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BMF vs. BFH zu GGF-bAV-vGA – Breaking the Case Law (II):

Wer wie was vGA?

Mit einem BMF-Schreiben hat die Berliner Wilhelmstraße auf ein BFH-Urteil zum steuerrechtlichen Umgang mit Betriebsrenten von nach dem Ruhestand weiterarbeitenden GGF reagiert. Gleichwohl hat sich das Ministerium punktuell auch in gewissen Gegensatz zur höchstrichterlichen Rechtsprechung gestellt.Claudia Veh sieht nun mehr Fragen als Antworten.

Wie bereits berichtet, hat das BMF am 30. August (IV C 2 – S 2742/22/10003:009) auf die geänderte BFH-Rechtsprechung vom 15. März 2023 (I R 41/19) mit einer Anpassung des BMF-Schreibens vom 18. September 2017 reagiert.

Claudia Veh, Deloitte.

Die neue Handhabung des BFH, wonach bei voller Weiterbeschäftigung eines GGF bei reduziertem Gehalt nach Vollendung des Pensionsalters keine Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis vorliegt, soweit die Gehaltszahlung die Differenz zwischen der Versorgungszahlung und den letzten Aktivbezügen nicht überschreitet, wird vom BMF übernommen.

Damit darf die Summe aus bAV-Leistung und parallelen Aktivbezügen nicht höher sein als die Aktivbezüge vor Rentenbeginn, um keine vGA auszulösen.

Grundsätzliche Übernahme der Rechtsprechung, aber …

Denn, so BFH und BMF hier noch im Gleichschritt: Im Fall der Fortsetzung der aktiven Tätigkeit parallel zum Bezug der bAV-Leistung würde ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter grundsätzlich verlangen, entweder das Einkommen aus der fortbestehenden Tätigkeit als Geschäftsführer auf die Versorgungsleistung anzurechnen oder den vereinbarten Eintritt der Versorgungsfälligkeit – ggf. unter Vereinbarung eines nach versicherungsmathematischen Maßstäben berechneten Barwertausgleichs – aufzuschieben, bis der Begünstigte endgültig seine Geschäftsführerfunktion beendet hat.

nur bei Vollzeit-GGF

Während aus den Ausführungen des BFH hervorgeht, dass nach Sicht der Richter die Fortsetzung der Geschäftsführertätigkeit auch in einem geringeren Umfang möglich ist, schließt dies das BMF kategorisch aus: Eine Teilzeittätigkeit sei mit dem Aufgabenbild eines GGF nicht vereinbar, so das BMF in seinem aktuellen Schreiben.

Das wahre Leben …

Dies ist bedauerlich, da die gelebte Praxis anderes belegt. Gerade wenn die Tochter oder der Sohn in die Geschäftsführung aufgenommen werden, um den Betrieb in absehbarer Zeit alleine weiterzuführen, geht dies häufig mit einer zeitlich reduzierten Tätigkeit des GGF, allerdings nach wie vor in der Funktion eines Geschäftsführers, einher.

hat da noch ein paar Fragen

Leider bleiben im BMF-Schreiben einige Fragen offen:

Regeln oder nicht regeln?

1. Die angeführte Möglichkeit, statt eines gleichzeitigen Bezugs von bAV-Leistung und Gehalt den Rentenbeginn – ggf. unter Vereinbarung eines nach versicherungsmathematischen Maßstäben berechneten Barwertausgleichs – aufzuschieben, bis der Begünstigte endgültig seine Geschäftsführerfunktion beendet hat, erscheint sinnvoll und praxistauglich. Etwas detailliertere Aussagen hierzu wären jedoch erfreulich gewesen. Was heißt „ggf.“?

Ein Beispiel: In der Pensionszusage ist eine Altersrente in Höhe von 1.000 Euro ab vollendetem 67. Lebensjahr geregelt. Für den späteren Rentenbeginn ist keine Erhöhung vorgesehen. Gemäß BMF-Schreiben sollte es in einem solchen Fall nun möglich sein, das Pensionsalter von Alter 67 auf z.B. Alter 70 über einen Nachtrag zur Zusage samt Gesellschafterbeschluss aufzuschieben, wobei die zugesagte Altersrente soweit erhöht wird, dass der versicherungsmathematische Barwert der Zusage mit Pensionsalter 70 gleich bleibt zur Zusage mit Pensionsalter 67. Jedoch: Dann stellt sich die Frage, ob eine Beachtung der Erdienbarkeitsfristen hier nicht notwendig ist, weil der versicherungsmathematische Barwert der Zusage gleich bleibt? Sinnvoll wäre es allemal – aber das Schreiben schweigt dazu.

