die GmbH eine Rücklage nach § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG, die sie jährlich zu je einem Fünfzehntel auflöste.
… doch eine Rücklage will das Finanzamt nicht zulassen
Die Bildung dieser Rücklage wurde im Rahmen einer späteren Betriebsprüfung nicht anerkannt. Die Finanzverwaltung argumentierte, dass im vorliegenden Fall Satz 5 der betreffenden Bestimmung gar nicht einschlägig sei: Dieser beziehe sich nach Ansicht der Finanzverwaltung nur auf Regelungen, die nicht den Fall der Verpflichtungsübernahme bei einem Arbeitgeberwechsel betreffen, sondern Schuldübernahmen anderer Art (wie zum Beispiel Schuldbeitritte und Erfüllungsübernahmen).
Vielmehr sei die Übernahme einer Pensionsverpflichtung in Satz 4 geregelt. Dieser enthält in den Augen der Finanzverwaltung eine abschließende Regelung zur steuerlichen Behandlung von übertragenen Vermögenswerten bei einer Rückstellungsbildung nach einem Arbeitgeberwechsel. Die fehlende Möglichkeit eine Gewinnrücklage zu bilden und anschließend ratierlich aufzulösen, entspricht gemäß Finanzverwaltung auch der Systematik des EStG. Diese würde – im Fall des Arbeitgeberwechsels – auch bei der abgebenden Firma eine Verteilung eines eventuell entstehenden Aufwands ausdrücklich ausschließen (siehe § 4f Abs. 1 Satz 3 EStG).
Das Gesetz kennt keinen Gleichklang
Dieser Auffassung wollte sich das FG nicht anschließen. Es kam durch Auslegung der gesetzlichen Regelung zu dem Ergebnis, dass sich die Möglichkeit, eine Rücklage zu bilden, durchaus auch auf den Fall der Übernahme einer Versorgungszusage bei einem Arbeitgeberwechsel bezieht.
„Neben dem formalen Argument spricht nach Ansicht des Finanzgerichts auch der Gesetzeszweck dafür, dass eine Rücklagenbildung zulässig ist.“
Vielmehr ist der in Satz 4 geregelte Fall des Arbeitgeberwechsels von der allgemeinen Anwendung der vorherigen Bestimmungen zur Gewinnverwendung umfasst, auf die bei der Regelung zur Gewinnrücklage Bezug genommen wird.
Neben diesem formalen Argument spricht nach Ansicht des FG aber auch der Gesetzeszweck dafür, dass eine Rücklagenbildung zulässig ist. Ziel der gesetzlichen Regelung ist demnach, die Portabilität einer bAV nicht zu behindern. Dem wird mit der Möglichkeit, einen Gewinn ratierlich auflösen zu können, in den Augen des FG Rechnung getragen. Die Übernahme von Versorgungsverpflichtungen ist so für den neuen Arbeitgeber verkraftbar.
Das Gericht widersprach zudem der Auffassung der Finanzverwaltung, wonach es sozusagen einen systematischen Gleichklang von § 4f EStG und § 5 EStG im Hinblick auf Regelungen zum Arbeitgeberwechsel geben müsse. Ein solcher Gleichklang ist nach Ansicht des FG im Gesetz nicht vorgesehen.
Fazit …
Wird für die Übernahme einer Versorgungszusage ein Vermögenswert gezahlt, der den steuerlichen Rückstellungsbetrag übertrifft, dürfte dies im Wesentlichen seine Ursache darin haben, dass die Pensionsrückstellung nach § 6a EStG zwingend mit einem Rechnungszins von sechs Prozent p.a. – also einem derzeit unangemessenen Zins – zu bilden ist.
Erwerbsfolgegewinne, die dabei entstehen, sind somit Scheingewinne. Wenn die auf solche Scheingewinne entfallende Steuerlast – bei einer entsprechenden ratierlichen Auflösung einer Rücklage – gemindert bzw. verteilt werden kann, ist das zu begrüßen.
Jedoch: Ob das Urteil des FG Bestand haben wird, bleibt abzuwarten. Das Verfahren ist inzwischen unter dem Zeichen XI R 24/21 beim BFH in Revision anhängig.
… und was zu tun ist
Bezüglich der Bildung einer Rücklage nach § 5 EStG im Zusammenhang mit der Übertragung einer Pensionsverpflichtung besteht derzeit Rechtsunsicherheit.
„Im Falle einer Rücksprache mit dem jeweils zuständigen Finanzamt dürfte das Ergebnis von vornherein feststehen.“
Bei der Beantwortung der Frage, ob eine solche Rücklagenbildung vorgenommen oder darauf verzichtet werden soll, sind die Unternehmen auf sich gestellt. Im Falle einer Rücksprache mit dem jeweils zuständigen Finanzamt dürfte das Ergebnis von vornherein feststehen. Denn die im vorliegenden Fall vertretene Haltung des Finanzamts ist – wie vor Gericht vorgetragen wurde – in der Finanzverwaltung bundesweit abgestimmt.
Wie der BFH in letzter Instanz entscheiden wird, dürfte vor dem Hintergrund, dass es zu dieser Thematik in der einschlägigen Kommentierung auch bisher kontroverse Einschätzungen gab, nicht ohne Weiteres vorhersehbar sein.
Der Autor ist Aktuar (DAV) im Versorgungsträger-Management der Longial.
Von ihm bzw. anderen Autorinnen und Autoren der Longial sind zwischenzeitlich auf LEITERbAV erschienen:
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Urteil zum Versorgungsausgleich:
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Von der Ertragssteuerbilanz zum Erwerbsfolgegewinn:
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