Mehrere bAV-Berater und andere Marktteilnehmer haben in den letzten Wochen Studien zum Potenzial der Betriebsrente in Folge des BRSG vorgelegt. Die meisten vernachlässigen dabei zuweilen die Hauptzielgruppe des Gesetzes, nämlich Geringverdiener und Kleinbetriebe. Aon Hewitt hat diese Gruppe nun einbezogen, die Ergebnisse können optimistisch stimmen. LbAV-Autor Detlef Pohl hat sich die Studie angesehen.
In der bAV steht derzeit meist das Sozialpartnermodell (SPM) mit der reinen Beitragszusage im Blickpunkt, so auch zuletzt auf der Handelsblatt Jahrestagung „Betriebliche Altersversorgung 2018“.
Das SPM soll bekanntlich vor allem den KMU und Geringverdienern bei der bAV helfen. In manch aktueller Studie wird der Begriff KMU allerdings so definiert, dass Kleinstbetriebe bis zu zehn Mitarbeitern gar nicht erfasst werden. Das mag an der Zielgruppe der großen Consultants liegen, die Beratungsmandate gern erst in Firmen ab einer Betriebsgröße von 250 Mitarbeitern aufwärts annehmen.
Allerdings zeigte die neuliche Studie „bAV im Mittelstand 2018“ von Generali und Frankfurt Business Media: Je kleiner die Firma, desto größer das Interesse an den neuen Möglichkeiten der bAV durch das BRSG. 51 Prozent alle Befragten erwarten in Firmen von 50 bis 99 Mitarbeitern positive Wirkungen. In Firmen mit 100 bis 249 Mitarbeitern tun dies nur 39 Prozent der Entscheidungsträger und in Firmen mit bis zu 500 Mitarbeitern lediglich 29 Prozent. Grund dürfte sein, dass in großen Firmen schon weitgehend ordentliche bAV-Systeme laufen und zudem die Zahl der Geringverdiener überschaubar ist.
Der Handlungsdruck im Bereich niedriger und durchschnittlicher Einkommen, die Versorgungslücke per Betriebsrente zu verringern, ist insbesondere in den KMU durchaus groß. So fehlen laut einer Studie der Ruhr-Universität Bochum im Auftrag von Fidelity einem heute 42-jährigen Facharbeiter knapp 840 Euro netto im Monat, wenn er mit 67 in Rente geht und sich beim Lebensstandard nur auf die gesetzliche Rente verlässt.
Handlungsdruck zum Auffüllen der Versorgungslücke
Die Studie „BRSG – Realitätscheck mit Arbeitnehmern und Arbeitgebern“, die Aon Hewitt in Zusammenarbeit mit dem Statistik-Portal Statista Ende März vorlegte, hat nun auch Kleinstbetriebe von zwei bis zehn Mitarbeitern einbezogen und dazu auch Betriebsgrößen von elf bis 50 sowie 51 bis 250 Mitarbeiter erfasst. Abgestellt wurde auf die Sicht von Arbeitgebern (befragt wurden 500 Geschäftsführer, Vorstände oder Gesellschafter von Firmen mit zwei bis 250 Mitarbeitern) als auch Arbeitnehmern (befragt wurden 1.000 Arbeitnehmer zwischen 18 und 65 Jahren).
Ein Kernergebnis aus Firmensicht: Trotz erheblicher Wissenslücken zum BRSG im Detail sind Arbeitgeber auch in kleinsten Firmen generell bereit, die bAV ihrer Mitarbeiter anlässlich verbesserter Rahmenbedingungen durch das BRSG zu unterstützen. Nur bei den Kleinstbetrieben bis zu zehn Mitarbeitern gibt es mit mehr als ein Viertel (26,1 %) „Totalverweigerer” – siehe Grafik. Deren Anteil schrumpft bei den Firmen zwischen 51 und 250 Mitarbeitern auf kaum noch nennenswerte 4,3 Prozent. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Fast 50 Prozent der Firmenchefs in Betrieben bis zehn Mitarbeitern ist zur praktischen Unterstützung bereit, weitere 28 Prozent wollen sich erst noch genauer informieren.
