Berlin-Mitte, erster Tag der diesjährigen aba-Tagung, die wie üblich an zwei Tagen stattfindet. Die Agenda wie stets prägnant, die Referenten standesgemäß, die Inhaltsdichte hoch. Heute zum Auftakt der mehrteiligen LbAV–Berichterstattung der „Bericht zur Lage“ des aba-Vorsitzenden. Und der hatte viel anzusprechen.
„Die Bundesregierung hat sich die Stärkung der bAV auf die Fahnen geschrieben. Jetzt müssen den Worten auch Taten folgen. Es ist Zeit für ein Betriebsrentenstärkungsgesetz II“, forderte Georg Thurnes, Vorsitzender der aba. Der – jüngst abgeschlossene – mehrmonatige Fachdialog beim BMAS habe den Handlungsbedarf aufgezeigt und Vorschläge für eine Stärkung der Betriebsrente geliefert. Diese gelte es schnell umzusetzen, so Thurnes auf der auf der 85. aba-Jahrestagung in Berlin.
Es fehlt schlicht der Wille
Allerdings sparte der aba-Chef trotz Zustimmung zu dem Fachdialog im BMAS nicht mit scharfer Kritik an der Politik:
„Schon jetzt zeichnet sich ab, dass in den letzten Monaten nicht wirklich neue Erkenntnisse gewonnen wurden. All diejenigen fühlen sich bestätigt, die schon immer vermutet haben, dass wir kein Erkenntnisproblem haben. Es fehlt vielmehr am Willen und an der Stärke, auf der Basis dieser Erkenntnisse zielführende Reformen durchzuführen.“
Thurnes kritisierte weiter, dass keine ehrliche Bestandsaufnahme zu allen drei Säulen an den Beginn des Beratungsprozesses gestellt worden sei, offenbar sieht er eher Kraut und Rüben:
„Da werden zwei Rentenpakete für die gesetzliche Rente geschnürt, isoliert davon findet für die bAV ein Fachdialog statt und in Sachen privater Vorsorge tagt eine Fokusgruppe. Hinzu kommen dann noch ein Zukunftssicherungsgesetz und Verbesserungen bei der Mitarbeiterkapitalbeteiligung und der Vermögensbeteiligung. Was fehlt ist die Verzahnung! Eine solche ist aber zwingend, will man knappe Steuermittel zielgenau einsetzen. So droht wieder einmal Stückwerk zu entstehen.“
Außerdem hielt Thurnes fest: „Es braucht keine weiteren Altersvorsorgeprodukte. Die schon existierenden Angebote der bAV reichen aus, sie müssen nur besser nutzbar gemacht werden.
Nicht den Staatsfonds schönrechnen
Thurnes weiter: „Wir brauchen keine schöngerechneten, rudimentären Staatsfondsmodelle zur individuellen privaten Vorsorge. Wir brauchen eine robuste Altersversorgung mit dualem Kern aus staatlicher und betrieblicher Altersversorgung, weil diese als kollektive Systeme höchst effizient lebenslange Leistungen liefern und sich optimal ergänzen.“
Widersprüche im Arbeits- und Aufsichtsrecht beseitigen
Eine Schlüsselrolle komme dabei der reinen Beitragszusage und dem Sozialpartnermodell zu. „Die ersten Sozialpartnermodelle haben gezeigt, wo der Gesetzgeber nachsteuern muss, um Breitenwirkung zu erzielen. Auch Nichttarifgebundene müssen Zugang erhalten. Widersprüche im Arbeits- und Aufsichtsrecht müssen beseitigt werden“, forderte Thurnes.
Gutes verbessern
„Gutes kann man noch besser machen, das gilt auch für die Geringverdienerförderung nach § 100 EStG. Schon mehr als eine Mio. Geringverdiener in über 80.000 Unternehmen haben so Betriebsrentenzusagen erhalten. Pro Kopf wenden diese Betriebe durchschnittlich 570 Euro pro Jahr für die Betriebsrenten auf. Sie erhalten davon 30% als staatliche Förderung erstattet. Bei einem Fördersatz von 40 oder 50% würden noch mehr Zusagen erteilt. Außerdem sollte die Gehaltsgrenze von derzeit 2.575 Euro dynamisiert werden“, führte Thurnes aus.
Entrümpeln …
Zudem müsse die bAV entbürokratisiert, stärker dereguliert und digitalisiert werden. „Nachweisgesetz und PUEG zeigen: deutscher Perfektionismus ist der Feind des Guten. Es kann nicht sein, dass bei der vorgesehenen kinderzahlbezogenen Differenzierung der Beiträge betriebliche Versorgungsträger den gesamten Aufwand für Erhebung und Überprüfung der Daten tragen müssen. Wir brauchen ein digitalisiertes Verfahren, das den Einrichtungen und Arbeitgebern hierzu die notwendigen Angaben liefert und Mehrfachabfragen verschiedener beitragsabführender Stellen bei den Betroffenen verhindert. Bis ein solches Verfahren existiert sollte die Umsetzung des Gesetzes ausgesetzt werden. Versorgungseinrichtungen können nicht über Monate oder gar Jahre zu hohe Pflegeversicherungsbeiträge abrechnen und später alles wieder korrigieren“, erklärte Thurnes.
… und entlasten
Dringender Handlungsbedarf bestehe auch im Finanzaufsichtsrecht. „Wir brauchen eine Anpassung der bestehenden Anforderungen an die Kapitalanlage, die Bedeckung und das Risikomanagement“, so Thurnes.
Altersversorgungseinrichtungen dürften nicht undifferenziert der „Finanzmarktregulierung“ unterworfen werden. Die anstehende Überprüfung der IORP-II-Richtlinie dürfe nicht zu weiteren Belastungen der Einrichtungen führen, sie müsse Entlastungen bringen.
Der folgende Teil zur Berichterstattung zur aba-Jahrestagung 2023 findet sich zwischenzeitlich auf LEITERbAV hier.