Oftmals wird allerdings bei Erreichen der ursprünglichen Altersgrenze noch nicht feststehen, wie lange der GGF noch aktiv tätig sein wird. Damit wird es meist eher zur Situation passen, die Altersrente nicht abzurufen, solange Gehalt bezogen wird, und erst dann, wenn also tatsächlich die aktive Tätigkeit als Geschäftsführer beendet wird, die Altersrente zu beziehen.

In der Praxis würde es sich anbieten, bei Erreichen der ursprünglichen Altersgrenze schriftlich mit Gesellschafterbeschluss zu vereinbaren, dass aufgrund des weiteren Bezugs von Gehalt die Pensionsleistung erst ab dem tatsächlichen Ausscheidetermin zur Auszahlung kommt und dann die Zusage entsprechend (Barwertvergleich) erhöht wird. Die tatsächliche Erhöhung steht in diesem Fall erst bei tatsächlichem Ausscheiden fest. An sich sollte das einem Fremdvergleich genügen, denn dies erscheint sinnvoll und praxistauglich. Allerdings geht das BMF auch auf diese Frage nicht explizit ein.

Falls jedoch bei Vollendung des ursprünglichen Pensionsalters keine derartige Regelung zum Vorgehen erfolgt, d.h. man erst bei tatsächlichem Ausscheiden die aufgrund des Barwertvergleichs ermittelte Erhöhung regelt und vornimmt, würde das auch dem Fremdvergleich genügen, so dass die Erhöhung keine vGA auslöst? Richtig wäre es allemal, doch auch hier – Schweigen.

Anrechnung bei Kapitalwahlrecht …

2. Gemäß BMF-Schreiben gilt die neue Handhabung auch bei Ausübung eines vereinbarten Kapitalwahlrechts bei Erreichen der vereinbarten Altersgrenze. Hier stellen sich zwei Fragen:

a. Wie erfolgt eine Anrechnung der Aktivbezüge auf die Kapitalleistung?

Beispiel: Die Altersrente beträgt 1.000 Euro monatlich mit einer Kapitaloption auf 146.000 Euro; die Aktivbezüge vor und nach Pensionsbeginn betragen 5.000 Euro monatlich.

Wie sollten hier die Aktivbezüge auf die Kapitalleistung angerechnet werden? Um welchen Betrag sollte die Kapitalleistung reduziert werden? Wenn feststeht, dass der GGF noch zwei Jahre weiter aktiv tätig sein wird: Sind dann tatsächlich 24.000 Euro (zwei Jahresrenten) von der Kapitalleistung abzuziehen? Wie kann/soll berücksichtigt werden, dass der GGF ggf. vor Ablauf der zwei Jahre verstirbt und dann tatsächlich nicht 24.000 Euro Aktivbezüge erhalten hat? Wie kann verfahren werden, wenn der konkrete Ausscheidetermin, d.h. die Dauer des parallelen Bezugs von Aktivbezügen, – wie erwähnt – nicht von vornherein feststeht?

Praktikabler erschient hier generell die „umgekehrte“ Anrechnung der bAV-Leistung auf die Aktivbezüge:

5.000 Euro Gehalt abzüglich 1.000 Euro monatliche Rente korrespondierend zur Kapitalleistung ergeben 4.000 Euro Gehalt.

Ein Beispiel im BMF-Schreiben zum gleichzeitigen Bezug von Aktivbezügen bei Ausübung der Kapitaloption aus der Pensionszusage wäre wiederum zu begrüßen gewesen.

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Dies gilt im Übrigen auch generell, d.h. bei der „einfachen“ Konstellation eines gleichzeitigen Bezugs von Rente und Gehalt. Sollen wirklich stets die Aktivbezüge auf die bAV-Leistung angerechnet werden, sofern die Summe beider Zahlungen die bisherigen Aktivbezüge übersteigt – so der Wortlaut im BFH-Urteil und BMF-Schreiben? Oder soll bzw. kann dies auch umgekehrt erfolgen, wonach die bAV-Leistung (die typischerweise niedriger ist als das Gehalt) von den Aktivbezügen abgezogen wird?