„Sowohl bei Arbeitnehmern als auch Arbeitgebern besteht eine große Bereitschaft, in die bAV zu investieren“, kommentiert Aon Hewitt-Geschäftsführer Fred Marchlewski die Ergebnisse. Der größte Nachholbedarf bestehe sicher bei den Kleinbetrieben, aber auch im Mittelstand gebe es noch einiges zu tun.
Wille zu Verzicht auf Gewinnanteile und Konsum messbar
Erstaunlich: Arbeitgeber und Arbeitnehmer wollen in ihrer großen Mehrheit auf Gewinne bzw. Konsum verzichten, um in die bAV zu investieren. Zwei Drittel der Arbeitgeber und drei Viertel der Arbeitnehmer über alle Betriebsgrößen bis 250 Mitarbeiter wären laut Studie bereit, zusätzliche Zahlungen zu leisten.
Überraschend einig sind sich beide Gruppen bei der Höhe des Betrages. Gut 40 Prozent der Arbeitgeber würde 500 Euro pro Jahr zuschießen, und knapp die Hälfte der Arbeitnehmer würde 500 Euro pro Jahr investieren. Damit stünden dann rund 1.000 Euro pro Jahr für den Aufbau einer Betriebsrente zur Verfügung. Immerhin knapp jeder fünfte Arbeitgeber (19,2%) wäre bereit, sogar bis zu 1.000 Euro pro Jahr und Mitarbeiter zu investieren. Weniger als ein Drittel der Befragten (31,0%) lehnt eine Beteiligung an der bAV der Mitarbeiter ab. In Kleinstbetrieben war die Ablehnung der Arbeitgeber am höchsten (39,5 %), zugunsten der Mitarbeiter-bAV auf Profit zu verzichten. In diesem Bereich sprudeln Gewinne häufig nicht so üppig. Dennoch wollen auch in den kleinsten Firmen gut 60 Prozent der Firmenchefs mindestens 500 Euro pro Jahr spendieren und so Fachkräfte an sich binden, betont Marchlewski mit Blick auf das Studienergebnis – siehe Grafik:
Zuschuss für Geringverdiener als Anreiz
Für weit mehr als die Hälfte der Arbeitgeber (56,8%) sind die staatlichen Zuschüsse für Geringverdiener die interessanteste Neuerung des BRSG. Gleich dahinter rangieren die erhöhten steuerfreien Beiträge (47 %) und die Haftungsbegrenzung für Arbeitgeber (44,2 %). „Das Gesetz scheint also durchaus Hürden beseitigt zu haben, die vor allem von KMU deutlich wahrgenommen wurden“, so Marchlewski. Kaum eine Rolle spielt hingegen die stärkere Einbindung der Tarifpartner in das Verfahren. Dieser Aspekt wird nur von 16,2% der Antwortenden genannt. In Kleinstbetrieben gab es hiervon keine nennenswerten Abweichungen – siehe Grafik.
Am Ende stellte die Studie, deren Ergebnisse der Consultant nur sukzessive veröffentlich hat, die Positionen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern per Grafiken gegenüber. Beide Seiten schätzen die bAV übereinstimmend als gute Sozialleistung (je über 50% der Nennungen). 45% der Arbeitnehmer würden bAV nutzen, wenn der Chef etwas zuschösse, doch ebenfalls 45% der Firmenchefs wollen das nur tun, wenn dem Betrieb keine Mehrkosten entstehen. Letzteres steht etwas im Widerspruch zu den vorherigen Aussagen, wonach zwei Drittel der Arbeitgeber bereit wären, zugunsten höherer bAV ihrer Mitarbeiter auf Teile des Gewinns zu verzichten.
Wie auch immer, jedenfalls gilt hier wie so häufig in der bAV: Der Weg vom Konjunktiv zum Indikativ hart und steinig.