Diese Frage ist durchaus von materieller Bedeutung, da bei Pensionsleistungen der Versorgungsfreibetrag nach § 19 Abs. 2 EStG genutzt werden kann.

Beispiel: Das Gehalt beträgt vor und nach Rentenbeginn 5.000 Euro monatlich. Die Altersrente aus der Pensionszusage beläuft sich auf 2.000 Euro. In diesem Fall kommt es zu einer vollen Anrechnung, da die Aktivbezüge nach Pensionsbeginn zusammen mit der Altersrente (7.000 Euro) im Umfang der Altersrente (2.000 Euro) höher sind als die Aktivbezüge vor Pensionsbeginn (5.000 Euro).

In Summe darf der GGF also nur 5.000 Euro (Aktivbezüge vor Rentenbeginn) erhalten. Die Frage ist nun, ob er 2.000 Euro bAV-Leistung erhält und die Aktivbezüge um die bAV-Leistung auf 3.000 Euro gekürzt werden. Oder ob er ein Gehalt in Höhe von 5.000 Euro erhält und die bAV-Leistung aufgrund der Anrechnung der Aktivbezüge auf die bAV-Leistung komplett verrechnet wird, d.h. untergeht?

und bei reiner Kapitalleistung

b. Das BMF-Schreiben spricht von der Ausübung einer Kapitaloption. Wie ist zu verfahren, wenn die Pensionszusage von vornherein auf eine reine Kapitalleistung lautet? Ist dann ebenfalls zu verrechnen? Mutmaßlich schon, alles andere würde verwundern. Dennoch wäre es im Sinne der Klarheit und Rechtssicherheit erfreulich gewesen, wenn das BMF-Schreiben die Kapitalzusage auch ausdrücklich nennen würde; bzw.: Es stellt sich die Frage, ob sie bewusst nicht genannt wurde.

Das BMF in der Wilhelmstraße in Mitte. Foto: BMF/Hendel.

Weiter stellt sich hier die Frage, wie denn – im Fall einer tatsächlichen „umgekehrten“ Anrechnung der bAV-Leistung auf die Aktivbezüge – die Umrechnung der Kapitalleistung in Rente zu erfolgen hat; es stellt sich also die Frage nach den zu verwendenden Rechnungsgrundlagen?

Was speist nun die vGA?

3. Zu guter Letzt zu den Fällen, in denen es zu einer vGA kommt, weil etwa der GGF sein ungekürztes Gehalt und parallel dazu seine bAV erhält: Was wird dann als vGA behandelt? Der zu hohe Teil des Gehalts oder die bAV? Auch hierzu wäre eine Aussage hilfreich gewesen. Die bisherige Rechtsprechung war hierzu nicht einheitlich (vgl. BFH vom 23. September 2013 – I R 60/12; FG Hessen 21. August 2019 – 4 K 320/17).

Damit bleiben leider bei diesem für die Praxis doch sehr relevanten Thema Fragen offen.

Die Autorin ist Aktuarin und Partnerin der Deloitte B&W GmbH in München.

Von Deloitte-Autorinnen und Autoren sind zwischenzeitlich bereits auf PENSIONSINDUSTRIES erschienen:

BMF vs. BFH zu GGF-bAV-vGA – Breaking the Case Law (II):
Wer wie was vGA?
von Dr. Claudia Veh, 1. Oktober 2024

BRSG 2.0-E (X) – Spot on SPM:
Die Frage der Einschlägigkeit
von Dr. Klaus Friedrich, Dr. Lars Hinrichs und Dr. Claudia Veh, XX. August 2024

Vergangenen Februar in München:
vGA? Ja. Auflösung der Rückstellung? Nein!
von Dr. Claudia Veh, 31. Juli 2024

Studie zur bAV:
Schnelles Bündel
von Dr. Klaus Friedrich und Dr. Christian Schareck, 19. August 2018

Anm. d. Red.: Der Komplex GGF-bAV-Steuer, nicht selten in Kombination mit der Frage der vGA, ist Dauer-Gast vor deutschen Finanzgerichten und damit in der Folge auch auf PENSIONSINDUSTRIES, allein hier ist mittlerweile eine staatliche Liste an Veröffentlichungen entstanden. Da mit weiteren Entwicklungen zu rechnen ist und die Übersicht nicht verloren gehen soll, hier die wesentlichen Beiträge zu dem Thema; zu nennen sind insb.:

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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